Schweitzer Fachinformationen
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"Herr Doktor, Entschuldigung, dass ich störe, aber darf ich Ihnen die nächste Patientin hereinschicken?" Die junge Sprechstundenhilfe streckte den Kopf zur Tür herein.
"Ja, sie soll hereinkommen. Wir sind ohnehin schon fertig, denke ich." Der Arzt Dr. Steinhaus warf Corinna einen kurzen fragenden Blick zu. Eigentlich war Corinna noch nicht fertig, gemessen an dem, was sie eigentlich erreichen wollte bzw. sollte noch lange nicht. Sie merkte aber, dass jedes weitere Wort im heutigen Gespräch eines zu viel wäre. Die Praxis lief auf Hochbetrieb. Der Warteraum war voller Patienten. Die Argumente, die sie jetzt noch bringen könnte, würden vollkommen wirkungslos verpuffen und vermutlich nicht einmal wahrgenommen werden. Also gab sie auf, für heute zumindest.
"Ja, wir waren schon durch, ich komme dann in ein paar Wochen wieder."
"Ich freue mich immer, Sie zu sehen", fügte Dr. Steinhaus charmant lächelnd hinzu.
Das glaubte ihm Corinna auch, allerdings unterstellte sie ihm, dass seine Freude nichts mit ihrem Job zu tun hatte. Als junge und durchaus attraktive - wie sie sich selbst zugestand - Pharmareferentin war sie Avancen seitens mancher männlichen Kunden gewohnt. Deren Beziehungsstatus spielte da oft keine Rolle. Obwohl sie gerade single war, wollte sie diese Karte ganz sicher nicht ausspielen. Sie wollte erfolgreich sein, auch ohne ihre weiblichen Reize dafür einsetzen zu müssen.
Sie griff die Unterlagen, die noch auf dem Tisch des Arztes lagen und verließ die Ordination, aber nicht ohne sich auch noch bei der Sprechstundenhilfe zu verabschieden. Die Mitarbeiter - das hatte man ihr gleich zu Beginn Ihrer Tätigkeit eingeschärft - sind oft der Schlüssel zum Erfolg eines Arztes.
Ihr Auto stand gleich vor der Praxis. Bevor sie losfuhr, nahm sie sich noch ein paar Minuten Zeit, um über das Gespräch mit Dr. Steinhaus nachzudenken und sich drei Fragen zu stellen - immer dieselben drei Fragen.
Das war etwas, das Ihr der Vertriebstrainer empfohlen hatte, bei dem sie - als Teil der Grundausbildung - ein dreitägiges Seminar absolviert hatte. Inzwischen war es zur festen Angewohnheit geworden.
"Was habe ich gut gemacht?", fragte sie sich. "Ich habe eine gute Beziehungsebene zum Arzt gehabt. Ich habe ein paar sehr gute Fragen gestellt", beantwortete sie Ihre Frage in Gedanken und notierte die Antworten auf ihrem Block. "Ich habe mit einem sehr emotionalen Patientenbild gearbeitet", fügte sie dann noch hinzu. Das war es. Mehr fiel ihr nicht wirklich ein.
"Habe ich mein Ziel erreicht?" Man hatte ihr unzählige Male eingetrichtert, wie wichtig es wäre, sich Gesprächsziele vorzunehmen. Die Antwort lautete: "Ja." Doch während sie das notierte, hörte sie eine Stimme irgendwo aus Ihrem Hinterkopf, die sagte: "Ja klar, belüg dich nur weiter selbst." Die Stimme hatte recht, wie sie sich selbst eingestehen musste. Es stimmte zwar, dass sie ihr Ziel, ein gutes Gespräch zu führen, vielleicht erreicht hatte, aber was hieß das schon, ein gutes Gespräch. Sie war sich bewusst, dass sie das Gesprächsziel so sanft und dehnbar formuliert hatte, dass sie jederzeit mit Leichtigkeit behaupten konnte, das Ziel erreicht zu haben.
Doch wenn das so war, warum fühlte sie sich dann nicht besser? Mit zwei frustrierten Strichen machte sie ein Kreuz über das JA und schrieb daneben ein großes NEIN. Sie fühlte sich dadurch zwar nicht wirklich besser, aber zumindest war das ehrlicher. "Gute Gespräche, wirklich gute Gespräche mit Kunden müssen sich deutlich anders anfühlen", sagte sie sich.
"Was kann ich nächstes Mal anders machen?" Das war die dritte ihrer Fragen zur Reflexion des Gespräches. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie gar nicht, wo sie beginnen sollte. Da war so vieles, was ihr einfiel, das nicht richtig gelaufen war. Dinge, die sie sich vorgenommen hatte zu sagen und dann doch nicht gesagt hatte. Fragen, die sie stellen wollte und die ihr dann nicht über die Lippen gekommen waren. Sie beschloss das jetzt nicht alles aufzuschreiben, da es sie gefühlt noch mehr frustrieren würde und sie hatte noch ein paar Gespräche vor sich, für die sie in einigermaßen guter Stimmung sein sollte.
