Schweitzer Fachinformationen
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Politik in postfaktischer Zeit
Die vierte Gewalt
Aus der Gerüchteküch
Wissenschaft, die kein Wissen schafft
Dichterische Freiheiten
Geschichten aus der Geschichte
Gibt's nicht gibt's nicht
Auf Abwegen unterwegs
Geschichten aus der Geschichte II
Finale
Ausgewählte Literatur Personenregister
Zeitungsenten sind älter als die Zeitung: Flugblätter und Flugschriften verbreiteten schon seit dem späten 15. Jahrhundert Tatarennachrichten. Wunderliches ereignete sich zum Beispiel 1490: Ein Einblattdruck meldete den Einwohnern Nürnbergs, bei Konstantinopel hätten vom Himmel fallende Flammen ein türkisches Feldlager vernichtet; bebildert war die Nachricht mit einer geflügelten Frauengestalt mit haarigen Löwenbeinen und zwei Schlangenschwänzen, die sich um die Fesseln eines hinter ihr stehenden Ritters winden, der drei Köpfe hat: von links nach rechts einen Halbmond, eine gekrönte Sonne und einen Stern, versehen jeweils mit menschlichen Attributen wie Augen und Nase.
Erstaunliches geschah auch im Jahr 1516: «In der romer land hatt ein mutter pferd ein hasen bracht / an stat eines jungen fuls»; das zugehörige Bild zeigt eine Stute mit einem Häschen unter sich statt eines Füllens. Nicht im Römerland, sondern in einem Wald bei Salzburg geschah 1531 dies: «Im m d xxxi Jar ist zu salzburg von des bischoffs waidleutten ain wunderbarlich thier gefangen worden in dem holtz / das gantz graw vnnd haarig gewesen ist / mitt einem bartigen menschen kopff / mit vier fuessen vnd scharpfe claen [Klauen] das hat ge hof bracht [hat man an den Hof gebracht] aber es hat weder essen noch trincken wollen vnnd sich [siechte, litt] gancz grausam».
Offensichtlich handelt es sich um Nachrichten, die mehr Fantasie als Realität enthalten. Ein wahrer Kern mag gleichwohl in ihnen stecken: die Beobachtung von Missgeburten vielleicht; und bei der erstgenannten womöglich ein höchst ungewöhnliches Wetterphänomen, nämlich das im südlichen Europa sensationelle Schauspiel von Nordlichtern, das in einem Biwak für Angst und Schrecken gesorgt haben mochte. Der Bericht wird dann auf dem langen Weg nach Mitteleuropa verfälscht und zum Schluss vom Illustrator fantasievoll ausgeschmückt worden sein.
Der Text des Flugblatts von 1490 hat noch keine Überschrift. Das ändert sich im 16. Jahrhundert, als diese frühen Vertreter des Pressewesens die Kennzeichen der späteren Zeitung ausformen: fette Schlagzeile, großes Bild und darunter der Text. «Ein wunderbarlich und warhafft geschehen Wunderwerck» verkündet ein Flugblatt von 1547 über einem Holzschnitt im Querformat, der die ganze Seitenbreite einnimmt, und bringt darunter die Nachricht von einem Getreideregen in Kärnten.
Im 16. Jahrhundert wurden Schilderungen derlei schröcklicher Naturphänomene auch in Büchern gesammelt. Eines von ihnen war das 1552 in Augsburg gedruckte «Wunderzeichenbuch», das in Bild und Wort, angefangen bei der alttestamentlichen Überlieferung und endend in der unmittelbaren Gegenwart, von Kometen, Nebensonnen, Finsternissen, Unwettern, Erdbeben, Missgeburten und noch anderen Unglücken und Katastrophen berichtet. Nicht immer ist klar zu entscheiden, ob und inwiefern eine Falschmeldung vorliegt. Keine Ente könnte die nüchtern gehaltene und zutreffend bebilderte Nachricht von der in Rickatshofen bei Lindau gefundenen Taube mit zwei Hinterleibern sein: «Nach Cristy geburt 1550 Jar ist ain solchen Tauben / gefunden worden / Jn ainem dorff haißt Rickennshoffen bey Linden gelegen / wie hie gemalt ist / mitt.4. fussen Vnnd zwayen hindern».
Dass dieses Kompendium in Augsburg gedruckt wurde, war kein Zufall. Die Stadt unterhielt schon in der frühen Neuzeit weitgespannte Handelsbeziehungen, die sich über Europa bis nach Übersee erstreckten. Bescheid zu wissen über ökonomische, politische und militärische Entwicklungen, war für das Geschäft unabdingbar. Ein Korrespondentennetz versorgte die Stammhäuser mit den notwendigen Informationen und lieferte auch «soft news» von «human interest».
Einerseits zeugt das «Wunderzeichenbuch» von einem neuen Verständnis von Gott und der Welt, wie es seit der Renaissance im Entstehen begriffen war. War im Mittelalter das irdische Sein bedeutsam nur als Ausdruck einer verborgenen christlichen Wahrheit, so wurde nun die Wirklichkeit an sich, das sinnlich wahrnehmbare und erfahrene Dasein wichtig. Um Handel zu treiben, Geschäfte zu machen, fremde Märkte in fernen Ländern zu erobern, musste man über die Realität im Bilde sein. Man brauchte Nachrichten, in der Sprache der Zeit: die «Zeitung» über die Zustände anderswo.
