Schweitzer Fachinformationen
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Ich stehe zusammen mit meinem Team vor dem Zimmer des 91-jährigen Hans Zumstein in der Betagtensiedlung Huwel in Kerns, Kanton Obwalden. Herrn Zumsteins heutiger Tagesablauf wird in ein paar Minuten eine unerwartete Wendung erfahren. Es werden bei ihm nämlich sieben unangemeldete Gäste hereinschneien und ihn darüber informieren, dass all seine heutigen Termine ausfallen, sowohl die Physiotherapie um 10 Uhr, das Mittagessen um 11 Uhr 30 wie auch der Coiffeur um 15 Uhr 30. Die fremden Gäste werden ihn bitten, auf eine Reise an einen Ort mitzukommen, an dem er vermutlich sein ganzes Leben noch nie war. Dort würde dann etwas passieren, das er sich bislang in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausdenken können.
Wir schreiben den 23. April 2007 - willkommen beim allerersten Überraschungsdreh von »Happy Day«!
Eingefädelt hat diesen »Überfall« Hans Zumsteins Tochter Thesy, gemeinsam mit der Betreuerin Sonja. Die beiden Frauen haben einen Brief ans Schweizer Fernsehen geschickt mit der Bitte, Hans zu überraschen. Er sei ein Riesenschatz, ein gmögiger Kerl, einer, dem sie gern einen Wunsch erfüllen wollten. Der Wunsch sei ein bisschen speziell, hiess es da, der Senior sei nämlich ein grosser Fan des erfolgreichsten Schweizer Eiskunstläufers, Stéphane Lambiel. Ihn habe Hans Zumstein seit langem einmal persönlich kennen lernen wollen.
Die Redaktion von »Happy Day« - oder besser: des Projektteams der Sendung, die bald unter dem Namen »Happy Day« starten soll - ist in diesen Wochen intensiv damit beschäftigt, sich auf die Premiere der Show vorzubereiten. Am Samstag, 19. Mai, soll die erste Ausgabe dem Publikum präsentiert werden. Schon seit Monaten sind wir an der Arbeit und diskutieren des Langen und Breiten über das neue Studio, über den Themenmix der Sendung und über Special Features wie Showacts oder Comedy-Elemente. Die Wünsche, die bisher vom Publikum per Post eingesandt wurden, sind sorgfältig gesichtet und geordnet worden. Die Auswahl ist noch übersichtlich, da erst ein paar wenige Aufrufe über den Sender gegangen sind. »Happy Day« ist zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit noch niemandem ein Begriff.
Der Wunsch des hochbetagten Obwaldners nach einem Meet and Greet mit dem zweifachen Weltmeister und besten Eiskunstläufer der Schweiz hat sofort unsere Aufmerksamkeit geweckt. Natürlich haben wir uns Fragen gestellt: Wie gut ist der Gesundheitszustand des Rentners? Dürfen wir ihm den Stress eines überfallartigen, unangemeldeten Besuchs und einer hochemotionalen Überraschung zumuten? Wir sind zwar ein kleines Team, aber mit zwei Kameraleuten, einem Tontechniker, mit der Realisatorin, zwei zusätzlichen Helfern und mir als Moderator sind wir doch mehr als ein halbes Dutzend Leute, die in dieser Sache unterwegs sind. Ist der Mann so fix, dass er begreifen wird, worum es geht, oder wird er überfordert sein? Wird er uns abwimmeln wollen oder uns nach einem Blick durch den Türspion gar nicht öffnen? Nach ein paar Abklärungen und der Versicherung der Tochter, dass ihr Vater fit und munter sei, sind wir so weit, dass wir uns um die Details eines Treffens kümmern können.
Wir haben inzwischen Stéphane Lambiel angefragt, ob er mitmachen würde bei dieser Überraschung für einen glühenden Fan. Zu unserer Erleichterung hat er sich über die Anfrage gefreut und sofort zugesagt. Die einzige Bedingung war, dass der Coup im Wallis stattfinden müsse, in Stéphanes Heimatort, wo er in der Eishalle Palladium trainierte. Nun gibt es kaum einen Ort in der Schweiz, der weiter entfernt von Kerns liegt als Champéry, das ganz hinten im Val-d'Illiez liegt, kurz vor der französischen Grenze. Die Fahrzeit über Bern, Lausanne, Montreux und Martigny wird mit knapp drei Stunden angegeben. Hin und zurück bedeutet das deutlich mehr als einen halben Tag Reise. Der Zeitplan, den wir aufgestellt haben, ist sportlich und erlaubt weder Pannen noch Staus. Aber wir haben keine Wahl. Einen zweitägigen Dreh wollen wir Hans Zumstein nicht zumuten - und unserem Budget auch nicht.
