Schweitzer Fachinformationen
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»Gott verdamme ihre sündige Seele! Ich werde selbst dafür sorgen, dass meine Verwandte Johanna sich wegen ihrer Ketzerei verantworten muss! Ich bin ein frommer Mann!« Philipp von Falkenstein, Hausherr der Burg Königstein und gerade von seiner langen Reise aus Rom zurückgekehrt, stemmte die massigen Unterarme auf den Tisch und richtete seine vorstehenden Augen erzürnt auf Ritter Bernburg.
Bernburg ließ sich von seinem Lehnsherrn nicht einschüchtern. Nur wenige kannten ihn so gut wie er. Eben darum hatte er gewagt, für Johanna um Gnade zu bitten, die sich am Aufstand der Bürger von Königstein gegen ihren ungeliebten Herrn beteiligt hatte. Aber die Zustimmung, die Philipp lautstark von seinen ohnehin meistens lärmenden Gefolgsleuten im Saal erhielt, ließ ihn zögern, den Sachverhalt erneut darzulegen. Philipp würde sich nicht scheuen, das Strafmaß zu erhöhen, wenn er seinen Männern derart leicht eine Freude bereiten konnte. Manche von ihnen kannte Bernburg nicht einmal; Philipp musste sie aus der Heimat seiner Familie irgendwo im Süden mitgebracht haben.
Die Veränderungen machten Bernburg Sorgen. Der Himmel mochte wissen, was dieser unbeherrschte Eroberer der Reichsburg Königstein in Zukunft anrichten würde. Philipps Blick ruhte jedenfalls auf ihm, als ob er persönlich für die Taten der mutigen jungen Ritterstochter verantwortlich wäre.
»Warum hat Johanna von Falkenstein-Butzbach mich nie wegen ihres Vaters aufgesucht? Sagt, Ritter, warum hat sie mich nicht angefleht, ihn freizulassen?«
»Das entspräche wohl nicht ihrem Charakter«, murmelte Bernburg voll böser Ahnungen.
»Bringt sie her, Bernburg. Ich will sie sehen. Ich will sehen, wie eine Frau aussieht, der Ihr Charakter zusprecht.« Philipp lachte träge und sah sich beifallheischend unter seinen Mannen um. Ihr schallendes Gelächter ließ sein Gesicht glänzen, als hatte er es in Salböl gebadet.
Bernburg hörte das Knacken seines eigenen Kiefers im Ohr, bewahrte aber Haltung und hütete sich, das selbstgefällige Gefasel des Burgherrn zu unterbrechen.
»Man behauptet, Ihr wüsstet, wo sie sich versteckt.«
Bernburg sah keinen Sinn darin zu leugnen, dass er gelegentlich zu Johanna Kontakt hatte. Er nickte schweigend.
»Ihr könntet damit einiges von dem gutmachen, was Ihr Euch in meiner Abwesenheit habt zuschulden kommen lassen.«
Eine leise, aber unüberhörbare Anklage, die Bernburg nicht auf sich sitzen lassen konnte. »Ich habe die Burg für Euch gerettet, Philipp von Falkenstein«, entgegnete er ruhig. »Mit Unterstützung des damals schon sehr kranken Ritters Oppenrod. Eure Herzensdame Katherine war dabei, Stadt und Burg während Eurer Abwesenheit zugrunde zu richten. Die Königsteiner Bürger jedenfalls wären dieser Meinung, und ohne mein Dazwischentreten hätten sie den Burghauptmann und seine wenigen Männer über die Zinnen geworfen.«
»Was fällt Euch ein, Bernburg! Legt gefälligst mehr Respekt vor der Edeldame Katherine an den Tag! Sie hat mir übrigens die Vorgänge ganz anders geschildert.« Der Burgherr stieß heftig die Luft durch die Nase und atmete schwer. Unverkennbar stand er kurz vor einem Wutausbruch.
