8 (S. 206-207)
Die Proben fingen an, wie Proben eben anfangen. Gar nicht. Sie standen herum, beschnupperten sich. Erste Vorbereitungen zu musikalischer Darbietung scheinen unterm Stern der trist-schlaffen Schlamperei zu stehen, auch der daumendrehenden Langeweile; nur die Sängerin, jene am noch weit entfernten Premierentag allein im Suchscheinwerfer Abgeworfene, wird erstes Zwacken und Zwicken verspüren, einen Vorgeschmack des Mörderischen haben.
Die anderen hingegen werden sich kratzen, werden gähnen, blödeln, vor sich hinbrüten, sich mopsen, Steuern besprechen oder schlicht und ungekünstelt an der dem Jazz und Swing abholden Morgenstunde leiden. Denn morgens beginnen sie, die Proben, unabänderlich und grundlos. Da sie allesamt Jazzer, werden sie die Anwesenheit der Chansonsängerin teils frohsinnig-kregel, teils mäklig-herablassend zur Kenntnis nehmen. Denn was ist schließlich und endlich Chanson gegen superduften Jazz. Das muß die Sängerin einsehen und das sieht sie auch ein. Wort und Jazz geben sich vorerst blasiert.
Alles mögliche kann man sich unter einem Proberaum vorstellen, aber nie das, was dann tatsächlich auf einen zukommt. Und sie kommt auf dich zu, die nach kaltem Zigarrenrauch, uralter Bratwurst und Schnaps stinkende Gruft, die unberührt geblieben von jeglicher Leidenschaft, die Menschen mittels musikalischer Instrumente oder Wörter und Stimmen von sich geben; sie verdaut alles, verschluckt jegliches, als sei es der letzte Seufzer einer überfälligen Schmeißfliege. Nach und nach klurren sie in das übelriechende Loch, in dem eine staubbedeckte Glühbirne über wacklig knarzender Bodenerhebung, die eine Bühne darstellen soll, pendelt.
Zwischen Papierschlangenresten, die geradezu obszön in Ecken rollen, luftlosen Ballons, dickrandigen Tassen mit schimmligen Kaffeeresten, die für längst vergangene Generationen einmal brühwarm und frisch, auch vereinzelten breitgetretenen Karnevalpappnasen und ineinander-und übereinandergestellten Stühlen suchen sie die halbwegs vertrauenerweckende Sitzgelegenheit. Die Sängerin, obgleich an zugig-dreckige Tourneegarderoben längst gewöhnt, tastet spitzfingrig, versucht durch Eigenrauch den Vergangenheitsmief totzuschlagen; fürchtend, daß die grillenhaftreizbare Stimme mit barer Münze heimzahlt, gibt sie das Gequalme auf, steht an nichts gelehnt und wartet.
So verbleiben sie. Die Amis in der Band grüßen handlos und von weitem, der Posaunist lächelt jungenhaft-spitzbübisch und hupt ein krächzendes Solo, das den Staub von der Birne schüttelt und wetterfeste Spinnweben tanzen läßt, der Schlagzeuger hingegen hebt einen Finger, baut weiter an seinen Trommeln herum, verbissen schraubt er, klopft, müht sich ab, als versuche er ein Autowrack auf Trab zu bringen. Seine Haut ist grünweiß, die Farbe junger Gurken, die Haare scheinen schwarz, die Gesichtszüge sind nicht auszumachen. Verbindlich ist er keinesfalls, spricht weder mit dem noch mit jenem, ist ganz den Schrauben und Klammern seines Schlagzeugs ergeben.
Nun besiegt er einen Hocker, prüft Sitz und Haltung, trommelt wütig, doch eindrucksvoll, bricht ab und schlägt ein Rätselheft auf. Ein Lulatsch mit Saxophon in der Hand tritt auf die Sängerin zu, mummelt »Hallo«, schlenkert mit überlangen Armen, läßt es zum kurzen Treffen ihrer Hände kommen, schiebt sogleich sein Saxophon über einen an dikker Halskette baumelnden Haken. Durchdringend dudelt er, endet in einem Böllerton, läßt das Saxophon sinken. Keiner nimmt