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Die Ursprünge Preußens liegen weitgehend im Dunkeln. Die Namensgeber des späteren preußischen Staates, die baltischen Prußen, waren in den Landschaften zwischen der Weichsel im Westen und der Memel im Nordosten zuhause. In der Welt des Abendlandes blieben die Prußen bis Anfang des 13. Jahrhunderts jedoch weitgehend unbekannt, da sie an der Peripherie des christlichen Einzugsgebietes lebten. Allerdings wurde ihre Existenz bereits - wenn auch schwerlich konkret nachweisbar - in antiken Quellen bei Tacitus und Ptolemäus bezeugt. Denn bereits in der Antike spielte der im Römischen Reich begehrte Bernstein eine wichtige Rolle, der über Handelswege wie die Bernsteinstraße aus dem Land der Prußen bis in das ferne Rom gelangte.
Nach dem Untergang des Imperium Romanum fand auch Preußens Geschichte lange Jahrhunderte in der abendländischen Überlieferung keine Erwähnung. Erst Mitte des 9. Jahrhunderts tauchten die Prußen als Bruzi in der Überlieferung des Bayerischen Geographen auf. Mehr als ein Jahrhundert später berichtete 965 oder 966 der jüdische Reisende Ibrahim ibn Ja'qub über die östlichen Landschaften Brus, als er bis an den Hof des römisch-deutschen Kaisers Otto I. nach Magdeburg an der Elbe reiste, wo er vom fernen Preußen hörte. Erste Berichte über direkte Kontakte mit den Prußen stammen aus der Zeit der ersten Jahrtausendwende. Kaiser Otto III. richtete sein Augenmerk auf die christliche Mission der östlich des Reiches gelegenen Gebiete. In der Person des böhmischen Adeligen Adalbert fand der römisch-deutsche Kaiser einen aufgeschlossenen Verbündeten. Adalbert (tschechisch Vojtech, polnisch Wojciech, ungarisch Béla) begab sich in das unbekannte Land der Prußen, um eines der letzten heidnischen Territorien Mitteleuropas für das Christentum zu gewinnen. Bei einer Missionsreise wurde er jedoch 997 von den Bewohnern des späteren Ostpreußen ermordet. Deshalb blieb der Besuch Adalberts in der Geschichte Preußens und der Prußen nicht mehr als ein kurzes christliches Intermezzo. Die Bewohner dieser Regionen hielten bis zur Ankunft des Deutschen Ordens im 13. Jahrhundert ihren alten prußischen Göttern die Treue.
Adalberts fehlgeschlagene Prußenmission sorgte jedoch für ein reges Nachleben in der abendländisch-christlichen Welt. Nach seiner Ermordung veranlasste der polnische König Boleslaw I. Chrobry die Überführung von Adalberts Leichnam nach Gnesen. Kaiser Otto III. nahm dort im Jahr 1000 an der Beisetzung teil. Schon bald erfolgte die Kanonisierung Adalberts, der später zum polnischen Nationalheiligen aufstieg und dessen Verehrung Gnesens Bedeutung als erstes selbständiges römisches Erzbistum in Polen stärkte. 1039 überführte man seinen Leichnam nach Prag, wo Adalbert im Veitsdom seine letzte Ruhestätte fand. Adalberts Tod wurde noch tausend Jahre später im Jahr 1997 gedacht. In Mitteleuropa, vor allem in Deutschland und Tschechien, wird Adalbert vielfältig als früher Europäer gewürdigt, in Polen wird er zudem bis heute als Schutzpatron des Landes verehrt.
Die Prußen waren ein baltischer Stamm. Die Bedeutung des Wortes Preußen - Prußen oder Prusai - konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Möglich ist eine Rückführung auf Traditionen der Pferdezüchter, da beispielsweise im Kaschubischen prus Hengst heißt. Andererseits könnte das Wort auch auf einen Beinamen schließen lassen (prausti - waschen, prusna - Maul). Die Prußen kannten kein einheitliches Staatswesen, sondern lebten in einzelnen Stammes- und Familienverbänden. Durch dieses Fehlen übergeordneter Strukturen fiel es dem ursprünglich in Jerusalem gegründeten Deutschen Orden, der nach 1225 das Land in Besitz nehmen sollte, leicht, die prußischen Stämme zu unterwerfen. Das Prußische gehörte zu den vier baltischen Sprachen, denen auch das Litauische, Lettische und Kurische zugerechnet wurden. Insgesamt sind nur 1800 prußische Wörter überliefert, da die Sprache bis zum 16. Jahrhundert keine eigene Schrift besaß. Erst mit der Reformation fand durch drei Übersetzungen des lutherischen Katechismus unter Herzog Albrecht von Preußen eine Verschriftlichung statt. Pfarrer Abel Will übersetzte den Katechismus ins Prußische, der 1561 in Königsberg erschien. Darin findet sich auch das Vaterunser, ein seltenes Zeugnis der prußischen Sprache, dessen erste Zeile lautet: Tawa Nouuson kas tu essei Endangon. Auch wenn durch die Reformation das Prußische erstmals schriftlich fixiert wurde, konnte dies den Untergang dieser alten Sprache im 17. Jahrhundert zwar verzögern, aber nicht verhindern.
