Schweitzer Fachinformationen
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Das Schicksal hasst mich gerade mindestens so sehr, wie ich Hüte hasse. Und das meine ich ernst. Wenn man mir hunderttausend Dollar dafür bieten würde, ein Jahr lang jeden Tag einen Hut zu tragen, würde ich das Angebot nur annehmen, weil mein Fünfzigtausend-Dollar-Studienkredit mich dazu zwingt. Aber es gibt ohnehin niemanden, der einem Geld fürs Hütetragen bietet. Deshalb bin ich, wie jeden Winter, dazu gezwungen, im Colorado Luxury Resort zu arbeiten. Wobei das sicherlich bald vorbei sein wird. Denn morgen ist der Tag, an dem ich meinen Job verlieren werde. Ganz sicher.
Ich schlucke schwer, während ich die wöchentliche Kursverteilung durchblättere, bis ich an meinem Namen hängen bleibe: Malia Valentine, zwei Mal vier Stunden Snowboardunterricht für zwei Personen. Level Fortgeschritten. Kundenname Mason Samley. Mason Samley.
Fuck. Das kann nur ein Fehler sein. Nein, das muss ein Fehler sein. Alles andere würde bedeuten, dass ich das Universum schon wieder tiefgreifend verärgert habe.
In meinen Gedanken gehe ich die letzte Woche durch. Abgesehen davon, dass ich den Kittel meiner Laborpartnerin unabsichtlich angezündet habe, fällt mir nichts ein. Und dafür habe ich mich entschuldigt. Mehrfach. Und doch stehe ich vor meinem Fach im Mitarbeiterraum des Resorts und starre auf den Namen des Mannes, der mich mehr hassen muss als ich Hüte. Fuck.
»Ist alles in Ordnung? Du bist blasser als der Schnee vor der Tür«, reißt mich die besorgte Stimme meiner Kollegin Marybeth aus den Gedanken.
Ich sehe zu ihr auf. »Ja, es ist nur .« Wie erkläre ich die Situation am besten, um nicht wie der Bösewicht in der Geschichte rüberzukommen? Obwohl ich es natürlich bin. Ich bin der Grund dafür, dass Mason vor zwei Jahren alle seine Social-Media-Accounts löschen musste.
Ich war so unbesonnen gewesen, der einzigen Freundin, die von meinem Crush auf Mason wusste, das Lernvideo weiterzuleiten, das er für mich aufgenommen hatte. Noch immer verfolgt es mich in meinen Träumen. Mason sitzt mit einer Gitarre in der Unibibliothek und rappt molekulare Verbindungen auf schnelle Akkorde. Es war süß, besonders weil sein Gesangstalent mehr als unausgereift war. Leider hatte Anne das Video dann auf dem Chemie-ist-heiß-Account der Universität bei TikTok hochgeladen. Und das Internet hat Mason Samley über Nacht zu MC Molecool gemacht. Seitdem ist er ein lustiges Meme. Danach haben wir kein Wort mehr gewechselt. Kein einziges. Wir alle machen Fehler, oder? Das kann doch mal passieren. Nein, Malia, kann es nicht.
»Ich kenne Mason von der Uni, wir verstehen uns nicht besonders«, antworte ich so ausweichend wie möglich.
»Oh, das tut mir leid. Ich würde dir ja anbieten zu tauschen, aber ich bin nur noch heute hier. Am Samstag fahre ich schon nach Hause.« Marybeths Gesicht spiegelt die Art von Mitleid, die ich definitiv nicht verdient habe. Wahrscheinlich glaubt sie, dass er mich geghostet hat oder wir Konkurrenten um den Jahrgangsbesten-Titel sind. Ich wünschte wirklich, es wäre so einfach.
»Schon okay, ich frage einfach Victor.«
»Victor ist gestern Abend schon nach Hause gefahren. Er hat all seine Kurse für dieses Wochenende abgesagt. Sorry, Girl.«
Klar. Natürlich fahren ausgerechnet dieses Jahr zwei der drei Snowboardlehrer des Resorts schon am Wochenende vor Weihnachten nach Hause. Ich werde also mit Mason Samley allein sein. Na ja, mit ihm und seiner Plus One.
Mein Bedauern bleibt Marybeth nicht verborgen, weshalb sie sich dazu genötigt fühlt, mich aufzumuntern. »Du hast ja heute Zeit, dich emotional auf den Kurs morgen vorzubereiten. Ich empfehle dir die Sauna im Spa. Stell dir vor, unsere Mitarbeiter-Keycards funktionieren genau wie die der Gäste. Manchmal mache ich das heimlich, wenn ich anstrengende Kunden hatte, aber pst, verrate das nicht den anderen. Die würden das nur petzen.«
Dankbar nicke ich meiner Kollegin zu. Vielleicht werde ich ihren Tipp wirklich beherzigen, aber zuerst muss ich meinen heutigen Arbeitstag überstehen. Es gibt kaum etwas Anstrengenderes als Anfängerkurse für die Kinder unermesslich reicher Helikoptereltern, die Fotos knipsend am Rand stehen und alles kritisieren, was ich tue. Aber immerhin würde mich das von Mason Samley ablenken.
Das hatte ich zumindest gedacht. Zehn Stunden später stehe ich in Flipflops und einem Hotelbademantel vor der braunen Holztür zum Spa-Bereich, in der Hoffnung, dass meine Gedanken an Mason einfach in der Sauna verdampfen. Nicht einmal das stille Aufzählen von periodischen Ordnungszahlen hatte mich ablenken können. Es ist wie verhext, und dabei glaube ich nicht an Hexerei, ich bin eine Frau der Wissenschaft. Wenn ich nicht dringend etwas Entspannung bekomme, werde ich den morgigen Tag nicht überleben, weil ich mich buchstäblich zu Tode schäme.
