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Die NS-Propaganda stilisierte ihn zum Propheten, der wie aus dem Nichts in die Geschichte trat. Er selbst verstieg sich in den Wahn von der "Vorsehung", die seine "deutsche Mission" beschütze: Adolf Hitler. Mehr als einhunderttausend Bücher wurden über ihn geschrieben, tausende Filme und Dokumentationen haben versucht, sein Wesen zu ergründen. Doch auch nach über neun Jahrzehnten "Nachdenken über Hitler" ist noch immer rätselhaft: Wie konnte ein gescheiterter Künstler, ein menschenscheuer Außenseiter, ein Mann ohne wirkliche Eigenschaften binnen weniger Jahre zum allmächtigen "Führer" eines scheinbar zivilisierten Volks mutieren, der als Diktator schließlich einen ganzen Kontinent unterjochte und den in der Weltgeschichte beispiellosen, systematischen Völkermord an den europäischen Juden in die Tat umsetzte? Guido Knopp hat sich über 25 Jahre intensiv mit Hitler, seinen Helfern und Widersachern, seinem Volk und dem von ihm angezettelten Krieg beschäftigt. "Hitlers Welt" ist eine Zusammenfassung seiner Arbeiten über die NS-Zeit, die über den Tag hinaus gültig sind.
Die von Hitler selbst gestrickte Legende vom asketischen, opferbereiten, selbstlosen »Führer« im Dienste seines Volkes, der sogar auf sein Gehalt als Reichskanzler verzichtet habe, ist so langlebig wie falsch. Der NS-Agitator verfügte viel früher und umfassender über Geldquellen als noch lange nach dem Ende der NS-Zeit angenommen. Er hatte mächtige Gönner, nicht nur im In-, sondern auch im Ausland. Ohne Korruption, Willkür und mächtige, verheimlichte Geldgeber wäre Hitlers Weg zur Macht nicht vorstellbar gewesen. Heute lässt sich nachweisen, wie ungeniert sich Hitler bediente und bedient wurde. Als er 1945 Selbstmord beging, war er ein schwerreicher Mann. Schon zu Beginn seiner »Karriere« verfügte der NS-Agitator über genügend Einkünfte - wohlhabende Gönner aus der Industrie finanzierten ihn heimlich. Als er an der Macht war, schien der Geldstrom kein Ende mehr zu nehmen: Zahlreiche deutsche Großunternehmen, die mit Zuwendungen die Gunst des »Führers« erkaufen wollten, bemühten sich nach dem Krieg, kompromittierende Spuren zu verwischen. Wer gehörte alles zu den Spendern? Für welche Zwecke nutzte der Diktator sein Geld? Und wo ist sein Vermögen nach dem Krieg geblieben? Hitlers Reich geriet zu einem kaum entwirrbaren System von Korruption und Bereicherung, in dem auch Parteigänger und führende Militärs eingebunden waren.
München, Frühjahr 1934: Im Finanzamt Ost dämmerte dem Steuerinspektor Vogt, dass er ein Problem hatte. Seine Mahnungen an die Reichskanzlei waren ungehört verpufft, und nun hatte sich eine formidable Riege von Gegnern vereint, um ihn daran zu hindern, seine Arbeit zu tun. Und die bestand darin, Steuern einzutreiben. Auch die Steuern von Adolf Hitler, dem Kanzler des Deutschen Reiches. Doch der dachte gar nicht daran, seine Steuerschuld zu begleichen - und die war erheblich. Denn Adolf Hitler - vom konservativen Establishment als kleiner »Weltkriegsgefreiter« abgetan, nach eigenem Bekunden ein höchst bescheidener Diener seines Vaterlands - war im Jahr seiner Machtübernahme bereits Millionär. Die Verkäufe seines Buches Mein Kampf hatten 1933 die Marke von 900 000 Exemplaren überschritten und ihm Einkünfte von 1,2 Millionen Mark beschert. Das entsprach dem 750-fachen eines Facharbeitergehalts, das bei jährlich etwa 1600 Mark lag. Davon ahnte die Öffentlichkeit allerdings nichts. Den Menschen in Deutschland wurde suggeriert, dass endlich ein Mann des Volkes die Zügel der Regierung in der Hand hielt - einer, der die Nöte des kleinen Mannes kannte, weil er selbst Not gelitten und sich von ganz unten nach ganz oben gekämpft hatte. Sehr publikumswirksam hatte Hitler kurz nach der »Machtergreifung« auf das Gehalt des Reichskanzlers verzichtet. Schon früh strickte er an der Legende vom asketischen, opferbereiten, selbstlosen »Führer«.
