Schweitzer Fachinformationen
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Cornelius machte sich im Schutz der Nacht zur Burg von Lübeck auf, wo außer den Soldrittern in König Waldemars Diensten auch die Delegation aus Sizilien untergebracht war. Er hoffte, im Stall jemanden zu finden, der ihm Auskunft geben konnte.
Die angespannte Stille in der Stadt war nicht weniger alarmierend als Schlachtenlärm, und er bewegte sich vorsichtig wie eine Katze. Einen Augenblick blieb er stehen, um seinen Umhang mit dem leuchtenden weißen Kreuz herumzudrehen, und setzte dann seinen Weg im Schatten der Häuser fort. Zuweilen hatte er das Gefühl, dass ihm jemand auf den Fersen war.
Aber als er unvermittelt in einen Torbogen schlüpfte und lauschte, war alles ruhig. Wahrscheinlich gaukelte ihm sein Gespür für brenzlige Situationen, das er all die Jahre nicht benötigt hatte, eine Gefahr nur vor. Er lachte leise über sich selbst.
Völlig unbehelligt erreichte er die Burg. Im Schatten der Mauer legte er seinen Mantel wieder richtig herum an und trat zu dem kaiserlichen Wachtposten, den er kurz das Kreuz auf seinem Rücken sehen ließ. »Man verlangt nach mir. Einer der dänischen Ritter hat sich verletzt«, erklärte er.
Er wurde schweigend durchgelassen. Zuversichtlich ging er auf den Stall zu, der schwach erleuchtet war.
Die Geräusche von schlafenden Pferden waren Cornelius so vertraut wie früher. Mit einem Lächeln trat er über die Schwelle.
Ein Knecht mit dunkelhäutigem Gesicht sprang von einem Schemel auf. Über seinen Knien hatte eine Axt gelegen, die er nun drohend in der Hand hielt.
»Mein Name ist Cornelius von Fischbach«, erklärte der Ritter mit verwundert hochgezogenen Augenbrauen langsam und deutlich, weil er nicht wusste, ob der Mann Deutsch verstand. »Herrscht Krieg im Stall des Kaisers?«
»Was wollt Ihr?«, entgegnete der Knecht scharf. »Ihr seid keiner von den Unseren.« Er bediente sich eines Gemisches aus Italienisch und Deutsch und schien jeden Augenblick willens zu sein, mit der Axt auf Cornelius loszugehen.
»Ruhig, mein Sohn«, sagte Cornelius beschwichtigend und ließ ihn das Kreuz sehen. Angestrengt suchte er in seiner Erinnerung nach Brocken des italienischen Volgare. »Ich bin auch kein Däne, ich komme vom Hospital, wo euer Deutschherr liegt.«
»Ausgerechnet Johanniter! Ob das meinem Herrn wohl recht ist?«
»Ich habe in Ägypten und im Heiligen Land gekämpft wie dein Herr, und vermutlich wäre er dankbar, wenn er wüsste, dass sich ein Waffenbruder im Namen des Herrn um ihn bemüht. Abgesehen davon, dass die beste Hakima des Nordens es tut.«
»Habe schon davon gehört«, brummte der Knecht unentschlossen und stellte dann die Axt an die Wand. »Ist sie wirklich Sarazenin?«
»Nein, das ist sie nicht«, sagte Cornelius vorsichtig. »Aber sie hat die Heilkunde der Araber in Toledo studiert.«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte der Italiener plötzlich freimütig. »Ich habe mir einmal in Lucera von einem Hakim einen Pfeil aus dem Oberschenkel ziehen lassen. Ist tadellos verheilt. Womit kann ich Euch helfen?«
Cornelius holte tief Luft. »Die Hakima benötigt eine Auskunft von dir. Könnte sein, dass die Heilung deines Herrn dann schnellere Fortschritte macht.«
Der Knecht grinste schief. »Nicht, dass ich Eure Schmeichelei glaube, aber wenigstens schlafe ich nicht ein, wenn Ihr mich unterhaltet. Worum geht's?«
»Es soll vor einigen Tagen ein Schlachtross hier im Stall gestorben sein.«
»Es war niemand schuld«, antwortete der Knecht wütend und trat dicht an Cornelius heran. »Wer das behauptet, lügt!«
»Beruhige dich! Darum geht es mir als Johanniter doch gar nicht.«
»Das ist wahr«, gab der Knecht reuig zu. »Braucht die Hakima vielleicht Pferdefett?«
»Nein, nein, nur die Auskunft.« Cornelius griff nach dem kleinen Beutel, den er unter seinem Umhang trug. »Es soll dein Schade nicht sein. Ist dir etwas an dem Hengst aufgefallen?«
»An dem Hengst gab es nichts, das nicht aufgefallen wäre«, sagte der Knecht bereitwillig und befingerte neugierig den lübschen Halbpfennig.
