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Am 28. Februar 1868 erhielt ich in Göttingen, wo ich dem Studium der Astronomie oblag, ganz unerwartet ein Schreiben von Dr. Petermann, worin mir derselbe das ehrenvolle Anerbieten machte, das Kommando einer kleinen, nach der Ostküste von Grönland auszusendenden Entdeckungsfahrt zu übernehmen. Zu einer näheren Besprechung und Feststellung eines vorläufigen Planes wurde ich zu gleicher Zeit eingeladen, am 1. März nach Gotha zu kommen.
Schon im Sommer 1867 hatte mir Dr. Breusing, Direktor der Steuermannsschule in Bremen, mein hochverehrter Lehrer, von einer in Aussicht genommenen größeren deutschen Nordpolar-Expedition gesagt und mich zugleich gefragt, ob ich an derselben, wenn sie zustande käme, wohl teilnehmen würde. Mich an einem derartigen wissenschaftlichen Unternehmen zur See zu beteiligen, welches so sehr geeignet ist, unseren deutschen Seemannsstand zu heben und Deutschland im Auslande auch auf diesem Gebiete Achtung und Geltung zu verschaffen, war schon immer mein sehnlichster Wunsch gewesen, und ich gab solches auch Dr. Breusing zu erkennen, mit dem Bemerken, er könne unter allen Umständen, sofern ich Leben und Gesundheit behielte, sicher auf mich rechnen. Auf diese Äußerung hin erwähnte Dr. Breusing meiner in der Beratung. Die zur Aufstellung eines Planes für die große Nordpolar-Expedition im Oktober 1867 bei Dr. Petermann in Gotha gehalten wurde.
Die Ausführung derselben scheiterte jedoch an der Unmöglichkeit, die nötigen Geldmittel zu beschaffen. Dr. Petermann aber, der unermüdliche und uneigennützige Beförderer der geographischen Wissenschaft, gab die Sache nicht auf, sondern glaubte wenigstens einen Teil der projektierten größeren Expedition, nämlich die Erforschung der Ostküste Grönlands von 75° N. Br. an, dem nördlichsten von Clavering erreichten Punkte, mit einem kleinen Schiffe und verhältnismäßig geringen Mitteln ausführen zu können. Infolgedessen schrieb er mir den oben erwähnten Brief.
Dr. Petermanns Plan war folgender: Ich sollte mich so bald wie möglich nach einem geeigneten Orte Norwegens begeben, eine norwegische Jacht, wie sie für den Walroß- und Robbenfang auf Spitzbergen gebraucht würden, chartern, dieselbe bemannen und ausrüsten und damit den Versuch machen, die Ostküste von Grönland in etwa 75° zu erreichen. Gelänge mir dies, so sollte ich die Küste weiter nördlich verfolgen und so weit wie möglich vorzudringen suchen, auf jeden Fall aber gegen den Herbst wieder nach Europa zurückkehren.
Im Falle eines wirklichen Gelingens leuchtete mir nun zwar der große Nutzen einer solchen Reise in nationaler wie in wissenschaftlicher Beziehung sofort ein, und ich hielt es auch nach dem, was ich über Eisverhältnisse im grönländischen Meere gelesen hatte und was Dr. Petermann mir noch von den Reisen Scoresbys, Sabines und Claverings mitteilte, keineswegs für geradezu unmöglich, selbst mit einem so kleinen Segelschiffe sich durch den Eisstrom durchzuarbeiten; indes hatte ich doch mancherlei Bedenken gegen einen solchen Plan und kannte als Seemann nur zu gut die ungeheuren Schwierigkeiten, die sich von allen Seiten der Ausführung entgegenstellen würden. Jedenfalls, so sagte ich Dr. Petermann, müßte das Fahrzeug, um überhaupt nur in das schwere Polareis eindringen zu können, vorher noch bedeutend verstärkt werden, und ich trennte mich von ihm mit dem festen Entschlusse und dem Versprechen, mich völlig dem Unternehmen zu widmen und, sobald ich mir die Sache gehörig überlegt hätte, mein Möglichstes für das Zustandekommen der Expedition zu tun, wenn nur die nötigen Geldmittel herbeigeschafft werden könnten.
Bedenken und Hindernisse mancherlei Art stellten sich bald der Ausführung des obigen Planes entgegen.
