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Wie ist der Knochen aufgebaut?
Die Knochensubstanz besteht zu 30% aus kollagenem Bindegewebe, der Knochenmatrix mit den darin befindlichen Knochenzellen, sowie zu 70% aus Mineral, dem Hydroxylapatit. Die knochenproduzierenden Knochenzellen (Osteoblasten) findet man an der Knochenoberfläche. Sie sorgen für die Synthese des Stützgewebes (Knochenmatrix) und dessen Mineralisation. Diese Synthese nennt man Bone Modelling. Die knochenfressenden Knochenzellen (Osteoklasten) sind für den Abbau alten Knochens zuständig und konzentrieren sich in den sogenannten Resorptionslakunen. Die dritte Zellart im Knochen, die Osteozyten, synchronisieren das Zusammenspiel von Knochenanbau und Knochenabbau.
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Wie funktioniert der Knochenstoffwechsel?
Der gesunde Knochen unterliegt zeitlebens einem ständigen Auf- und Abbau: Alter Knochen wird abgebaut und durch neuen Knochen ersetzt. Dieser als Bone Modelling bezeichnete Umformungsprozess dient der strukturellen Anpassung der Knochenstruktur an veränderte Belastungsbedingungen (Pauwel'sches Gesetz). So kann sich zum Beispiel nach einem Knochenbruch eine Belastungsachse verschoben haben. Auch im Rahmen eines Krafttrainings ist eine Anpassung der Knochenstruktur an die geänderten Anforderungen erforderlich.
Das Bone Modelling stellt also das normale Knochenwachstum dar. Hingegen dient das Bone Remodelling der Anpassung, der Knochenbruchheilung und dem Kalziumgleichgewicht. Die Konzentration, Aktivität und Zusammensetzung der verschiedenen körpereigenen Botenstoffe und der von außen auf den Körper einwirkenden Stimuli entscheiden über die Bilanz des Knochenumbaus. Sinkende Östrogen- oder Testosteronspiegel führen ebenso zum Überwiegen des Knochenabbaus wie die langfristige Einnahme von Cortison, eine chronische Entzündung, Stress, Bewegungsmangel oder ein Vitamin-D-Mangel. Körperliches Training und mechanische Belastung, wie Vibrationstraining oder Krafttraining, regen dagegen den Knochenaufbau an. Über ein komplexes Rückkopplungssystem mit mannigfachen Botenstoffen, wie etwa RANKL, Osteoprotegerin, Sclerostin, Cathepsin und vielen mehr, wird ein ausgewogenes Verhältnis von Knochenaufbau und Knochenabbau sichergestellt. Auf einen beschleunigten Abbau nach einem Knochenbruch folgt in der Regel ein gesteigerter Knochenaufbau (Kallus genannt).
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Was passiert, wenn der gesunde Knochenstoffwechsel gestört ist?
Im gesunden Knochen herrscht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Knochenabbau und Knochenaufbau. Erst die Entkopplung dieser Regelkreisläufe führt zu krankhaften Veränderungen mit überwiegendem Knochenabbau (Osteoporose oder Pseudarthrose) oder überwiegendem Knochenaufbau (Sklerose) oder auch zu einer Knochenmineralisationsstörung (Osteomalazie).
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Was ist Osteoporose?
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation und des Dachverbands der deutschsprachigen Fachgesellschaften für Osteologie handelt es sich bei der Osteoporose um eine Erkrankung des gesamten Skeletts, die durch eine Verminderung der Knochenmasse zu einer Verschlechterung der Knochenqualität führt. Daraus resultiert ein Versagen der Knochenfunktion als Stützorgan, in der Folge kommt es zum Knochenbruch. Die Ursachen für eine Osteoporose sind sehr mannigfaltig. Die häufigste Form, die postmenopausale Osteoporose der Frau, resultiert aus dem Östrogenmangel nach der Menopause (also nach den Wechseljahren), der zu einem beschleunigten Knochenabbau führt. Leider bleibt eine Osteoporose trotz Knochenbruch auch heute noch zu oft unerkannt und unbehandelt. Rechtzeitige Vorsorgeuntersuchungen beim Facharzt oder bei der Fachärztin helfen bei der Früherkennung. Bei einem begründeten Verdacht auf eine Osteoporose sollte eine Vorstellung bei einer Osteologin oder einem Osteologen erfolgen, und es sollte eine Knochendichtemessung durchgeführt werden, um das individuelle Osteoporose- und Frakturrisiko zu ermitteln.
Bei gesunden Knochen ist das Verhältnis zwischen Knochenaufbau und -abbau im Gleichgewicht, während es bei der Osteoporose gestört ist.
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Wie kommt es zu einer Osteoporose?
Knochenaufbau und -abbau müssen im Gleichgewicht sein. Wird mehr Knochen abgebaut als neu gebildet, kommt es zur Osteoporose. Ein Überwiegen des Knochenaufbaus kann dagegen eine Mineralisationsstörung des Knochens zur Folge haben. Für den Organismus ist unter anderem ein ausgewogenes Verhältnis der Konzentrationen von Kalzium, Phosphat und Magnesium erforderlich. Diese Konzentrationen werden unter anderem durch die Aktivität des Enzyms Alkalische Phosphatase und durch das Parathormon, das Calcitonin und Vitamin D eingestellt. Die Konzentration vom Kalzium im Blut unterliegt einem streng kontrollierten Regelkreis und erlaubt nur eine geringe Schwankungsbreite. Um zu geringe Kalziumkonzentrationen im Blut auszugleichen, dient der Knochen als Kalziumspeicher und -lieferant. Wird dem Körper über viele Jahre zu wenig Kalzium mit der Nahrung zugeführt, wird der Kalziummangel also durch die unbemerkte Freisetzung von Kalzium aus dem Knochen ausgeglichen. Eine Entkalkung des Knochens ist dann die sichere Konsequenz.
