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Die Sirene eines Polizeiautos ließ die Gräfin zusammenzucken. Sie hörte, wie der Wagen bremste, der Motor stoppte und zwei Türen fast gleichzeitig ins Schloss fielen. Rasch wischte sie sich die Tränen aus den Augen und setzte ihre große dunkle Sonnenbrille auf. Kerzengerade und mit gefasster Miene stellte sie sich neben den Granitfelsen und winkte die beiden Uniformierten heran.
Nicht gerade im Laufschritt stapften sie den Hang hinauf. Die haben's anscheinend nicht besonders eilig, dachte Elsa, die keine Freundin der Polizei war.
Einen der Beamten kannte sie persönlich, nur fiel ihr sein Name nicht gleich ein. Er stammte aus Arbesbach und hatte es nur bis zum Bezirksinspektor gebracht. Dabei war er ewig lange bei der Gendarmerie gewesen, bevor diese im Jahre 2005 mit der Polizei vereinigt worden war.
Der Bezirksinspektor war sehr korpulent und schnaufte schwer. Seine Wangen und vor allem seine Nase waren durch jahrelangen Konsum von Branntwein aufgedunsen und voller geplatzter Äderchen.
Der zweite Beamte schien um einiges jünger, hatte ein kantiges Gesicht und einen militärischen Kurzhaarschnitt.
Der Bezirksinspektor verneigte sich und grüßte freundlich. Der Jüngere nickte der Gräfin nur kurz zu. Ihre Blicke kreuzten sich und blieben etwas länger aneinander hängen, als es bei einem Gruß zwischen Fremden angemessen ist.
Der junge Polizist gab sich einen kleinen Ruck, griff in die Innentasche seiner Uniformjacke und holte Notizzettel und Kugelschreiber hervor. "Ihr Name und Ihre ..."
"Aber hör doch auf", fiel ihm der Ältere ins Wort, "das ist die Gräfin von Kuenring. Die Dame kennt hier ein jeder - darf ich Ihnen unseren neuen Revierinspektor Rudi Rauensteiner vorstellen, gnädige Frau. Er ist erst seit kurzem bei uns . kommt aus dem Burgenland", fügte er grinsend hinzu, so als wäre damit alles gesagt. "Bei der Frau Gräfin musst du aufpassen", wandte er sich wieder an seinen Kollegen. "Sie gehört dem Quartett an. Kennst des net? Sie und ihre Freunde haben in den vergangenen Jahren einige Verbrechen aufgeklärt - und das beim Kartenspielen im Wirtshaus." Was er geflissentlich verschwieg, war der Umstand, dass das erwähnte Quartett die Polizei schon mehr als einmal blamiert hatte, weil die Beamten auf der falschen Fährte gewesen waren.
Elsa von Kuenring ignorierte die plumpe Anbiederei. Die Ansichten des Bezirksinspektors interessierten sie nicht. Er ist nur ein simpler Polizist, devot, ungebildet und außerdem viel zu dick, dachte sie. Wortlos wies sie auf den Granitfelsen und den darunterliegenden Körper.
Die Beamten traten näher. Die Stiefelspuren im Schnee rund um den Felsen schienen sie nicht zu bemerken. Das ist wieder mal typisch, dachte Elsa und wollte schon einschreiten. Zu spät. Die beiden trampelten bereits über die Spuren hinweg.
Elsa trug Reitstiefel, deren Abdrücke deutlich kleiner waren als diejenigen, die sie bei ihrem Eintreffen entdeckt hatte. Außerdem war sie sehr darauf bedacht gewesen, die anderen Spuren nicht zu zerstören. Jedem aufmerksamen Beobachter hätte auffallen müssen, dass mindestens zwei, wenn nicht mehr Personen im Umfeld des Leichnams herumgestapft waren. Die Stiefelabdrücke hatten die beiden Polizisten nun gründlich verwischt. Dieses Kapitel der Spurensicherung war damit erledigt.
Mit auffallender Behäbigkeit, die er in all seine Gesten legte, bückte sich der Bezirksinspektor und drehte den Leichnam zur Seite. "Aber das . das ist ja der David, der Sohn vom Engels Alois!", rief er bestürzt. "Der David ist ein Superstar. Wie hat er sich noch mal genannt, Frau Gräfin?"
"Hey Dave", meldete sich der jüngere Beamte, der inzwischen ebenfalls einen Blick auf den Leichnam geworfen hatte.
"Bei meinem Eintreffen hatte ich den Eindruck, dass sein Körper noch nicht ganz kalt war, aber ich kann mich irren", sagte die Gräfin.
Revierinspektor Rauensteiner zückte sein Handy und machte ein Foto vom Gesicht des Toten.
"Was tuast eam denn obüdl'n?", herrschte ihn der Alte an.
Betreten steckte Rauensteiner das Telefon wieder ein und gestand schuldbewusst, dass seine kleine Nichte ein Fan des Popstars und unsterblich in ihn verliebt sei.
"Bist' gaunz versumpat?"
"Meine Herren, bitte!"
"Tschuldigen S' schon, Frau Gräfin. Aber das darf doch net wahr sein. Der will doch glatt seiner Nichte a Büdl von ana Leich zeig'n, der Heiochs, der . unterschreiben kann der David aber nicht mehr", setzte er in bemühtem Hochdeutsch nach.
Anscheinend verfiel er nur in tiefsten Dialekt, wenn er sich aufregte.
Sein junger Kollege errötete.
