1. Feuerwasser
2. Die Biber
3. Am Eagle River
4. Das Raubtier
2. Die Biber
Old Harris sah ein, dass er Little Dan nicht mit reinem selbstgebrauten Whisky traktieren konnte. So plünderte er seine Speisekammer und machte sich an ein großes Kochen. Es gab geräucherten Bärenschinken mit Preiselbeerkompott, an dem sich Little Dan hemmungslos delektierte, und hinterher für jeden noch einen heißen Pfannkuchen.
Als die Teller buchstäblich leer geleckt waren, erhob sich der Alte zufrieden, stopfte seine rauchgebeizte Schmurgelpfeife mit duftendem Tabak und nahm den Jungen zu einem Gang an den Biberteich mit. Little Dan hatte noch niemals von den Bibern gehört, geschweige denn eines dieser wunderlichen Tiere gesehen. Befriedigt durch das reichliche und vorzüglich mundende Essen, das ihm Old Harris vorgesetzt hatte, vergaß der Junge seine Sehnsucht nach seinem Dad und ganz Silverfield. Der nach scharfem Tabak, nach Fellen und Harzgeruch duftende Onkel Harris war für ihn nur noch eine ehrfurchtsvoll bestaunte Gestalt, an deren Hand er jetzt die Geheimnisse des Waldes kennenlernen würde.
Zwar wäre er noch lieber mit dem jungen blonden Stranger geritten, der ihn hierher zu Old Harris gebracht hatte, aber auch bei dem alten Trapper gab es eine Menge Dinge, die seine Neugierde reizten, und die gutmütig brummenden Bemerkungen des grauhaarigen Alten brachten ihn so oft zum Lachen, dass er keine Minute zum Nachdenken fand.
Der Alte wand sich durch ein Gewirr von schweren Kisten und Brettern hindurch, die kunterbunt rings um die Hütte verstreut waren, und Little Dan folgte ihm auf den Fersen.
"Mensch, Old Harris", sagte der Junge beinahe erschöpft, "was hast du für feine Sachen zum Essen! Ich hab' gleich einen ganzen Bauch davon bekommen."
Old Harris paffte aus seiner kurzen Stummelpfeife und sah von oben auf den kleinen Dreikäsehoch herab.
"Meinst du denn, wir Waldleute leben von Moos und Baumrinde?", entgegnete er. "Statt der Vergnügungen, die sich andere machen, halten wir uns an die Leckerbissen."
Dass Old Harris dazu auch gerne von seinem selbstgebrauten Schnaps trank, der so stark war, als ob einem brennendes Gift in die Kehle geträufelt würde, musste Little Dan ja nicht unbedingt wissen!
Nahe der verborgen im Gestrüpp stehenden Trapperhütte floss ein klarer Bach, den Old Harris' Biber zu einem stattlichen Teich angestaut hatten. Hinter einem dichtbelaubten Erlenbusch hielt Old Harris an, zog den neugierigen Knirps neben sich und mahnte ihn, sich still zu verhalten.
Dicht an der Stelle, wo der Bachlauf in den See mündete, erhob sich aus dem stillen, nur vom leichten Wind gekräuselten Wasser ein ziemlich hoher Hügel, der aus lauter dürren Ästen zu bestehen schien. Das war die Burg Jonas', des ältesten und stärksten Bibermännchens, das in Old Harris'' Teich wohnte. Weiter unterhalb und entlang des sonnseitigen Ufers gab es noch mehr, im Ganzen sechs solcher Biberburgen, nur waren sie etwas niedriger und kleiner als Jonas' Burg.
Das Weibchen hieß Ahma. Mit ihr teilte er seine geräumige Wohnung innerhalb der Burg. Wie alle Biberpaare blieben Jonas und Ahma Zeit ihres Lebens treu zusammen. Bei den anderen Bibern galt Jonas sozusagen als Stammesältester oder Häuptling. Er war für alle Arbeiten, die zum Schutze der Biberkolonie getan werden mussten, verantwortlich und leitete sie mit großer Umsicht. Jonas verstand einfach alles, ein ebenso geschickter Holzfäller wie Zimmermann, Maurer und Dammbauer.