Die medienwirksame Spende konnte sich der Bestsellerautor Hitler mit Leichtigkeit leisten. Doch der staatsbürgerlichen Verpflichtung, Steuern zu zahlen, wollte er nicht nachkommen. Und nun lag diese unangenehme Angelegenheit in den Händen des Münchner Steuerinspektors Vogt. Zum wiederholten Male hatte Hitlers Adjutantur nicht auf dessen Nachfragen reagiert. Hitlers Chefadjutant, SS-Obergruppenführer Julius Schaub, der die steuerlichen Angelegenheiten des Kanzlers bearbeitete, war für Vogt meist nicht zu sprechen oder gab ausweichende Antworten. Schließlich aber bewegte er sich - und fuhr schweres Geschütz gegen den kleinen Finanzbeamten auf. Schaub wandte sich an den Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen, Fritz Reinhardt. Der war von Hitler im April 1933 persönlich eingesetzt worden und traf im Ministerium die Entscheidungen im Steuerwesen. Reinhardt entschied kurzerhand, dass Hitler die Hälfte seiner Jahreseinnahmen als Werbungskosten absetzen konnte, damit blieb für 1933 eine Steuerschuld von 297 000 Mark, dazu kam die Forderung, für das Jahr 1934 eine Vorauszahlung von 400 000 Mark zu leisten.
Doch Hitler war immer noch nicht bereit, diese reduzierte Einkommensteuer zu bezahlen. Pünktlich überwiesen wurde nur seine Kirchensteuer. Der ansonsten zahlungsunwillige »Führer« ließ erneut seinen Finanzstaatssekretär Reinhardt von der Leine. Der trug dem Münchner Oberfinanzpräsidenten Ludwig Mirre nun auf, seinen Finanzbeamten endlich auf die Finger zu klopfen. Und so setzte Mirre Vogts direkten Vorgesetzten über eine Vereinbarung in Kenntnis, die im Finanzministerium getroffen worden war: Adolf Hitler sei »im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Stellung nicht steuerpflichtig«. Und am 19. Dezember 1934 schrieb Mirre an den Vorsteher des zuständigen Finanzamts: »Alle Steuerbescheide sind, soweit sie eine Pflicht des Führers begründen würden, von vornherein nichtig [ . ] der Führer ist damit steuerfrei!« Mit diesem Vermerk wurde Hitlers Akte im Finanzamt Ost im »Alten Hof« in der Burgstraße aus dem Verkehr gezogen und unter Verschluss genommen.
Es zeigt sich, dass er in seinem Größenwahn doch am Ende nur ein kleiner Steuerbetrüger ist, der keine Lust hat, überhaupt eine Steuererklärung abzugeben, geschweige denn Geld zu zahlen.
Wolfgang Zdral, Wirtschaftsjournalist
Der Deal zulasten der Staatskasse lohnte sich für Hitler - als Reichskanzler sollte er nie Steuern bezahlen. Die »Amtshilfe« lohnte sich auch für Oberfinanzpräsident Mirre. Er bekam als Dank für seine freundliche Hilfe bis 1945 2000 Mark monatlich zu seinem Beamtengehalt hinzu - steuerfrei, versteht sich. Und am 1. April 1935 wurde er zum Präsidenten des Reichsfinanzhofs ernannt.