Dr. Breusing, dessen Rat ich nun zuerst einholte, schrieb mir am 3. März: »Leider befürchte ich, daß an eine Ausführung für dieses Jahr doch nicht zu denken ist. Wären die Geldmittel vorhanden, so würde der Plan, wie Sie ihn mit Dr. Petermann verabredet haben, meine ganze Billigung finden, trotzdem Kapitän Geerken (einer der erfahrensten älteren Seekapitäne Bremens) die gerechtesten Bedenken dagegen erhebt. Dieser meint: Wenn Sie nach Tromsö oder Hammerfest gingen, so würde man Ihnen sofort die unverschämtesten Bedingungen stellen, die Sie schon genehmigen müßten, wenn Sie nicht ganz unverrichteter Sache wieder zurückkehren wollten. Die dortigen Jachten seien wohl zum Fischfange in der dort immer offenen und eisfreien See tauglich, könnten auch im Sommer wohl an der freien Küste von Spitzbergen ihre Robben- und Walroßschläger absetzen, seien aber durchaus nicht geeignet, um im Eise Gefahren zu bestehen.36 Sie würden das Geld voraus bezahlen müssen, und wenn Sie dann einmal von der norwegischen Mannschaft Opfer, Strapazen oder gefährliche Unternehmungen verlangten, würde diese den Gehorsam verweigern. Was wollten Sie dann tun? Bei einem solchen Unternehmen bedürfe man Leute von der Kriegsmarine, die an sklavischen Gehorsam gewöhnt seien. Mit einem Segelschiffe sei es immer höchst gefährlich, ins Eis zu gehen, man wisse nicht, ob man wieder herauskomme. Ob Sie sich auf zwei Jahre ausproviantieren könnten? &c. &c.
»Ich meine, es hat hier vor allem der Grundsatz Anwendung zu finden: »Wagen gewinnt, Wagen verliert, wer aber nichts wagt, wird auch nichts gewinnen.« Da meinen denn freilich H. H. Meier, Noltenius &c., die eifrigsten Freunde der Nordpolfahrt, daß es immerhin doch eben so wahrscheinlich sei, daß diese mit unzureichenden Mitteln unternommene Expedition mißlänge, und wenn das, so könne man die Hoffnung, im nächsten Jahre die eigentliche Nordfahrt zustande zu bringen, nur aufgeben. Eben weil es ihnen mit dieser ernst ist, wollen sie für dieses vorläufige Unternehmen kein Geld hingeben.
»Wenn ich ein reicher Mann wäre, ich würde diese vorläufige Fahrt aus eigenen Mitteln bestreiten. Wenn sie auch kein weiteres Resultat hätte, als daß Sie, einer der für die definitive Fahrt designierten Offiziere, mit den Eisverhältnissen in den arktischen Gewässern vertraut werden, so ist das schon immer einige 1000 Taler wert. Aber woher sie nehmen?«
Alle diese Bedenken waren vielleicht gerechtfertigt und verdienten wohl, in Überlegung gezogen zu werden. Ich ließ mich indes dadurch nicht abschrecken und beharrte nach ruhiger Überlegung auf meinem Entschluß, die Sache zur Ausführung zu bringen.
Hauptsächlich in nationaler Beziehung schien mir das Unternehmen von zu großer Wichtigkeit, wenn es auch einen noch so kleinen und bescheidenen Anstrich hatte und keine großen Resultate erwartet werden konnten.
Die Deutschen waren infolge der früheren unglücklichen politischen Zerrissenheit gerade in nautischen Unternehmungen und Erforschungsexpeditionen schmachvoll hinter allen Nationen Europas zurückgeblieben, trotzdem wir eine so große Handelsmarine, die drittgrößte der ganzen Welt, und eine so zahlreiche und tüchtige seemännische Bevölkerung aufzuweisen haben. Der Verfall des einst so mächtigen Hansabundes, dessen Flotten imstande waren, den übrigen Nationen Europas Handelsgesetze vorzuschreiben, datiert sich von dem Augenblick an, als derselbe aufhörte, sich bei den großen Entdeckungsfahrten tatkräftig zu beteiligen, und daher dürfen wir jetzt nach dem glorreichen Jahre 1866, wo der Grundstein zur neuen Größe und Einigung unseres deutschen Vaterlandes gelegt wurde, auch in nautischen Unternehmungen nicht mehr zurückstehen.
Solcher Art waren meine Gedanken und die Haupttriebfedern, die mich über alle Bedenken und Hindernisse hinwegsetzten, obgleich ich alle Schwierigkeiten wohl zu würdigen verstand und als Seemann wußte, daß wohl keine sehr großen Entdeckungen mit so geringen Mitteln, wie sie mir zur Verfügung gestellt wurden, würden gemacht werden können. Indes bei einer so kleinen, auf das äußerste Maß beschränkten Expedition waren immerhin auch die kleinsten Ergebnisse ehrenhaft; die Wissenschaft war jedenfalls der gewinnende Teil, und was sehr wichtig war: Wir sammelten wertvolle Erfahrungen im Befahren der Eismeere, das Interesse bei der Nation wurde geweckt, und eine zweite, größere Expedition konnte mit weit mehr Aussicht auf Erfolg ausgerüstet werden.
Was den Geldpunkt betraf, so vertraute Dr. Petermann auf den gesunden nationalen Sinn des deutschen Volkes und seiner Fürsten, und war der Meinung, daß, wenn die Sache nur erst einmal ernstlich in Angriff genommen würde, und zwar so, daß möglicher Weise gute Resultate erzielt werden könnten, es auch nicht an den nötigen Geldmitteln fehlen würde. Diese Hoffnung hat sich später in großartiger Weise bewährt. Die übrigen Bedenken und Hindernisse waren nicht solcher Art, als daß sie sich nicht mit einiger Umsicht und geeigneter Leitung beseitigen ließen, und etwas mußte...
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