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Zwar begreift mein Verstand, wie wichtig Hunde für viele Leute sind, dennoch lässt mich die Tiefe, Radikalität und Wirksamkeit dieser Beziehung immer wieder staunen. Sozusagen live erlebten wir über die letzten fünfunddreißig Jahre als Vorstandsmitglieder des ECA, des Österreichischen Vereins für Eurasier, mehrmals Folgendes: Frau meint, man bräuchte einen Hund. Er: Nur über meine Leiche! Drei Monate später kommt der Welpe ins Haus, zwei Tage später ist es "sein" Hund. Eroberung im Sturm - erstaunlich, wie schnell aus Skepsis eine lebenslange Leidenschaft werden kann!
"Ich mag diese Viecher nicht - alles okay mit mir?", fragte Tim Wirth in seinem berührend-vielschichtigen Text im Magazin des Schweizer Tagesanzeigers1. Er ringt mit seiner Abneigung, fühlt sich als unempathischer, ja unsympathischer Außenseiter getreu der Aussage des US-Schauspielers Bill Murray: "Ich misstraue Menschen, die Hunde nicht mögen. Aber ich traue jedem Hund, wenn er einen Menschen nicht mag." Wirth hasst Hunde nicht, er mag sie bloß nicht. Fast staunend erkennt er, dass er sich mit dieser - wie er meint - kontroversesten aller seiner Meinungen als bedauernswerter Teil einer krassen Minderheit outet. Er mag zwar Hunde nicht, diesen Zustand aber auch nicht. Daher bleibt er dran. In einer Reihe von Episoden schildert er seine Annäherungsversuche an diverse Hunde und ihre Halter oder Halterinnen2. Offen bleibt, ob er damit seine Abneigung gegen Hunde überwinden kann. Vielleicht würde ihm ein Welpe helfen. Dass sich Tim Wirth als Außenseiter sieht, weil er Hunde nicht mag, ist gar nicht so abwegig. Der deutsche Psychologe Reinhold Bergler fand sogar eine Art "Minderwertigkeitskomplex" bei hundelosen Menschen Hundehaltern und -halterinnen gegenüber - was aber auch in Ablehnung umschlagen kann.3
Am 24. April 2024 erschien in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" mein Interview, übertitelt: "Ein Mensch ohne Hund ist nicht ganz vollständig."4 Die Postings gingen durch die Decke. Am Morgen des 26. April waren es bereits fast 1.300, meist recht emotionale Wortmeldungen pro und kontra. Hunde sind offenbar auch modernen, urbanen Menschen ganz und gar nicht egal. Das Thema regt ähnlich an und auf wie die wieder in ihre früheren Lebensräume vordringende Wildform Wolf. Bereits in der sehr fernen Altsteinzeit vor 40.000 Jahren fanden Wolf und Mensch Gefallen aneinander.5 Man blieb zusammen und aus Wolf wurde Hund - oder besser: eine schier unglaubliche Fülle unterschiedlichster Hunde. Mensch und Hund gemeinsam machten sich seitdem Mutter Erde derart gründlich untertan, dass es ihre Biosphäre kaum mehr erträgt. Fragte doch unlängst ein befreundeter Planet die Erde, wie es ihr gehe. Ach, meinte diese seufzend, sie "habe Mensch". Das, meinte darauf der andere, gehe vorbei.
Mag sein - aber die Erde hat nicht nur Mensch, sie hat auch Hund. Als Gespann sind die beiden unschlagbar. Gemeinsam geht man seit Urzeiten auf die Jagd, hütet Vieh, zieht in den Krieg, sucht nebst Trüffel alles, was erschnüffelbar ist, einschließlich Kokain und Borkenkäfer; Hunde retten Menschen, sind geschätzte Assistenten für Menschen mit besonderen Bedürfnissen und so weiter und so fort. Die allermeisten Hunde aber sind schlicht die "besten Freunde" ihrer Leute, unschlagbare emotionale Unterstützer. Sie erden zu Zeiten, da die Medien vor Hiobsbotschaften überquellen. Ein Leben in guter Beziehung mit Hund hält in Balance, macht uns zu sozial verbundeneren und damit vielleicht sogar zu besseren Menschen; und ein Hundepartner fördert Wohlbefinden und Gesundheit, einschließlich der Widerstandskraft gegenüber mentalen Problemen. Echt jetzt? Was wie Wunschdenken klingt, ist heute auch wissenschaftlich belegbar. Hunde machen uns nicht "bloß" zu besseren, sondern auch zu gesünderen Menschen.
Der Stellenwert von Hunden wird offenbar immer noch unterschätzt, ebenso, wie tief sie im Unbewussten verankert sind. So wird Leuten in Begleitung netter Hunde ganz spontan - quasi aus dem Bauch heraus - mehr Vertrauen entgegengebracht als solchen ohne.6 Und nicht selten tauchen in Werbespots für die verschiedensten Produkte Hunde auf. Sie erhöhen die Aufmerksamkeit, verbreiten Wohlbefinden und stehen für ein harmonisches Familienleben.7 Wenn Hunde in der Werbung den Absatz von Produkten steigern, dann haben sie den Nachweis ihrer Wirksamkeit erbracht und die Werbung hat wohl recht mit ihrem hundebezogenen Menschenbild.