Unmittelbar vor der Eroberung Preußens durch den Deutschen Orden gliederte sich die Region in zwölf historische Landschaften, wie sie Peter von Dusburg in seiner Chronik des Preußenlandes im 14. Jahrhundert beschrieb: Pomesanien, Warmien, Natangen, Samland, Kulmer Land, Löbau, Pogesanien, Nadrauen, Schalauen, Sudauen, Galinden und Barten. Diese Landschaften wurden - so Dusburg - von Völkern (nationes) bewohnt, die jeweils ein hohes Maß an Eigenständigkeit bewahren konnten. Nach Schätzungen von Hartmut Boockmann lebten auf dem Gesamtgebiet Preußens vor der Eroberung durch den Deutschen Orden etwa 220.000 Menschen, während Gerard Labuda und Marian Biskup an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert von 170.000 Einwohnern ausgehen.
Die Prußen blieben eine ländliche Gemeinschaft. Doch zeigte die sogenannte Bernsteinstraße bereits in der Antike, dass sie auch regen Handel trieben. Ein weiteres Beispiel für ihre internationale Ausrichtung ist die Siedlung Truso bei Elbing. Sie war das Tor der Prußen zur Ostsee. Der Ort lag verkehrsgünstig am Frischen Haff in der Nähe des Weichseldeltas. Der angelsächsische Händler Wulfstan besuchte Truso um 890 im Auftrag König Alfreds des Großen. Auch die archäologischen Ausgrabungen in der Siedlung Wiskiauten bei Cranz im Samland geben Aufschlüsse über prußische Kontakte im Ostseeraum. Anders als die traditionelle prußische Totenbestattung durch Verbrennung in großen Flachgräberfeldern, entdeckte man in Wiskiauten seit den ersten Forschungen oder Untersuchungen 1865 ein Gräberfeld mit über 500 Hügelgräbern. Dieser Sensationsfund deutet auf kulturelle Einflüsse aus Skandinavien hin, da viele Fundstücke in den Hügelgräbern skandinavisch-wikingischen Ursprungs sind. Es ist also davon auszugehen, dass an diesem Ort neben den einheimischen Prußen auch Wikinger aus Schweden, Gotland oder Dänemark lebten und in Wiskiauten ihre letzte Ruhe gefunden haben. Der Ort im Samland könnte ebenso wie Truso Teil eines größeren frühmittelalterlichen Handelsnetzwerks im Ostseeraum gewesen sein, dem sich seit 2005 ein deutsch-russisches Forschungsprojekt widmet.
Handel und Wirtschaft der Prußen basierten vor allem auf Bernstein und Pelztieren. Silberfunde aus der Zeit unmittelbar vor der Eroberung durch den Deutschen Orden belegen ebenfalls einen nicht unbedeutenden Reichtum. Nicht zuletzt die unlängst wiederentdeckten Bestände der ehemaligen Königsberger Prussia-Sammlung, die heute vor allem im Museum für Ur- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin aufbewahrt werden, zeigen das Land der Prußen als eine internationale Drehscheibe mittelalterlicher Handelsbeziehungen.
Die prußische Götterwelt und die Religion der Prußen sind nur schemenhaft überliefert. Die Götternamen Perkuns, Natrimpe (oder Patrimpe) und Patollu werden am häufigsten genannt. Naturkräfte wie Götter verehrten die Prußen in heiligen Hainen und an geweihten Gewässern. Sie praktizierten eine Brandbestattung, die heimlich noch bis in das 15. Jahrhundert hinein vorgenommen wurde. Aus der knappen Überlieferung ragt die Gottheit Perkuns (auch Perjuns, Perkunas, Perkunos), der Kriegsgott der Prußen, heraus. Perkuns, der im Grollen von Donner und Blitzen erschien, erfuhr vielfache Verehrung, vermutlich auch in einem eigenen Tempel am See Perkune im späteren Kreis Preußisch Eylau. In der vorchristlichen Welt Litauens und Lettlands waren identische oder ähnliche Gottheiten bekannt. Bis 1945, ja sogar von den Litauern bis heute, findet der heilige Berg Rombinus Verehrung. Auf einer Anhöhe am Memelufer thront dort der prußisch-litauische Opferstein des Gottes Perkuns.
Anders als manche Legenden und Mythen bis heute glauben machen wollen, gingen die Prußen nicht unter, wurden als ethnische...
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