Die nüchtern denkenden Kaufleute standen auf der einen Seite. Andererseits suchte inmitten dieser neuen, auf Gelderwerb ausgerichteten Gegenwart eine noch im mittelalterlichen Weltbild befangene, religiös aufgeregte Bevölkerung nach Zeichen des göttlichen Zorns über diese diesseitig denkenden, verkommenen Menschen und Zeiten - wovon das «Wunderzeichenbuch» ebenfalls zeugt. Deshalb wurde den außergewöhnlichen Ereignissen eine Meinung beigeschrieben, die willkürlich und unlogisch, aber religiös motiviert ist wie in dieser Bildunterschrift: «Im m cccli iar [1351] nach christi gepurt / in dem monat decembris / ward gegen mitternacht / ein comnet an dem himel gesehen / darnach gros windt vnd man sahe ain feurigen palcken vom himel fallen / das / dan gros vnainigkait: zwischen dem babst vnnd kaisser angezaigt hatt».
Ob solche nach dem Maßstab des gesunden Menschenverstandes falschen Folgerungen und Standpunkte als Fake gelten dürfen? Sicher ist, dass, sieht man von diesen angehängten Meinungen ab, viele der Nachrichten selbst, die auf Flugblättern und Flugschriften sowie in Sammelbänden wie dem Augsburger «Wunderzeichenbuch» verbreitet wurden, als Falschmeldungen zu betrachten sind - dass sie damals für wahr gehalten worden sein mögen, steht dem so wenig entgegen wie im Fall heutiger Fake News.
«Erdbeben zerreißt Chicago» lautete die Schlagzeile der «Chicago Daily News» über dem vier Spalten breiten Foto eines Risses im Erdreich von Lincoln Parc, einem Stadtteil am Lake Michigan. Der Text darunter berichtete, dass Zeugen zufolge das Geschirr in den Schränken geklirrt habe und sie selbst von den Erschütterungen zu Boden geworfen worden seien.
Die «Daily News» brachten diese sensationelle Meldung exklusiv in der Metropole an den Großen Seen und machten Auflage, während die Konkurrenz sich die Augen rieb und fragen mochte, warum sie von diesem Ereignis nichts mitbekommen hatte. Das konnte sie auch nicht, denn das Ganze war ein Fake: Zwei Stunden lang hatten der Reporter Ben Hecht und ein Bildjournalist im Erdreich gewühlt, um einen tiefen Graben zu buddeln und ein Foto zu schießen.
1910 war der damals 16-jährige Ben Hecht in die Redaktion des «Chicago Daily Journal» eingetreten und mit 20 zu den «Chicago Daily News» gewechselt. Wenn Flaute herrschte und keine richtige Story aufzutreiben war, half er nach. Bis 1925 ging das gut. Dann trat er ins Fettnäpfchen: Er schrieb über eine rumänische Prinzessin, die mit ihrem Geliebten nach Amerika geflohen sei, um nicht den Mann heiraten zu müssen, den das Königshaus für sie vorgesehen hatte. Nun arbeite sie in einem griechischen Restaurant als Kellnerin. Die beigefügten Fotos zeigten eine schöne, glückliche Frau.
Dumm nur, dass diese Frau, die der Bildreporter auf der Straße aufgelesen hatte, eine ganz andere war! In seiner Autobiografie erinnerte sich Ben Hecht, dass der Verleger Mr. Eastman mit einem Exemplar seiner Zeitung in die Redaktion stürmte und brüllte: «Wer hat diese gottverdammte Hure auf die Titelseite geschanzt? Das ist Gloria Stanley! Jeder gottverdammte Ficker in Chicago kennt sie!» Mr. Eastman kannte sie, und Ben Hecht wurde gefeuert.
Nach einer Zwischenstation bei der «Chicago Literary Times» verlegte sich Ben Hecht auf die Schriftstellerei, für die Fantasie Bedingung ist. Er schrieb Kurzgeschichten, Romane und für den Broadway die erfolgreiche, mehrmals verfilmte Komödie «The Front Page» («Extrablatt»), ging nach Hollywood und verfasste Drehbücher für Klassiker wie «Monkey Business» («Die Marx Brothers auf See»), «Stagecoach» («Ringo»), «Notorious» («Berüchtigt»), «Rope» («Cocktail für eine Leiche») und «Mutiny on the Bounty» («Meuterei auf der Bounty»). Außerdem betätigte er sich als Script Doctor, der fremden Drehbüchern den letzten Schliff gab - beispielsweise dem von «Gone with the Wind» («Vom Winde verweht») -, und half Marilyn Monroe als Ghostwriter ihrer Autobiografie «My Story» («Meine Geschichte»). Ob die Storys, die Ben Hecht in seiner eigenen erzählt («Von Chicago nach Hollywood. Erinnerungen an den amerikanischen Traum»), allesamt hundertprozentig stimmen, ist heute...
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