Die jungen Ritter, die mit Philipp am hohen Tisch zechten, schielten erwartungsvoll zu ihm hin. Die Erfahrenen grinsten und hielten die vollen Krüge fest, damit sie nicht von der Tischplatte springen konnten.
Bernburg sah sich ernüchtert in der Runde derer um, die Philipp am nächsten standen. Keiner von ihnen war auf Burg Königstein gewesen, als die Bürger zum Sturm auf die Burg ansetzten; niemand konnte bezeugen, dass es ausschließlich seinem diplomatischen Geschick zu verdanken wär, wenn die Burg heute noch Philipp gehörte.
»Nun?« fragte Philipp aggressiv. »Wollt Ihr Euch entschuldigen?« Bernburg seufzte. Was er Philipp jetzt noch mitzuteilen hatte, würde ein Dolchstoß in das Herz des Mannes sein, der dieser Frau restlos verfallen wär. Aber er sah keinen Ausweg. »Nein«, sagte er. »Es gab turbulente Ereignisse auf der Burg. Ich werde sie Euch zu anderer Zeit ausführlich schildern. Unter anderem erfuhren wir dabei, wer die Edeldame Katherine in Wahrheit ist: Sie ist keine Edeldame. Sie heißt Katherine Yss und wuchs in bettelarmen Verhältnissen in der Gilergasse von Frankfurt auf. Wenn man es genau nimmt, ist sie nichts als eine Hure, die gegen das Gebot der Heiligen Mutter Kirche ohne den gelben Schleier herumläuft.«
Das Gesicht des Burgherrn rötete sich bis zu den Wurzeln der schon sehr gelichteten kinnlangen Haare. Die wässerigen blauen Augen traten noch mehr hervor als gewöhnlich. Ein Löffel, den er, ohne es zu bemerken, zwischen den Händen gebogen hatte, zerbrach. Philipp schleuderte beide Teile von sich.
Einer der wenigen älteren Ritter an der Tafel wurde von dem einen Löffelteil an der Braue getroffen. Der heftige Schmerz ließ ihn zusammenzucken. Bernburg, der es aus dem Augenwinkel bemerkte, wartete auf den Protest des Mannes, aber dieser wischte nur verstohlen das Blutrinnsal aus den borstigen grauen Haaren, damit es ihn nicht die Sicht nahm.
Es bestätigte Bernburg, was er längst geahnt hatte: Philipp war ein tückischer und unberechenbarer Herrscher; Männer, die ihm treu gedient hatten, wurden schnell zu Feinden erklärt. Aber vor seiner Romreise hatten die Ritter wenigstens gewagt, Philipp Widerstand zu leisten.
Philipp stemmte sich aus seinem Lehnstuhl hoch. »Bernburg!« Die Schärfe in seiner Stimme war ätzend. Er wartete auf ein Zeichen der Unterwerfung.
Bernburg verlagerte sein Gewicht auf das Schwert, dessen Spitze zwischen seinen Füßen stand, und beugte den Nacken kaum spürbar.
Philipp musterte ihn kalt. »Das hättet Ihr nicht sagen sollen, Lehnsmann! Die Dame Katherine hat ein feines Gespür für Feinde und ist unversöhnlich. Ich kann Euch getrost ihr überlassen. Ihr werdet Euch noch wünschen, Eure Strafe nur aus meiner Hand zu empfangen.«
»Ich habe Euch geschworen, Euer Leben, Eure Ehre und Euer Hab und Gut zu verteidigen, Herr«, sagte Bernburg förmlich und ließ sich hinter seinem Schwert auf ein Knie nieder. »Das habe ich getan. Jetzt aber bitte ich Euch, mich aus Eurem Dienst zu entlassen; ich habe Euer Vertrauen nicht mehr und kann Euch nicht mehr von Nutzen sein.«
»Nein, Lehnsmann!« Philipp ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. In seinem Gesicht wechselten Verblüffung und Verärgerung einander ab.
