Schweitzer Fachinformationen
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»Sing noch einmal von der Liebe Dorn, Konrad«, bat Katherine in schmeichelndem Ton. Sie saß dicht neben dem Kamin in ihrer Kemenate; das Feuer prasselte zwischen den Scheiten, und es war heiß im Raum.
Johanna, die beheizte Räume nicht gewohnt war, bevor der Frost Einzug gehalten hatte, schwitzte, obwohl sie weit ab vom Kamin in der Fensternische kauerte, die Arme um die hochgezogenen Beine geschlungen. Über ihr neues Kleid, das in Wahrheit ein abgetragenes, umgeändertes ihrer Stiefmutter war, empfand sie keine Freude, und der monotone Gesang langweilte sie.
Der Knappe nickte, rückte die Laute auf seinem Schoss zurecht und begann. Johanna betrachtete unverhohlen seine engen Beinlinge, von denen der eine grün-gelb gestreift, der andere einfarbig grün war. Die Zipfel seiner Schnabelschuhe waren so lang, dass er sie unter den Knien festbinden musste. Mit seiner stämmigen bäuerlichen Figur hätte er sowieso besser auf eine kleine Lehnsburg gepasst, aber hier unter den waffenstarrenden Rittern einer Reichsburg machte seine alberne Kleidung ihn zum Narren. Es fehlten nur die Schellen.
Konrad sang und sang, und Johanna zwang sich, mit halbem Ohr zuzuhören.
»Er legte das edle Fräulein ins grüne Gras. Ich weiß nicht, was er ihr dort vorgelesen hat. Und hat sie auch darob ein wenig gezürnt, so schlossen sie doch sehr schnell Frieden. Bewirkt ward dies vom lieben Dorn.«
Johanna erwachte mit einem Ruck aus ihrem Dösen. Konrad hatte keineswegs von der Liebe Dorn, sondern vom lieben Dorn gesungen. Dank der ausführlichen und akribisch genauen Erläuterungen ihrer Stiefmutter, die sie mehrere Wochen lang besonders über die höfische Liebe belehrt hatte, war Johanna sensibilisiert für Wortspiele in Minneliedern.
Ausreichend sensibilisiert auch, um zu merken, dass die Dame Katherine mit Konrad ihr Spiel trieb. Der Knappe war ihr Opfer. Er glühte vor Liebe zu seiner Herrin. Von ihm ging eine Spannung aus wie von einer Wildkatze, die auf Beute lauert.
Katherine klatschte in die Hände. »Weiter, Konrad! Deine Stimme ist herrlich wie Schwanengesang.«
Mit dem Luftzug wehte Johanna ein Schwall von Rosenduft in die Nase. Erkennen konnte sie im Dämmerlicht des düsteren Raums von ihrer Stiefmutter fast nur die weißen Brüste und die schimmernden Lippen. »Habt Ihr schon einmal Schwanengesang gehört, Dame Katherine?« fragte sie süffisant lächelnd. »Er ist krächzend. Nicht so schlimm wie von Krähen, aber doch eher störend als lieblich. Dabei wolltet Ihr Euren Knappen doch gewiss nicht beleidigen.«
Das Schimmern verblasste, stattdessen funkelten Katherines Augen sie böse an. »Musst du denn auch die zartesten Empfindungen der Minne zerstören! Es wäre wohl besser gewesen, ich hätte dich im Wald bei den wilden Bären gelassen, statt mich deiner Erziehung zu widmen.«
»Das hätte mir auch besser gefallen«, erwiderte Johanna strahlend.
Bevor sie weitere Höflichkeiten austauschen konnten, mischte sich Konrad ins Gespräch. »Meine Herrin meinte ihre Worte allegorisch, aber solche Feinheiten versteht Ihr natürlich nicht. Der Text, auf den sie anspielte, geht so:
»Vielsüßer Freund, dort unterm Wiesenhang, dort küss mich, komm, beim hellen Schwanensang.«
»Küss mich, komm! Wollt Ihr wirklich annehmen, dass meine Stiefmutter es so gemeint hat?« fragte Johanna und brach in schallendes Gelächter aus. »Wenn mein Vater das hörte, würde er an Minne nicht mehr glauben und Euch auf der Stelle vom Bergfried werfen.«
Die Dame und ihr Knappe fanden die Angelegenheit bei weitem nicht so lustig wie Johanna. Aber als sie ihr keine weitere Aufmerksamkeit mehr schenkten und stattdessen verliebte Blicke tauschten, wurde es Johanna unbehaglich zumute. Sie war erleichtert, als es unverhofft an der Tür klopfte. Katherine gab eine matte Antwort, und ein sehr junger Knappe schoss herein.
Staunend betrachtete er die prachtvollen Wandbehänge der neu hergerichteten Kemenate, bevor er sich auf seinen Auftrag besann. »Der Herr Lienhart bittet Euch, zu ihm zu kommen, Dame Katherine. Es ist dringlich, sagt er. Ich glaube, er hat große Sehnsucht nach Euch«, fügte der Knappe ernsthaft hinzu und wagte es, die Augen von seinem Samtbarett zu heben und die junge Frau anzuschmachten, die hier wie eine Fürstin residierte.
Katherine ließ ihren Stickrahmen zu Boden fallen und erhob sich mit gleichgültiger Miene. »Geh voraus, Junge!«
Konrad zupfte verloren an den Saiten seiner Laute, und Johanna blickte aus dem Fenster. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich mit dem jungen Mann allein in der Kemenate befand. Er dampfte wie ein Pferd im Turnier, und es gab keine Magd, nach der sie hätte rufen können.