Die Rolle der Endolymphe und der Fluid Flow
In den letzten Jahren hat der Knochen immer mehr Aufmerksamkeit als Stoffwechselorgan und hormonproduzierendes Organsystem erlangt. Die mechanische Belastung ist der Schlüsselreiz für den Knochen. Die Informationsverarbeitung findet im sogenannten Endolymphsystem statt. Die Endolymphe ist eine wässrige Körperflüssigkeit, in die die Osteozyten mit ihren Zellfortsätzen, den Dendriten, eintauchen. Die Osteozyten sind für die Umwandlung mechanischer Reize durch Bewegung der Endolymphe in komplexe biochemische Reaktionen verantwortlich. Jeder Osteozyt besitzt bis zu 90 dieser Zellfortsätze, mit denen er Kontakt zu den benachbarten Osteozyten aufnimmt und Informationen mit ihnen austauscht. Stellen Sie sich das ähnlich vor wie die Kommunikation von Nervenzellen im Gehirn. Gerät die Endolymphe durch Körperbewegungen in Schwingungen (Fluid Flow), werden die Zellfortsätze der Osteozyten gereizt. Unter adäquater mechanischer Belastung erhöht sich der Flüssigkeitsstrom im Osteozytennetzwerk. Die Folge ist eine Hemmung von knochenabbauenden und eine Stimulation von knochenaufbauenden Prozessen.
Eine Ruhigstellung von Knochen, wie bei Bettruhe oder im Gipsverband, hat eine sofortige Verminderung des Fluid Flow zur Folge. Das erklärt den sehr schnellen Knochendichteverlust unter diesen Bedingungen. Eine Immobilisierung älterer Patienten muss deshalb unbedingt vermieden werden.
In der Schwerelosigkeit kommt der Fluid Flow komplett zum Erliegen. Deshalb verdanken die Osteologinnen und Osteologen wichtige Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zur Osteoporose der Raumfahrtmedizin.
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Wie wirkt sich das Lebensalter auf den Knochenstoffwechsel aus?
Postmenopausal beschleunigt sich bei Frauen durch den relativen Östrogenmangel der Knochenabbau, der sich speziell durch einen raschen Verlust der Knochenmasse an der Wirbelsäule auszeichnet. Im hohen Lebensalter steht neben dem Mineralverlust der bereits eingetretene Strukturverlust in den Röhrenknochen (Knochen der Arme und Beine) im Vordergrund. Deshalb kommt es zum exponentiellen Anstieg der Häufigkeit von Unterarm- und Schenkelhalsfrakturen im Alter ab 75 Jahren. Beim Mann tritt, vergleichbar mit der Menopause, die Andropause auf, die mit einem Testosteronmangel einhergeht. Testosteron ist das Hormon der männlichen Keimdrüsen. Es baut Eiweiß und somit Muskelmasse auf. Das hat besonders bei jungen männlichen, sportlich aktiven Erwachsenen einen positiven Effekt auf das Skelettsystem. Die Muskelmasse ist für die Körperkraft, die Koordination und eine ausreichend hohe Fettverbrennung entscheidend. Es ist erwiesen, dass Testosteron die Knorpel- und Knochenneubildung stimuliert. Durch den relativen Testosteronmangel in der Andropause kommt es deshalb auch im männlichen Organismus zu deutlichen Verschiebungen. Ein beschleunigter Muskelkraft- und Muskelmasseverlust geht dann mit einem Knochenmasseverlust einher.
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Was versteht man unter einer sekundären Osteoporose?
Dem in Frage 6 beschriebenen altersbedingten Verlust an Knochenmasse (primäre Osteoporose) stehen die Fälle spezifischer, durch Begleiterkrankungen oder andere Umstände ausgelöster Osteoporosen (sekundäre Osteoporose) gegenüber. So kann eine Osteoporose zum Beispiel auch infolge medizinischer Eingriffe auftreten. Bei Frauen ist das häufig bei einer Therapie des Brustkrebses mit Aromatasehemmern der Fall, bei Männern bei antiandrogener Behandlung des Prostatakarzinoms. Eine Cortisonbehandlung chronisch entzündlicher Krankheiten wie COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) oder Rheuma löst leider sehr häufig als Nebenwirkung eine schwere Osteoporose aus. Auch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn, Zöliakie oder Colitis ulcerosa) führt sehr oft zu Störungen der Aufnahme von Nahrungsbestandteilen im Darm und damit zu einer Osteoporose. Solche Resorptionsstörungen treten aber auch nach einer bariatrischen Operation (zum Beispiel Magenband) wegen krankhafter Adipositas (Fettleibigkeit) auf und verursachen eine schwer zu behandelnde sekundäre Osteoporose. Auch viele der im Alltag eingesetzten Medikamente können als Nebenwirkung eine Osteoporose bedingen.
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Kann eine Osteoporose auch genetische Ursachen haben?
Nicht zuletzt sind viele Krankheitsbilder, wie zum Beispiel Arthrose oder Osteoporose,...