Niemand wagte, sich zu rühren, und es war still im Saal; nur im Stroh in der Nähe der Heizungsschächte raschelten die Mäuse.
Es dauerte eine Weile, bis Philipp zu einem Entschluss gekommen war. »Ihr werdet mir weiterhin in Treue und mit Eifer dienen, Bernburg. Ich gestatte Euch nicht, Euch einfach Eurer Schuldigkeit zu entziehen! Dagegen mag Oppenrod sich zurückziehen; seine Knochen zerbröseln allmählich, hat man mir erzählt. Und jetzt erspart mir den Anblick Eurer mürrischen Miene und entfernt Euch.«
Ritter Bernburg erhob sich, verneigte sich stumm und wandte sich zur Saaltür. Bevor er sie erreicht hatte, zwang die Stimme seines Herrn ihn, sich nochmals umzuwenden.
»Ich erwarte, dass Ihr Johanna innerhalb der nächsten drei Tage herschafft, ganz gleich, wo und in welch übler Gesellschaft sie sich herumtreibt! Solltet Ihr versagen, werdet Ihr im Kerker darüber nachdenken, wie Ihr Euch bessern könnt.«
»Ich nehme an, dass Ihr für Johannas Sicherheit bürgt und sie unbehelligt wieder gehen lasst?« erkundigte Bernburg sich kühn.
Philipp achtete längst nicht mehr auf ihn; möglicherweise überhörte er Bernburgs Frage aber auch mit Absicht.
Bernburg überdachte noch, ob es zweckmäßig wäre, auf einer Antwort zu beharren, als er grob von hinten angerempelt wurde. Ein Hüne stand hinter ihm, zu dem er aufsehen musste, obwohl er selber nicht klein war. »Seht Euch vor, Heinzenburg«, sagte er grollend.
Ritter Heinzenburg, ein vierschrötiger Klotz von Mann mit einem breitflächigen, nichtssagenden Gesicht, grinste vieldeutig. »Ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, der sich vorsehen muss. Wie es scheint, kommt Ihr an diesem Hofe allmählich aus der Mode. Es wurde auch Zeit.«
»Während Ihr immer beliebter werdet«, versetzte Bernburg. »Vor allem bei der Edeldame Katherine Yss aus dem Bettler- und Hurenviertel von Frankfurt, nicht wahr?«
»Hütet Eure Zunge, Bernburg«, zischte Heinzenburg. »Ich könnte sonst versucht sein, Eurem Herrn zu empfehlen, sich dieser Zunge zu entledigen. Es gäbe da verschiedene Methoden, musst Ihr wissen .« Mit klirrenden Beinschienen machte er sich auf den Weg zur hohen Tafel an der Stirnseite des Saals.
»Ach. Seid Ihr der neue Ratgeber unseres Burgherrn?« fragte Bernburg spöttisch hinter ihm her.
Aber weder Heinzenburg noch die übrigen Männer beachteten Bernburg. Sie starren fasziniert auf den Zwerg, der von irgendwo aus dem Verborgenen hervorschoss und wie eine rollende Kugel Heinzenburg den Weg bis zur hohen Tafel durch das schmutzstarrende Stroh bahnte.
Man könnte meinen, Heinzenburg fühlte sich als der Herr im Haus, dachte Bernburg verdrießlich und verließ den Saal.
Johanna von Falkenstein kauerte hinter dichtem Gebüsch an der Straße zwischen Eppstein und Königstein und lauschte mit zunehmender Verwunderung. »Was mag das nur sein, das mit solchem Lärm durch den Wald gekarrt wird?« fragte sie beunruhigt.
»Vielleicht hat sich unser geliebter Burgherr wieder etwas neues Schönes ausgedacht«, mutmaßte Ritter Brobergen, ihr ständiger Begleiter und unauffälliger Beschützer. »Man kann ziemlich sicher...
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