Hitler als Steuersünder - dieser Aspekt mag angesichts der ungeheuerlichen Verbrechen, die der Diktator in seiner zwölfjährigen Amtszeit zu verantworten hatte, eher unbedeutend erscheinen. Doch gleicht diese Episode aus der Anfangszeit seiner Herrschaft der Spitze eines Eisbergs. Sie lässt ahnen, was unter der Oberfläche der allseits propagierten Einfachheit und Bescheidenheit lauerte. Die besondere Steuerregelung für Hitler ist symptomatisch für die korrumpierende Wirkung, die das NS-Herrschaftssystem von Beginn an auf die staatlichen Strukturen des Deutschen Reiches hatte. Dreist wurde stets der Vorteil der NS-Führer durchgeboxt. Und überall fanden sich in den bestehenden Strukturen bereitwillige Helfer, die gegen entsprechende Pfründe - Geld, Karriere, Einfluss - gerne mitmachten. Zugleich wirft die anrüchige Steuerbefreiung ein Licht auf Hitlers persönliches Finanzgebaren sowie auf die Tatsache, dass der Kontrast zwischen verkündeten Idealen und gelebter Realität bei ihm besonders krass war: Der nach außen zur Schau gestellte spartanische Lebensstil Hitlers, die öffentlich gepriesene persönliche Bescheidenheit des »Führers«, war Teil einer Inszenierung, die mit der Realität wenig zu tun hatte: »Ich werde meine Pläne nie an einem Mangel an Geld scheitern lassen!« Mit dieser Maxime wandte sich Adolf Hitler kurz nach dem Amtsantritt als Reichskanzler gegen die Sparappelle seines Finanzministers Lutz Graf Schwerin von Krosigk. Hitler hatte es weit gebracht mit diesem Denken.
Am Anfang seiner Karriere habe bittere Armut gestanden - so wollte es Hitler dem Leser in seinem autobiografischen Werk Mein Kampf weismachen. Bekanntermaßen entsprach dies nur zu einem Teil der Wahrheit, und diese Phase des Elends war selbstverschuldet, denn der junge Adolf Hitler sah sich als Künstler und verkanntes Genie, und zeigte keinerlei Neigung, einem regelmäßigen Broterwerb nachzugehen.
Der junge, dandyhafte Hitler verachtete die Vorstellung, für das tägliche Brot zu arbeiten.
Ian Kershaw, Hitler-Biograf
Als Soldat im Ersten Weltkrieg stand er im Sold des bayerischen Staates und war aller Sorgen um Verpflegung und Unterkunft enthoben. Als Hitler 1919 nach München zurückkehrte, stellte sich für ihn wie für fast alle Heimkehrer nach vier Jahren Krieg die Frage, wo und wie sie nun ein Auskommen finden würden. Hitler besaß ein Sparbuch, auf dem 15 Mark lagen - und sonst wenig. Im September 1919 dann trat der unbedeutende Habenichts Hitler in eine unbedeutende Splitterpartei namens DAP ein, in deren Parteikasse sich zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 7,50 Mark fanden. Es war der Beginn einer höchst ungewöhnlichen Karriere - und der Anfang einer höchst lukrativen finanziellen Symbiose.
Hitler wurde zum Zugpferd der Partei. Seine Auftritte sprachen sich herum, er füllte im Jahr 1920 immer größere Säle, schließlich sogar das Zelt des »Circus Krone«. Die Rednerhonorare, die er neben seinem Wehrsold kassierte, waren ein willkommenes Zubrot. Er ahnte, dass die Politik ihm die Chance bot, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sozial aufzusteigen, etwas aus sich zu machen. Hitler hatte ganz pragmatisch seine Karrierechance erkannt und ergriff sie. Noch bis zum März 1920 stand Hitler in Diensten der Armee und erhielt seinen Sold, doch dann beschloss er, dass er seinen Lebensunterhalt allein als politischer Redner verdienen wollte. Es war eine Karriereentscheidung, die sich buchstäblich bezahlbar machte.
Sein Agieren auf der politischen Bühne Münchens erregte die Aufmerksamkeit von Leuten, die Verbindungen in die »bessere Gesellschaft« hatten, darunter der Dichter und Dramatiker Dietrich Eckart, der von Hitler sehr angetan war. Er öffnete ihm die Türen zu den Salons wohlhabender Bürger, die ebenso völkisch, nationalistisch und antisemitisch dachten wie Hitler und Eckart.
Mächtige Gönner in München erkannten in Hitler den unverzichtbaren »Trommler« für die nationalistische Sache. Voller Stolz übernahm Hitler in den frühen zwanziger Jahren...
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