"Na, das wird einen ordentlichen Wirbel geben, wenn der Tod vom David bekannt wird", seufzte der Bezirksinspektor. Er setzte sich auf einen breiten Baumstrunk, griff zum Telefon und läutete den Amtsarzt aus dem Bett. "Ich glaub, wir haben da eine echt prominente Leiche", erklärte er dem Mediziner. "Blutspuren habe ich keine gesehen. Nein, auch keine äußerlichen Zeichen von Gewaltanwendung." Er schlug dem Amtsarzt eine gerichtsmedizinische Untersuchung vor. "Und vergesst ja nicht, zu schauen, ob ihr nicht irgendeinen Hinweis auf Drogen findet."
"Wie kommen Sie denn auf Drogen?", fragte die Gräfin, nachdem der Polizist das Telefonat beendet hatte.
"Das darf ich eigentlich nicht sagen", erwiderte der Dicke.
"Aber gehen S', Herr Haslinger" - eben war der Gräfin der Name des Bezirksinspektors wieder eingefallen - "Sie kennen mich doch. Ich werde schweigen wie ein Grab."
Der Beamte schüttelte den Kopf. Elsa wusste, dass er ein Sturschädel sein konnte. Schon einmal, als das Quartett der Polizei nach einem Überfall auf eine Bankfiliale einen wichtigen Hinweis geben wollte, hatte er die privaten Ermittler nicht einmal ignoriert. Von wegen gute Zusammenarbeit von Polizei und Bevölkerung.
"Ich mache Ihnen ein Angebot: Sie erzählen mir, was Sie gehört haben, und ich verrate Ihnen etwas, das für Sie von Interesse sein könnte."
Die Gräfin setzte sich ihm gegenüber auf einen umgestürzten dicken Ast und sah ihn auffordernd an.
"A Kollege in Zivil hat den Popstar bei einem privaten Besuch in einer Sankt Pöltener Disko g'sehn, wie er sich Tabletten eing'worfen hat. Glauben S' ma, wir haben schon öfter g'hört, dass der Engels Kokain und andere Drogen nimmt. Aber weil er gar so einen prominenten Namen hat, hamma halt keine Ermittlungen begonnen. Für mich ist der Fall sonnenklar", sagte Haslinger im Brustton der Überzeugung. "Dem Burschen ist der ganze Rummel um seine Person zvü wurd'n, er ist in die Drogenszene abgerutscht und hat sich mit einer Überdosis um'bracht."
Elsa schwieg, runzelte nur ihre hohe Stirn.
"Sie werden sehen", setzte der Bezirksinspektor nach, "der Drogentest wird positiv sein, wett' ma?"
Der junge Polizist war dem Gespräch eher teilnahmslos gefolgt. "Wir brauchen ein Protokoll", sagte er plötzlich und wollte beginnen, der Gräfin die üblichen Fragen zu stellen. Sie aber ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern diktierte in perfektem Amtsdeutsch: "Mein Name ist Elsa von Kuenring. Ich bin geboren auf Schloss Kuenring bei Zwettl am 1. Mai 1962. Ich bin ledig. Heute, Freitag, den 21. März um fünf Uhr früh, habe ich meinen Hengst Azzo gesattelt, weil ich nicht schlafen konnte, und bin von meinem Schloss in Richtung Groß Gerungs geritten. Knapp vor sechs Uhr bin ich hier angekommen. Wegen des Sonnenaufgangs habe ich auf die Uhr gesehen. Als ich unter dem Opferstein von Thail einen nackten Körper entdeckt habe, bin ich vom Pferd gestiegen und habe den Puls des Jungen gefühlt. Ich konnte kein Lebenszeichen feststellen. Zum Todeszeitpunkt kann ich nichts aussagen. Ich habe in der Nähe des Tatorts keine andere Person gesehen. Dann habe ich die Polizei angerufen. Diese ist kurz vor halb sieben Uhr eingetroffen."
Der Polizist notierte sich noch die Telefonnummer der Gräfin und kündigte an, er würde sich melden, sofern im Zuge der Ermittlungen weitere Fragen auftauchen sollten. "Sie dürfen jetzt gehen ..., nein, ich habe mich ... reiten ..., nein, ich wollte nur sagen ..., wir sind so weit miteinander fertig", stammelte der Revierinspektor. Wieder überzog eine leichte Röte sein jugendliches Gesicht.
"Halt, halt, Gnädigste, nicht so schnell. Sie haben mir doch was Wichtiges mitzuteilen, haben Sie vorher zumindest behauptet", rief Haslinger, als Elsa aufstand und Anstalten traf, zu ihrem Pferd zu gehen.
"Ich wollte Ihnen nur vorschlagen, nach den Kleidungsstücken des Jungen Ausschau zu halten. Er wird ja nicht nackt hierhergekommen sein."
"Meiner Seel', Sie haben völlig Recht. Daran hab ich bei der ganzen Aufregung gar nicht gedacht. Das kannst du übernehmen, Rudi, mir tun schon die Füß' weh von der ganzen Hatscherei", sagte er zu seinem Kollegen. "Ich bleib hier sitzen und wart auf den Amtsarzt. Wer weiß, ob der den Weg findet. Von hier aus seh ich hinunter auf die Straß'n."
Die Gräfin schlug vor, die Suche rund um den Opferstein zu beginnen und erst, wenn sie dort nichts finden würden, auf das ganze Wäldchen auszudehnen. "Wenn Sie möchten, begleite ich Sie. Vier Augen sehen mehr als zwei." Sie zwinkerte dem Revierinspektor zu. Der Bursche gefiel ihr immer besser. Er war gut gebaut und sicher noch keine dreißig.
Sie suchten die Umgebung des Opfersteins ab, bahnten sich dabei den Weg durch...
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