Als sie um 17 Uhr ihre Wohnung betrat, streifte Corinna ihre Schuhe einfach nur von den Füßen und ließ sie achtlos im Flur neben ihrer Tasche stehen, was sonst gar nicht ihre Art war. Sie war müde und fühlte sich ausgelaugt und wollte sich einfach nur aufs Sofa fallen lassen, um dann genau gar nichts zu tun. Der Tag hatte es in sich gehabt. Die weiteren Gespräche waren ähnlich verlaufen wie das bei Dr. Steinhaus - nett, aber unverbindlich. Bei keinem einzigen hatte sie das Gefühl gehabt, irgendwie einen Schritt weiterzukommen.
Solche Tage waren in letzter Zeit häufiger vorgekommen. Sie versuchte sich damit zu trösten, dass es nun mal schwierig sei in einem bereits gut versorgten Markt wie dem der Medikamente für Diabetiker ein neues Präparat zu platzieren, aber das half nicht wirklich. Was blieb, war der Frust und das Gefühl, in etwas zu waten, worin sie knöcheltief versank und das jeden Schritt mühsam machte.
Ja, ab und an gab es Lichtblicke bei Ärzten, zu denen sie bereits mit den früheren Präparaten einen guten Kontakt hatte, aber bei den meisten hatte sie das Gefühl, dass sie mit ihrem neuen Präparat keinen Schritt vorwärtskam. Die ersten zwei oder drei Monate hatte sie es noch damit erklärt, dass es eben neu war und dass es eine Zeit dauerte, bis ein zusätzliches Präparat Fuß fassen konnte. Die neuesten Studien zeigten zwar deutlich, dass es für bestimmte Patientengruppen deutlich wirksamer und besser verträglich war, doch viele Ärzte waren grundsätzlich schwer zu Veränderungen im Verschreibungsverhalten zu bringen.
Doch als die Kollegen und Kolleginnen in den anderen Verkaufsgebieten begannen, mehr und mehr Erfolg zu haben, musste sie sich eingestehen, dass ihre Erfolglosigkeit offenbar mehr mit ihr als mit dem Markt, den Kunden oder dem Produkt zu tun haben musste, auch wenn ihr das schwerfiel und auch wenn es schmerzte.
Es war nicht so, dass sie nicht auch schon versucht hätte, an ihrer Vorgehensweise zu arbeiten. Dutzende Male hatte sie ihre Verkaufsgespräche analysiert. Nicht, dass sie nichts gefunden hätte, was sie besser machen könnte - da gab es einiges - doch nichts davon schien ihr so entscheidend, dass es ihr aus ihrer anhaltenden Erfolglosigkeit helfen könnte. Das war es im Grunde, was ihr am meisten zu schaffen machte. Sie hatte keine Ahnung und keinen Plan, wie sie das Ruder herumreißen konnte. Doch eines war klar, irgendetwas musste sie tun. So konnte es nicht weiter gehen.
Doch zumindest für heute beschloss sie mit dem Grübeln Schluss zu machen und zu versuchen, sich einfach nur zu entspannen. Ein gutes Essen, ein heißes Bad, ein gutes Glas Wein und ein paar Folgen ihrer Lieblingsserie würden ihr sicher dabei helfen. Sie blieb noch ein paar Minuten auf dem Sofa sitzen, raffte sich dann auf, um ihre Tasche und die Schuhe wegzuräumen und in etwas Bequemeres zu schlüpfen.
Dabei fiel ihr ein, dass sie ganz vergessen hatte, die Post aus dem Briefkasten zu holen. Auf dem Weg zurück zu ihrer Wohnung sah sie sie durch. Ein paar Werbesendungen, zwei Rechnungen und ein Paket, das sie neugierig öffnete. Es war von Ihrer Freundin Eva, ein Buch, stellte sie überrascht fest. Eine kurze Notiz lag auch dabei.
"Das ist das Buch, von dem ich dir erzählt habe. Es hat mir sehr geholfen. Es hat wahre Wunder gewirkt, würde ich beinahe behaupten. Viel Spaß beim Lesen. Eva."
Eva kannte sie vom Medizinstudium, das sie beide gleichzeitig abgebrochen hatten, um einen gut bezahlten Job im Pharmaaußendienst anzunehmen, zwar bei unterschiedlichen Unternehmen, aber sie waren trotzdem in engem Kontakt geblieben. Seit Eva geheiratet hatte und in eine andere Stadt 300 Kilometer entfernt gezogen war, trafen sie sich nur noch selten, aber telefonierten immer noch regelmäßig.
"Wer wagt, gewinnt - Mutig verkaufen, Kunden gewinnen und Erträge steigern" prangte in großen Buchstaben auf dem Cover. Ein wenig vollmundig, wie Corinna fand. Sie las den Klappentext: "Sie sind im Verkauf tätig und haben das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Mehr angestrengt haben Sie sich schon, jedoch ohne nennenswerte Veränderungen zu bemerken. In diesem Buch erfahren Sie, warum mehr vom Selben nichts bringt und was Sie verändern müssen, um deutlich mehr Erfolg im Verkauf zu haben. Es geht darum, neue Wege zu gehen." Der Autor, ein gewisser Roman Kmenta, lächelte von der Rückseite des Buches. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Vielleicht hatte sie ihn in den sozialen Medien schon einmal gesehen.
Corinna fühlte sich von dem Text angesprochen. Angestrengt hatte sie sich genug, doch genau wie es hier stand, ohne nennenswerte...
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