Ahma stand ihm in der Ausübung dieser Künste kaum nach. Nur konnte sie sich nicht so sehr um das Handwerk kümmern, weil sie jedes Frühjahr zwei bis drei Junge großzuziehen hatte. Und das war immer eine aufregende Angelegenheit, wenn sie den Kleinen das Schwimmen und Tauchen beibringen musste. Mit unermüdlicher Hingabe versorgte Ahma ihre Kleinen; und diese hingen mit einer geradezu menschlich anmutenden Liebe an der Mutter und nicht weniger am würdigen Vater Jonas.
Ein düster gefärbter, brauner Kopf mit zwei kleinen schwarzen Augen schwamm über den stillen See. Nur eine schwache Wellenbewegung verriet sein ziemlich rasches Tempo. Dieser Kopf gehörte Jonas, der einen starken Ast angeschleppt brachte, um damit seine Burg noch einmal zu erhöhen. Immer hatte Jonas an seiner Burg etwas auszubessern, besonders bei Nacht war er unterwegs. Es war verwunderlich, denn der große, dicke Bursche musste doch einmal schlafen ...
Ahma, seine bessere Hälfte, schwamm ihm entgegen und half ihm, den schweren Ast auf die Burg hinaufzuschleppen.
Little Dan guckte mit runden Augen dem seltsamen Treiben zu. Auf einmal konnte er sich nicht mehr beherrschen und die ganze Umwelt vergessend, fragte er Iaut Old Harris:
"Wer ist denn das?"
"Das ist Ahma, Jonas' Biberfrau", erwiderte Old Harris mit gedämpfter Stimme.
"Mensch, Old Harris", wisperte Little Dan in komischer Erregung, "die schaut ja genauso aus wie die Witwe Hilton in Silverfield!"
Jonas zog den Ast mit Ahmas Hilfe auf den Bau hinauf, besah ihn, ob er auch richtig lag, schob ihn hin und her und ruhte nicht eher, bis das Holzstück seiner Meinung nach so lag, dass es gar nicht besser sein konnte.
Jonas brummelte zufrieden vor sich hin. Plötzlich war er wieder im Wasser und schwamm mit ruhigen Stößen gegen das nahegelegene Ufer hinüber. Dort wühlte er eine Zeitlang im Schlamm herum, so dass das Wasser getrübt wurde. Jonas sammelte jetzt Schlick. Als er eine genügend große Menge beisammen hatte, drückte er den schlammigen Brei eng gegen seine Brust, und ohne die Vorderfüße für die Schwimmbewegungen zu gebrauchen, kehrte er zur Burg zurück.
Jonas schnaufte vor Anstrengung. Der Schlamm war schwer. Dennoch brachte er ihn zu seiner Burg, hob ihn gegen die aufgeschichteten Holzstücke und verschmierte damit die Fugen. Jetzt war Jonas Maurer. Er knetete und strich so lange an dem Schlamm herum, bis dieser fein verteilt war. Die Burg war Jonas' ganzer Stolz. Der Bau, der einem Backofen nicht unähnlich war, maß über drei Meter im Durchmesser, und ständig hatte der alte Biber daran etwas auszubessern und zu flicken.