Deswegen stehen wir also bereits morgens um neun vor dieser Zimmertür, hinter der Hans Zumstein vielleicht gerade seinen Kaffee trinkt oder die Zeitung liest. Da es die allererste Überraschung ist, die wir drehen, bin ich ziemlich nervös. Ich kenne mich in diesem Genre überhaupt nicht aus und habe keine Ahnung, wie ich das mit den Emotionen in den Griff bekommen werde. Zwar habe ich ähnliche Shows auf ausländischen Sendern gesehen und erinnere mich bestens - zum Beispiel an Rudi Carrell. Die Reaktionen der überraschten Menschen, wenn er in seinem unverwechselbaren niederländischen Akzent sagte: »Sie suchen Ihre Grossmutter? - Hier ist Ihre Grossmutter!«, sehe ich noch vor mir: Sie stutzten, sie staunten, sie schauten Hilfe suchend umher, sie schienen sich zu fragen: Was ist denn hier los? Sie schlugen sich die Hand vor den Mund - o mein Gott! -, sie begriffen nicht, was da vor sich ging. Meint ihr wirklich mich? Sie fanden keine Worte, vergossen Tränen, jauchzten vor Freude, sie fielen dem Moderator um den Hals und waren völlig von der Rolle. Aber eben: Persönlich erlebt habe ich das alles noch nie. Die Erfahrung fehlt. Wir alle, das Team und ich, betreten absolutes Neuland.
Ich klopfe, und nach einer Weile öffnet Hans Zumstein die Tür. Zu meiner Überraschung ist er ganz und gar nicht aus dem Häuschen, sondern schaut uns mit grossen Augen an. Vermutlich versucht er, sich einen Reim darauf zu machen, was all diese Leute von ihm wollen. Ich stelle mich vor und erkläre ihm das Allernötigste: dass ich eine Überraschung für ihn hätte und ob wir hereinkommen dürften. Herr Zumstein nickt und bittet uns herein. Nachdem die Kameraleute die Situation gecheckt und uns ins schönste Licht gesetzt haben, fahre ich fort:
Sind Sie der berühmte Fan von Stéphane Lambiel?
Ja! [Die Bezeichnung »der berühmte Fan« scheint Herrn Zumstein überhaupt nicht zu überraschen.]
Haben Sie Stéphane Lambiel schon einmal getroffen?
Nein, das war nicht möglich.
Also, Herr Zumstein, ich weiss etwas, was Sie nicht wissen.
[Hans Zumstein lacht.] Ja, das ist gut möglich!
Ich habe eine Einladung von Stéphane Lambiel an Sie.
[Ungläubig, unter Tränen.] Jaaa - das ist doch nicht möglich! Wo kann ich ihn sehen?
Im Wallis.
Im Wallis? Bei ihm zu Hause?
Nein, nicht zu Hause, sondern in der Eishalle, wo er trainiert. Kommen Sie mit uns?
Das weiss ich nicht .
Aber ich weiss es. Ich sage es Ihnen: Sie kommen mit uns, wir gehen Lambiel gemeinsam besuchen.
Und er weiss es, dass wir heute kommen?
Er weiss es, und es gibt sogar eine Spezialvorführung auf dem Eis für Sie.
Jaa - das isch jetz aber de Himmel!
Die Erleichterung nach diesen ersten Minuten ist gross, sowohl bei mir wie auch bei meinem Team. Zumsteins Tochter Thesy und die Betreuerin Sonja helfen Hans, sich für die Reise bereit zu machen, und beantworten seine vielen Fragen - »Warum ist das Fernsehen zu mir gekommen? Wie haben sie davon erfahren, dass ich Stéphane Lambiel bewundere?« Und so weiter. Nachdem Thesy ihrem Vater gebeichtet hat, dass sie hinter der Geschichte steckt, beruhigt er sich allmählich, und wir fahren los. Thesy begleitet uns, nicht aber die beiden Helfer aus unserem Team. Sie haben nämlich die Aufgabe, den alten grünen Sessel, in dem der Senior am liebsten sitzt, aus seinem Zimmer zu holen, in einen Transporter zu verladen und uns dann nach Champéry zu folgen. Davon weiss Hans Zumstein aber nichts. Der Sessel soll später Teil der Überraschung werden.
In Champéry bereitet sich Stéphane Lambiel auf seinen heutigen TV-Auftritt vor. Aufwärmen, ein paar Runden übers Eis gleiten, Pirouetten drehen, Sprünge üben. Bis wir im Wallis ankommen, hat er ausgiebig Zeit dafür. Als wir in der Halle eintreffen, bitten wir Hans Zumstein zunächst, sich noch etwas zu gedulden und mit seiner Tochter in der Cafeteria zu warten. Ich treffe in dieser Zeit Stéphane und unterhalte mich ein wenig mit ihm. Er scheint genauso angespannt zu sein wie wir alle. Die Abmachung ist, dass er für seinen Fan, der ganz allein auf dem Eisfeld zuschauen wird, eine Kür präsentieren und ihm danach persönlich für seine Treue danken wird. Eine Galavorstellung für einen einzigen VIP-Zuschauer, der - so stellen wir es uns vor - aus dem Staunen nicht mehr herauskommen wird. Damit sich der Senior dabei ein bisschen wie zu Hause fühlt, haben wir inzwischen seinen grünen Sessel bereitgestellt. Er steht am Ende eines langen roten Teppichs, über den Hans Zumstein gehen wird, mitten auf dem Eisfeld.
Nun hole ich unseren Gast fürs Finale in der Cafeteria ab. Ich führe ihn in die Halle und...
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