»Einen Humpen Bier oder den Kuss einer Dirne bekommst du dafür«, klärte Cornelius ihn lächelnd auf.
Der Knecht zwinkerte ihm zu. »So etwas von Euch, Bruder Ritter? Der Hengst blutete aus allen Löchern gleichzeitig, wie ich es noch nicht gesehen habe. Und die Haut war aufgequollen, als sei sie mit Wasser gefüllt. Wenn man draufdrückte, kam aber nichts heraus.«
»Hast du draufgedrückt?«, erkundigte Cornelius sich.
»Nein, nur der Deutschritter selber. Von uns wagte sich niemand an den Hengst heran. Hier hatte Satan seine Hand im Spiel, und dagegen ist nur ein so hoher Herr wie Hermann von Salza gefeit.«
Der Italiener begann ausschweifend vom grausigen Ende des Pferdes zu erzählen; so wortkarg er am Anfang gewesen war, konnte er jetzt kaum ein Ende finden.
»Wie seid ihr das Pferd denn losgeworden?« Cornelius unterbrach ihn schließlich. Er war halb erstaunt, halb belustigt.
»Mit Mistgabeln auf ein großes Brett gewälzt und dann ab damit in einen Brunnen«, erklärte der Knecht kurz und bündig und schüttelte sich.
»Ja, ob die Hakima damit etwas anfangen kann, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall ist es die Auskunft, die sie wünschte. Ich danke dir«, sagte Cornelius freundlich.
Als er schon in der Stalltür stand, wurde er nochmals aufgehalten. »Herr Ritter«, sagte der Knecht zögernd. »Wir werden für unseren Herrn Hermann und für die Hakima beten und Kerzen anzünden. Frater Leonardo hat's verboten, aber jetzt, wo ich Euch kenne .«
»Tut das, sie ist für jede Hilfe dankbar«, sagte Cornelius und entfernte sich mit einem Nicken. Als er das Burggelände hinter sich gelassen hatte, fragte er sich, wer zum Teufel dieser Bruder Leonardo sein mochte und warum ausgerechnet er keinen himmlischen Beistand für den Hochmeister wünschte. Oder hatte sich der Italiener nur unglücklich ausgedrückt?
Der Zustand des Deutschordensherrn hatte sich weiter verschlechtert. Sein Gesicht war inzwischen mehr grau als rot, trotzdem glühte er vor Hitze. Eigentlich hätte Ymme nach dem Priester der Kirche Zum Heiligen Geist schicken müssen, die am nächsten lag.
Aber die Letzte Ölung würde die Zeit in Anspruch nehmen, die sie für einen letzten Versuch benötigte. Schon auf dem Weg zur Tür, gestand sie sich ein, dass sie sich womöglich versündigte. Sie würde trotzdem handeln, wie sie es für richtig hielt.