Eine Biberburg war ein Berg von schweißtriefender Arbeit und Mühsal. Alle die Tausende und Abertausende von Holzstücken waren von den Bibern herbeigeschleppt und mit Schlamm und Schlick vermauert worden. Die dunkelbraunen, unermüdlich fleißigen Gesellen trugen zuerst nur einen großen Haufen Holz zusammen und füllten die Zwischenräume mit Lehm und Schlamm aus. War ihnen der Hügel groß genug, gingen sie an die Gestaltung des Innern. Unter der Wasseroberfläche begannen sie den Eingang zu nagen, die Burg sollte ja wirklich eine für Raubtiere uneinnehmbare Festung sein. Mit ihren scharfen, meißelartigen Zähnen nagten und nagten sie sich bis in die Mitte des aufgestapelten Holzhaufens vor. Und von dort aus nagten sie wiederum im Kreise, bis sie das ganze Innere des Hügels ausgenagt hatten. Nun bildeten Holzteile und Schlamm zusammen eine dichte Kuppel, die vollkommen geschlossen war. Nachdem sie das abgebissene Holz und den nicht benötigten Schlick wieder hinausgeschafft hatten, überzeugten sich die Biber erst, ob wirklich in jedem Winkel peinliche Sauberkeit herrschte. Dann begannen sie ihre Schlafstellen zu bauen.
Ringsum an den warmen Wänden wurden kleine Nischen angelegt, und dort hinein bekam jeder Bewohner der Burg sein eigenes Bett. Ganz fein gesplissene Holzfasern, fast wie Holzwolle so dünn, wurden mit den Zähnen genagt und zu dicken Matratzen aufgeschichtet. Selbst die Kleinsten erhielten ein eigenes Bett, das wie alle anderen reinlich und trocken gehalten wurde. War einmal eine dieser Matratzen feucht geworden, wurde sie sofort hinausgeschafft, denn nichts liebt der Biber mehr als Reinlichkeit.
Der ganze backofenähnliche Bau ruht auf einem Gerüst starker Hölzer. Genau in der Mitte des Innenraumes befindet sich das Tauchloch, durch das die Tiere in ihre Burg gelangen und sie auch wieder verlassen. Fällt aus irgendeinem Grunde das Wasser des Teiches, sinkt im gleichen Maße auch das Wasser im Tauchloch, und sofort merken die Biber, dass an ihrem Damm etwas nicht in Ordnung ist.
Da gibt es dann nichts Eiligeres für sie zu tun, als sofort zum Damm zu schwimmen und nachzusehen, ob er undicht geworden ist. Wer vom Dammbau etwas versteht - und das sind alle Biber, auch wenn sie noch nicht ganz erwachsen sind -, schafft und schuftet nun so lange, bis die undichte Stelle wieder geflickt und der Schaden behoben ist. Dabei sind die Tiere durchaus nicht stumm. Sie murmeln und babbeln bei der Arbeit, muntern sich gegenseitig auf, reden sich zu, zeigen einander Stellen, die verkittet werden müssen und bekunden eine Eilfertigkeit, die an Ameisen erinnert. Der Damm eines Bibersees ist das wichtigste Bauwerk überhaupt. Denn nur der Damm sorgt dafür, dass das so lebensnotwendige Wasser stets in gleicher Höhe gehalten wird.
Zum Herbst hin versäumen es die klugen Biber niemals, ihren Damm noch einmal zu überprüfen, ehe der Frost einsetzt. Überall wird dann gemauert, verschmiert und geglättet. Ist der Damm in Ordnung gebracht, werden die einzelnen Burgen sorgsam verschmiert und jede geringste Lücke, jeder Riss im Bau wird vermauert. Old Harris erzählte Little Dan auch, woher die Biber sozusagen das Rohmaterial für ihre Burgen besorgten.
Einige Nächte lang hatte die Biberkolonie drüben im Wald gearbeitet. Das raspelte und scharrte, das schabte und sägte unentwegt durch die Dunkelheit. Ganz so wie es zünftige Holzfäller machen, fällten die Biber das für ihre Bauten benötigte Holz. Mit ihren wie Kehlhobel wirkenden Nagezähnen schnitten sie die Bäume an und höhlten sanduhrenförmige Kerben heraus. Sie brachten es fertig, jeden einzelnen Stamm genau in der Richtung zu fällen, die ihnen...