Bemerkenswert ist auch, wie viele hundeähnliche Roboter es gibt - nicht nur als sympathisches Spielzeug, wie etwa den netten, von Sony entwickelten "Aibo" und zahlreiche seiner von diversen Spielzeugfirmen produzierten, mehr oder weniger preisgünstigen "Welpen". Hundeähnliche Einsatz- und Kampfroboter werden von Polizei und Militär getestet, wie etwa "Spot" von Boston Dynamics.8 Ist dies allein der geländegängigen Vierfüßermechanik und ihrer universellen Einsetzbarkeit geschuldet? Oder will man mit der Hundeähnlichkeit auch die Akzeptanz dieser Maschinen steigern? Spielt man gar martialisch auf die lange Tradition der Hunde als Partner im Krieg an? Jedenfalls gibt man ihnen Namen wie echten Hunden.
Tatsächlich sind Hunde eine höchst persönliche Angelegenheit. Für die meisten Halterinnen und Halter ist der eigene Vierbeiner schöner, klüger und wichtiger als alle anderen. Klingt stark nach enger Beziehung, nach Bindung. Die Hunde im Freundeskreis zu mögen, stärkt die Freundschaft, sie zu kritisieren, beendet diese ziemlich zuverlässig. Tatsächlich kann die "Nebensache Hund" zwischenmenschliche Beziehungen dominieren. Wie man hört, ziehen viele Frauen den Hund einem Mann vor,9 ein Großteil der Halterinnen und Halter kuschelt lieber mit Hund als mit Partnerin oder Partner,10 und 75 Prozent würden sich für den Hund entscheiden, wäre er ein Trennungsgrund.11 Was läuft da schief um den Hund - läuft überhaupt etwas schief?
Von Hundemenschen hört man, dass Hunde unsere Sprache verstehen und auf unsere Stimmungen empathisch reagieren - oder auch sauer, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen; dass sie Regeln verletzen, sobald sie sich unbeobachtet wähnen, ihnen unsinnig scheinende Anweisungen nicht befolgen und uns manchmal austricksen. Klingt nach ziemlicher Überschätzung der Hunde, nach vermenschlichendem Überhöhen. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, solche Volksweisheiten zu überprüfen und genau das hat Erstaunliches zutage gefördert: Im Wesentlichen treffen diese Einschätzungen zu. Mehr noch: Die Leute unterschätzen eher die Klugheit ihrer Hunde. Vielleicht auch, um gegenüber Nicht-Hundehaltern und -Halterinnen nicht als völlig durchgeknallt zu erscheinen.
René Descartes und manche andere Philosophen der Aufklärung sahen Tiere als Reiz-Reaktions-Maschinen, ohne Bewusstsein und Schmerzempfinden. Einige Hundert Jahre später erklärten der Österreicher Konrad Lorenz und der Niederländer Nikolaas Tinbergen die Basis des Verhaltens von Tieren und Menschen im Rahmen ihrer "Instinkttheorie" als nicht bewusste, angeborene innere Impulse, wofür sie 1973 den Nobelpreis erhielten.12 Mentale Prozesse als Erklärung für Verhalten sahen die beiden immer noch kritisch. Erst gegen Ende des 20. Jahrhundert begann man auch im Rahmen der Biologie, Intelligenz, Fühlen und Denken von Tieren zu untersuchen. Hunde wurden zu wichtigen Partnern in der Forschung,13 was viel zum neuen Verständnis der Mensch-Hund-Beziehung beitrug, und den staunenden Forschenden zeigte, dass man einander auch psychisch viel ähnlicher ist, als das die "alten weißen, männlichen Wissenschaftler" der vergangenen Jahrhunderte in ihren schlimmsten Albträumen für möglich hielten.
Die Bedeutung der Hunde zeigt sich auch in ihrer zeitlosen Wertschätzung durch die Reichen, Schönen und Mächtigen. Seit dem Sesshaftwerden vor etwa 10.000 Jahren sind Hunde den Häuptlingen, Fürsten, Königen und sogar Göttinnen wehrhafte und prestigeträchtige Gefährten. Im 5.000 Jahre alten mesopotamischen Gilgamesch-Epos reiste die Göttin Ishtar mit sieben Jagdhunden, die Halsband und Leine trugen.14 Seit jeher sind Hunde und die meist männlichen Herrscher Waffenbrüder beim Jagen und im Krieg, beim Töten, Erobern und Unterdrücken. So schrieb der griechische Söldner, Philosoph und Hundezüchter Xenophon in seinem "Cynegeticus"15, dem ersten Jagd- und Hundebuch der Geschichte, vor 2.400 Jahren: "Ein Hund muss seinen Leuten gegenüber süß und...
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