»Ermgard!« rief sie in den langen Gang vor den Krankenzimmern. »Zwei Pferdedecken, Betttücher und zwei Kübel Wasser, schnell! Und die Küche soll Knoblauchmus vorbereiten! Bring Hindrik mit!«
Laufende Schritte bestätigten, dass ihre Befehle auf der Stelle ausgeführt wurden, indes sie selbst den Kranken von seiner restlichen Kleidung befreite. Als Ermgard und der Knecht Hindrik kamen, lag der Hochmeister nackt auf den Laken.
Ymme erklärte ihnen hastig, was sie vorhatte. Dann begannen sie mit Hilfe der zerrissenen Bettücher den Kranken mit kaltem Wasser abzureiben, jeden Zentimeter Haut immer und immer wieder.
Obwohl Ymme immer noch nicht recht klar war, ob ein Zusammenhang zwischen der übrigen Erkrankung und dem Karbunkel bestand, wäre ihr lieber gewesen, ihn offen zu wissen. Aber er war noch nicht reif. Wenn sie ihn jetzt öffnete, würden die Gifte aus dem Karbunkel den Körper überschwemmen, und dann wäre Hermann von Salza mit Sicherheit noch vor dem Morgengrauen tot.
Sie arbeiteten schweigend. Nur Hindriks Keuchen war zu hören, wenn er von Zeit zu Zeit den narbenübersäten Leib drehte, der zwar mager, aber durchtrainiert und keineswegs leicht war.
Endlich war Ymme zufrieden. Die Haut des Kranken glühte nicht mehr, und fast schien es, als ob er leichter atme. »Jetzt wickeln wir ihn fest in beide Decken«, befahl sie. »Ermgard geht wieder auf ihren Posten, und Hindrik räumt die Sachen fort und legt sich schlafen.«
»Ja, Herrin«, sagte Hinrik gehorsam.
»Soll ich das Knoblauchmus holen, Meisterin?«, fragte Ermgard.
»Nicht nötig, ich hole es selber. Du kannst dich auf deine Runde durch die Krankenzimmer machen.« Während ihre Helfer den Raum verließen, blieb Ymme noch einen Augenblick bei ihrem Patienten. Zweifellos befand er sich zwischen Leben und Tod.
Sie dachte an Cornelius. Wenn er nur endlich zurück wäre! Konnte es zwischen dem Tod eines Pferdes und der Krankheit seines Besitzers einen Zusammenhang geben? Der Gedanke, so unwahrscheinlich er auch war, ließ sie nicht los.
Sie ermahnte sich energisch, nicht noch tiefer in solchen Grübeleien zu versinken, und machte sich auf den Weg in die Hospitalküche. Von hinten sah sie Ermgard in einen der letzten Räume verschwinden. Soweit war also alles in Ordnung.
Die Küchenhilfe war offenbar wieder zu Bett gegangen, aber eine Holzschüssel mit dem wässrigen Mus stand bereit. Ymme atmete zufrieden den scharfen, würzigen Duft ein; sie hielten für Heilzwecke stets die Knoblauchzehen aus Alsen bereit, die als die besten galten.
Sie verließ den Küchentrakt und betrat wieder den leeren Gang vor den Krankenzimmern. Ermgard machte offenbar noch ihre Runde an den Krankenbetten. Sie konnte sehr selbständig arbeiten. Überhaupt war Ymme stolz auf all die Helfer, die sie inzwischen ausgebildet hatte. Man konnte durchaus sagen, dass in ihrem Haus alles wie am Schnürchen lief.
Mit einem Gefühl der Zufriedenheit betrat sie den Raum des Deutschritters, wo sie jäh stehen blieb. Am Krankenbett machte sich eine Gestalt zu schaffen. »Hindrik! Zu Hilfe!«, schrie sie aus Leibeskräften und versuchte, den Mann an seinem weiten Gewand vom Bett fortzuzerren.
»Nimm deine frevlerischen Hände von der Kutte des Herrn!«,...
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