Meine Finger umschließen das kühle Metall des Türgriffs, während ich meine Karte vor den Sensor halte. Er piept zweimal rot, dann grün, dann schiebt sich der Riegel in der Tür zurück. Ich werfe einen letzten verräterischen Blick über die Schulter, weil das, was ich gerade vorhabe, eigentlich nicht erlaubt ist. Dann trete ich durch die Tür, und eine Mischung aus Wärme und Eukalyptusduft hüllt mich ein wie eine warme Decke. Meine Schultern fühlen sich bereits leichter an. Mein Blick gleitet durch den Raum, um mich zu vergewissern, dass ich hier wirklich allein bin. Normalerweise befinden sich die Gäste um diese Zeit beim Dinner im Restaurant, weshalb laut Marybeth jetzt die beste Gelegenheit ist, um sich einzuschleichen. Und meine Kollegin scheint recht zu behalten.
Schnell husche ich durch die Tür, die zum Saunabereich führt. Glücklicherweise bin ich auch hier vollkommen für mich. Ich streife den Bademantel ab, greife mir ein frisches Handtuch vom Regalbrett über der Tür und wickle mich darin ein. Es ist viel weicher als die, die wir Mitarbeiter bekommen, weshalb ich darüber nachdenke, es mitzunehmen für die Zeit, in der ich noch hier bin. Das ist kein Diebstahl, ich gebe es ja zurück. Irgendwann.
Zufrieden gehe ich zur Sauna und lasse mich auf eine der Holzbänke sinken. Mein Blick wandert zur Fensterfront hinter dem dampfenden Saunaofen. Der volle Mond taucht die verschneite Berglandschaft in silbriges Licht. Es ist wunderschön. Ich lehne mich zurück und genieße den Anblick, bis plötzlich die Tür aufgeht.
Scheiße. Mir stockt der Atem. In der Tür steht niemand Geringeres als Mason Samley, und das Einzige, was er trägt, ist ein Handtuch. Ich sollte definitiv nicht so auf den bedeckten Bereich starren, das weiß ich selbst, aber die Alternative wäre, ihm ins Gesicht zu sehen, und ich weiß nicht, ob ich dazu schon bereit bin. Oder es jemals wieder sein werde. Und dann tue ich es doch, weil der bekannte Klang seiner Stimme mir einfach keine Wahl lässt. »Malia.« Er flüstert meinen Namen, als wäre er ein Geheimnis. Wie von selbst wandert mein Blick über seinen athletischen Oberkörper bis hin zu seinen weit aufgerissenen haselnussbraunen Augen. Er sieht mich wie einen Fremdkörper an, als würde ich hier nicht hingehören. Was ich genau genommen auch nicht tue. Himmel, ich wünschte, ich könnte mich auflösen wie Natriumchlorid in kochendem Nudelwasser. (Wobei der Vergleich faktisch hinkt, weil sich das Salz in Ionen spaltet und im Wasser verteilt, aber ihr wisst, was ich meine.)
Für einen unendlichen Moment sehen wir einander starr in die Augen, bis Mason das Schweigen bricht. Er schüttelt lachend den Kopf. »Du bist hier.« Es ist, als könnte er nicht glauben, dass ich wirklich in der Sauna eines eingeschneiten Hotels am Ende der Welt vor ihm sitze. »Bist du auch im Urlaub?«
Diese Frage schubst mich augenblicklich in eine Zwickmühle, aus der ich nur schwer herauskommen werde. Wenn ich ihm die Wahrheit sage, weiß er, dass ich hier arbeite, und meldet es sicher dem Hotelmanagement, was mich meinen Job kosten würde. Wenn ich ihn stattdessen anlüge, merkt er das spätestens morgen Vormittag und meldet es ebenfalls dem Management. Beides keine besonders vielversprechenden Optionen.
»Ich äh . verbringe die Vorweihnachtszeit immer im Resort.«
Ja, das ist gut. Vage genug, um es morgen als Missverständnis zu entlarven, über das wir beide in meiner Vorstellung herzlich lachen werden. Nur, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich an seiner Stelle je wieder mit mir lachen würde. Wahrscheinlich nicht.
Er verschränkt die Arme vor seiner Brust und wirft einen nachdenklichen Blick durch die Fensterfront. »Kann ich verstehen. Vielleicht ist es besser, wenn ich .«
Er wird wieder gehen, wegen mir, schießt es mir durch den Kopf. Das kann ich nicht zulassen, nicht nur, weil ich mir den »Snowboardlehrerin verdrängt heißen Gast aus Sauna«-Mitarbeiternewsletter sparen will, sondern auch, weil er wegen mir schon genug durchgemacht hat. Also mache ich Anstalten aufzustehen, wobei mein Handtuch verrutscht. Mit weit aufgerissenen Augen ziehe ich es schnell wieder zurecht, als mir bewusst wird, dass ich nackt bin. Dass wir beide nackt sind. Zusammen im selben Raum. Mein Herzschlag beschleunigt sich wie eine Zentrifuge.
»Du musst nicht gehen«, sagt er, und auch wenn ich mich absichtlich von ihm abwende, weiß ich, dass er mich ansieht. Ich kann es fühlen, und es ist nicht besonders hilfreich für mein Zentrifugenherz.
»Doch, ich denke schon.« Steif umklammere ich meinen Oberkörper und wende mich Richtung Tür.
»Das hier ist eine öffentliche Hotelsauna. Mich stört es nicht. Jeder darf hier sein.«
Jeder außer mir. Und doch setze ich mich wieder, genau wie Mason. Wie zwei Hühner auf einer Stange hocken wir schweigend...
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