Schweitzer Fachinformationen
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Kopflos im Gepäck
Die ehemalige preußische Seite des Leipziger Hauptbahnhofs
Am 7. März 1922 meldeten die Zeitungen: »Eine Mordtat in Leipzig - Montag Nachmittag, den 2. März 1922, 6:30 Uhr hat eine etwa 50-jährige Frau vor dem Hauptbahnhof, preußische Seite, zwei Dienstmänner beauftragt, einen Reisekorb aus Weidengeflecht zum Zug 7:14 nach Halle zu bringen und in einen Personenwagen vierter Klasse zu stellen. Die Dienstmänner hatten die Nummer 49 (Otto Böttcher) und 38 (Robert Hentschel). Der Reisekoffer hatte sich auf einem vierrädrigen Handwagen befunden, der am Droschkenplatz gegenüber dem Astoriahotel stand. Beim Wagen hat sich ein junger Mann aufgehalten, der offenbar Beziehungen zur Auftraggeberin hatte. Der Korb auf dem Wagen war mit Säcken zugedeckt. Die Frau selbst war in großer Eile und sehr aufgeregt. Sie zeigte große Sorge, daß der Korb rechtzeitig zum Zuge käme und hatte für die Dienstmänner bereits Bahnsteigfahrkarten gelöst. Sie hieß sie immer vorausgehen und teilte ihnen mit, daß sie sich selbst noch eine Fahrkarte lösen wolle und die Dienstmänner dann am Zuge wieder treffen wolle. Als sie indes bei Abgang des Zuges nicht kam, nahm ein Dienstmann den Korb wieder aus dem Zug heraus und brachte ihn, da ihm die Sache verdächtig vorkam, zu der Kriminalhauptstelle im Hauptbahnhof. Hier öffnete man den Koffer und fand unter blutigem Papier einen schwarzen Herrenmantel mit Samtkragen. Darauf lag eine goldene Uhr mit Kette. Dann kam unter nochmaligem Papier die Leiche eines Mannes ohne Kopf zum Vorschein und zwar auf dem Bauche liegend.
Gepäckträger an einem Zug der Deutschen Reichsbahn. Auf diese Weise wollte die Mörderin ihr Opfer entsorgen.
Der Querbahnsteig des Leipziger Hauptbahnhofs um 1930. Der Bahnhof ist seit seiner Entstehung der flächenmäßig größte Kopfbahnhof Europas.
(.) Personalbeschreibung der Frau: Sie wird als etwa im Alter von 45 bis 60 Jahren stehend geschildert, soll ca. 1,55 Meter groß sein und ein langes schmales Gesicht haben. Sie war bekleidet mit einem schwarzen Kleid und schwarzem Hut und machte den Eindruck einer besseren Arbeiterfrau oder einer solchen aus dem Mittelstand. Als besonderes Kennzeichen wird angegeben, daß sie anscheinend ein fehlerhaftes, rechtes Auge hatte, was entweder von Schielen herrührte oder sonst einen starren Ausdruck zeigte.
Personalbeschreibung des jungen Mannes: Nach den Augenzeugen hat dieser eine Größe von 1,65 bis 1,75 Meter, kann 18 bis 25 alt sein, hat ein langes schmales Gesicht und ist bartlos. Bekleidet war er mit dunkelen einfachen Sachen und einem weichen schwarzen Hut. Er machte den Eindruck eines Gelegenheitsarbeiters.
Der Reisekorb trug einen Klebezettel mit folgender Aufschrift: 1 Stück von Leipzig Hbf Pr. Stbhf nach 24B Wahren und die Gepäcknummer 436. Auf dem Deckel stand in großen lateinischen Buchstaben, soweit man es entziffern konnte, das Wort Elli.
Wie schon erwähnt wurde, war die Leiche ohne Kopf. Der Kopf selbst war nicht aufzufinden. Allem Anschein nach handelt es sich bei dem Ermordeten um einen rothaarigen Juden von schwächlicher Gestalt. Er trug eine schwarze gestreifte Hose, einen schwarzen Rock und eine dreiteilige Weste mit hellem Ärmelfutter. Ferner eine graue Unterhose und schwarze wollene Socken. Das grüne Hemd zeigte rote und blaue Streifen. Die Hosenträger waren graublau, die Taschentücher waren wie das Hemd, mit E.C. 18 oder 13 gekennzeichnet. Ferner befand sich bei ihm ein Schließfachschlüssel der Firma Kästner mit der Nummer 3060. Die weitere Untersuchung ergab einen goldenen Klemmer in einem Lederfutteral, ferner eine kleine Schnupftabakdose aus Horn, die schwarz und gelb markiert war. Von Wichtigkeit dürfte ein braunes Reklamenotizbuch der Firma Orenstein & Koppel in Berlin sein, in dem sich zahlreiche Adressenangaben befanden. Es enthielt anscheinend Kundenadressen, sowie Notizen über abgeschlossene Geschäfte, die sich teils auf Schokolade, teils auf Konfektionswaren bezogen.
Das Hotel Astoria, ehemals erstes Haus am Platze. Gegenüber dem Hotel befand sich der Droschkenplatz.
Die Leiche hat schätzungsweise eine Länge von 167 - 168 Zentimeter. Sie war eingewickelt in eine grüne Decke mit gelben Streifen, die als Reise- oder Pferdedecke anzusprechen ist. Der übriggebliebene Halsteil war in eine rote Decke eingehüllt. In der Manteltasche befand sich ein kleiner sechsläufiger geladener Trommelrevolver, aus dem offenbar in letzter Zeit nicht geschossen worden war. Nach der Aussage von Prof. Dr. Kockel, Vorstand des gerichtsärztlichen Instituts der Universität, kann die Leiche bis zu drei Tagen alt sein. Jedenfalls war verhältnismäßig wenig Blut in den Umhüllungen vorhanden und auch am Reisekorb waren nur geringe Blutspuren bemerkbar. Sie ist also bereits an anderer Stelle ausgeblutet. Von Wichtigkeit für die Feststellung des Namens des Ermordeten ist, daß sich ein Bezugsschein der >Leipziger Neusten Nachrichten< bei dem Ermordeten vorfand.