Denn nicht einmal im Traum hätte sie daran gedacht, freiwillig das Feld zu räumen; immerhin hatte sie ein gewisses Recht, sich hier aufzuhalten, jedenfalls ein größeres als Konrad oder seine Herrin. Hier hatten schon Agnes von Falkenstein und vor ihr andere Frauen der Falkensteiner Herren gelebt. Auf einmal war sie stolz, dieser Familie anzugehören, die im Reich nicht ohne Bedeutung war.
Der Dreiklang fiel unmelodisch aus und ließ Johanna herumfahren.
Konrad überprüfte konzentriert die Töne einzelner Saiten und setzte dann drei Finger zugleich versuchsweise anders. »In den ersten Tagen nach meiner Ankunft saht Ihr aus wie ein Stallknecht, edles Fräulein«, sagte er leise und machte eine winzige Pause, um dem neuen Akkord zufrieden hinterherzulauschen. »Da wart Ihr mir sehr gleichgültig. Aber jetzt, hochgeschnürt und mit offenem Haar, seid Ihr wunderschön. Ich habe noch nie so glühend rotes Haar gesehen.«
Johannas Herz tat vor Widerwillen einige schnelle Schläge. Sie war überhaupt nicht hochgeschnürt und auch nicht so dumm, sich darüber mit ihm auf eine Diskussion einzulassen. »Ein Erbe meiner Mutter«, sagte sie. »Ihr Haar war nur heller, von der Sonne am Meer, wisst Ihr?«
»Ich war noch nie am Meer. Aber ich werde gewiss einmal hinkommen.«
»Ja, bestimmt.« Hoffentlich kam Katherine zurück, bevor es Zeit war, dorthin aufzubrechen!
»Wahrscheinlich ist dann Krieg«, fuhr der Knappe in besinnlichem Ton fort. »Gegen die Ungläubigen. Der Heilige Vater in Rom wird die Ritterschaft der christlichen Länder sicher bald wieder zum Kampf gegen die Ungläubigen aufrufen. Die Widersacher sind überall. Vielleicht werde ich im Kampf für unseren Herrn Jesus Christus sterben.« Plötzlich flossen ihm Tränen die Wangen herab und tropften auf seine Laute.
Das war zu viel. Johanna wurde sich bewusst, dass er es fast geschafft hatte, ihr Mitleid zu erwecken. »Wahrscheinlich werdet Ihr das«, stimmte sie vernehmlich zu. »Aber sorgt Euch nicht. Wenn Ihr es fertigbringt, Euch vier Wochen am Leben zu halten, müsst Ihr ja nicht in die Hölle, sondern kommt direkt in das Paradies. Zumal auch die Dame Katherine für Euer Seelenheil beten wird, wie ich annehme.«
Sein grüner Ärmel fuhr auf dem nussbraunen Holz der Laute hin und her, bis es wieder fleckenlos poliert war. »Und Ihr nicht?«
»Schließlich seid Ihr nicht mein Knappe«, antwortete Johanna diplomatisch, wenn es ihr auch schwerfiel.
»Aber die Minne geht, wohin sie will! Das hat nichts damit zu tun, wessen Knappe man ist.« Konrad legte seine Laute vorsichtig neben sich auf den Boden und erhob sich. Seine Augen, die fest auf Johanna gerichtet waren, glänzten im flackernden Licht der Flammen.
Die weichen Sohlen seiner eleganten Schuhe verursachten kaum ein Geräusch, als er auf Johanna zukam. Der Fenstersims, auf dem sie saß, war kaum eine Handspanne hoch. Konrads Hose war knapp geschnitten, und sie hatte seine pralle Schamkapsel direkt vor Augen.
Bevor sie die Flucht ergreifen konnte, war er bei ihr. Er stützte sich mit beiden Händen in die Laibungen der Fensternische.
Als er sich zu ihr hinunterbeugte, geriet Johanna in Panik. Neben ihr waren die kleinen bleigefassten Glasscheiben, durch die sie wahrscheinlich mit einiger Gewalt durchbrechen konnte, und mehrere Manneslängen darunter der gepflasterte Burghof. Lebend würde sie unten nicht angekommen.
Konrads schulterlange Haare berührten ihre Lippen. Er lächelte sie verführerisch an, legte einen Handrücken an ihre Wange und streichelte sie zart. »Wovor habt Ihr Angst, Edelfräulein? Doch nicht vor mir?«
»Nein!« schnaubte sie, als sein Mund ihr nicht mehr bedrohlich nahe schien, und stieß seine Hand beiseite. »Wie kommt Ihr darauf? Ich schieße auf wilde Tiere, wie Ihr wisst!«
»Ich weiß. So dass Euer hässlicher Dorn sie tötet. Es gibt einen viel schöneren Dorn, wisst Ihr das denn auch? Möchtet Ihr ihn spüren? Er ist zärtlich und kraftvoll zugleich, ich verspreche es Euch.«
Entsetzt sah Johanna, wie auch die letzte Falte in der Schamkapsel verschwand. Vergebens versuchte sie, die Augen von der glänzend grünen Seide abzuwenden.
Konrads aufdringliches Lächeln ging in sichtbare Zufriedenheit über. »Zumindest wisst Ihr, worauf es bei einem Mann ankommt. So unschuldig, wie Ihr tut, seid Ihr gar nicht.«
»Es gibt genügend Rüden und Eber in der Stadt, um das zu wissen.« Johannas Bann löste sich endlich. Sie schaffte es, ihm kühl ins Gesicht zu sehen. »Aber glaubt mir, bevor Ihr bei mir zum Zuge kommt, setze ich meine Zähne hinein, dass Euch Hören und Sehen vergeht! Und Weiteres.«
Sein Gesicht nahm einen Ausdruck von Ungläubigkeit, sogar Bestürzung an, er rückte...
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