Sachdienliche Angaben sind zu richten an die Kriminalpolizei, deren Mordkommission sofort nach Meldung im gerichtsärztlichen Institut erschien und die Untersuchung in die Hand genommen hat. Telephonische Meldungen an das Hauptpolizeiamt, Zimmer 106, und an jede Polizeiwache.«
Mit Inbetriebnahme der Eisenbahn dachten Mörder auch daran, sich mit Hilfe von Zügen ihres Opfers zu entledigen, über weite Strecken weg wohin zu transportieren. Die Hochzeit der Kofferleichen begann 1859, und sie dauert an. Der erster der sagenhaften »Koffermörder« hieß Johann Schmidt und kam aus Wien. Er tötete seinen Arbeitgeber und gab am 15. März 1859 dessen Körper samt ausgefüllten Frachtpapieren am Gepäckschalter des Bahnhofs auf.
Im gerichtsärztlichen Institut der Universität (heute Institut für Rechtsmedizin) fand die Obduktion des Opfers statt.
Die Polizeidirektion Leipzig an der Ecke Dimitroffstraße/Peterssteinweg
Die Ermittlungen im Fall der Kofferleiche auf dem Leipziger Hauptbahnhof im Jahre 1922 zeitigten schnell Ergebnisse. Bereits am folgenden Tag lobt die Presse die »erfolgreiche Arbeit der Leipziger Kriminalpolizei«.
»Wir können heute mit Genugtuung feststellen, daß es durch die sofort einsetzende umfangreiche Tätigkeit der Leipziger Kriminalpolizei sehr schnell gelungen ist, den Toten zu identifizieren. Wie wir aus eigenen Erkundigungen feststellen konnten, nahm die Mordkommission sofort eine genaue Untersuchung des Toten vor, wobei auch ein Nähring zutage gefördert wurde, wie ihn die Kürschner benutzen. An Hand des Monagramms in der Wäsche, die E.C. gezeichnet war, und einer Zigarrenspitze, auf der der Namen einer Gastwirtschaft aufgedruckt war, stellte es sich schließlich heraus, daß der Ermordete niemand anderes sein könne, als der privatisierende Kürschnermeister Emil Conrad.
Noch mitten in der Nacht zum Dienstag wurden die bei dem Toten im Reisekorb aufgefundenen Gegenstände Freunden und Bekannten Conrads vorgezeigt, die diese sämtlich als dessen Eigentum wiedererkannten. Auch eine verheiratete Tochter Conrads wurde im Laufe der Nacht sofort von dem an ihrem Vater begangenen grausigen Verbrechen verständigt und vernommen. Die Tochter lebte seit einigen Tagen um ihren Vater in großer Sorge, da dieser auf ihr unerklärliche Weise verschwunden war, und war tief erschüttert, als sie das traurige Ende ihres Vaters vernehmen mußte.«
Allerdings hatte ihre Mutter ein von ihr nicht dechiffrierbares Telegramm erhalten: »Gekauft, einpacken, komme Montag, Dienstag.« Unterzeichnet: Emil. Die Familie war ratlos, nun geschockt.
»Inzwischen war die Spur des Verbrechers durch verschiedene Aussagen, Feststellungen und Erörterungen nach der Ewaldstraße 18, Volkmarsdorf, gelenkt worden. Dort wohnt die 47-jährige Witwe Berta Hoffmann, die den Ermordeten näher kannte und geschäftlich mit ihm zu tun hatte. Am Mittwoch früh 7 Uhr wurde Frau Hoffmann bereits festgenommen und in das Polizeigefängnis eingeliefert. Frau Hoffmann war Ende vorigen Jahres erst in das Grundstück Ewaldstraße 18, das sie käuflich erworben hatte, eingezogen. Sie betrieb in dem im Hause befindlichen Laden ein Nahrungsmittelgeschäft, handelte mit Christbaumschmuck, Wein, Likören usw. Infolge eines Augenleidens gab sie das Geschäft dann aber auf.« Ungewöhnlich hatte sie sich nur insofern verhalten, dass sie am vermuteten Tattag »einen vergnügten Abend im Café« machte und für sich und ihre Kneipengäste eine Rechnung beglich, die sich auf mehr als 90 Mark belief.
Die Ewaldstraße heißt heute Dornbergerstraße und liegt im Stadtteil Volkmarsdorf. Das Haus Ewaldstraße 18 befand sich in unmittelbarer Nähe der Lukaskirche. Heute ist die Straße durch moderne Neubauten geprägt. Das Foto zeigt den Zustand der Häuser in der Nähe der Lukaskirche um 1980.
»Sie hatte schon, als sie das Ladengeschäft noch betrieb, ein Nebenstübchen eingerichtet, in dem Spirituosen verschenkt wurden, und als sie den Laden aufgegeben hatte, empfing sie sehr oft Besuche älterer Herren, die bei ihr aus und ein gingen. Autos und Droschken fuhren bei ihr vor, und die Nachbarn beobachteten, daß sehr oft bis in die Nacht in der Wohnung von Frau Hoffmann >Betrieb gemacht< wurde. Hausangehörigen gab sie an, daß die älteren Herren Bekannte ihres verstorbenen Mannes seien, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stünden, Da sie ein Dienstmädchen hatte, konnte es sich Frau Hoffmann leisten,...
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