Schweitzer Fachinformationen
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Diese Karte zeigt die Verbreitung von Braunbären in Europa im Zeitraum 2017 bis 2023. Die Kategorie permanent (hellgrau) bezeichnet Gebiete, in denen Bären dauerhaft vorkommen. Die Kategorie sporadisch (dunkelgrau) zeigt Regionen, in denen Bären gelegentlich nachgewiesen wurden.
Den ersten frei lebenden Bären, den ich in Europa sah, hielt ich für einen Fuchs.
Es war im Juni 2017, als ich mit einer Gruppe von Jugendlichen, die sich im WWF für den Luchs engagierten, in die Slowakei fuhr, um mich mit ihnen auf die Spuren der Pinselohren zu begeben. Neben Wölfen und Bären gibt es dort auch Luchse, und wir wollten uns ein Bild von ihrem Lebensraum machen und Menschen treffen, die sich für den Schutz der heimlichen Katzen engagieren. Wir trafen Jäger, Tierhalter, Bürgermeister, Tierfilmer und Wissenschaftler, unter anderem auch diejenigen, die zu dem Zeitpunkt Luchse einfingen, damit sie für ein Wiederansiedlungsprojekt im Pfälzer Wald nach Deutschland gebracht werden konnten. In den Wäldern des Muránska-Planina-Nationalparks wurde der Bestand an Luchsen zu diesem Zweck schon länger mithilfe von Fotofallen beobachtet, man spricht auch von Monitoring. Auf von Wildtieren häufig frequentierten Wegen, sogenannten Wechseln, wurden große Kastenfallen aufgestellt, die mit Kameras und Sensoren ausgerüstet waren. Die Forscher wurden sofort informiert, wenn ein Tier in die Falle ging, es wurde unmittelbar daraus befreit und in ein Gehege zur Untersuchung gebracht. Nach einigen Wochen in Quarantäne konnten die eingefangenen Luchse dann nach Deutschland transportiert werden.
Es war früh am Morgen, als ich mich zum Joggen aufmachte. Ich kannte mich nicht aus in dieser Region der Slowakei, aber das machte mir nichts aus: Ich lief einfach los. Joggen ist für mich die beste Möglichkeit, um die Landschaft zu erkunden. Auch wenn ich auf Dienstreisen in Städten bin, habe ich meist die Laufschuhe dabei. Sightseeing on the run.
Mir wird oft gesagt, dass ich eine große Ruhe ausstrahlen würde und man mir anmerke, dass ich mit mir im Reinen sei. Merkwürdig, denn innerlich bin ich ständig in Bewegung; manchmal habe ich das Gefühl, mein Kopf würde vor Gedanken und Ideen platzen und mein Bauch vor Unruhe explodieren. Ich weiß in aller Regel sechs Wochen vorher, was ich an einem Dienstagnachmittag um 15.00 Uhr mache, mit manchen meiner Freunde plane ich ein halbes Jahr im Voraus Ausflüge und Kochabende, ich gehe in meinem Kopf kontinuierlich diverse berufliche und private To-do-Listen durch.
Meine Hündin Thula, eine sechsjährige, mittelmäßig gut erzogene, dafür aber umso bezauberndere Magyar-Vizsla-Dame, hat ein ähnliches Temperament. Vizslas jagen am liebsten Niederwild, Vögel und Kaninchen, sie sind Familienhunde und möchten immer bei allem dabei sein, sie sind ständig bereit zu arbeiten, zu erkunden, zu suchen, zu schnüffeln. Zu meinem Freund Markus, der auch einen Vizsla hat, meinte ich einmal: Vizslas haben einfach eine höhere Grundgeschwindigkeit. Markus fand, das sei sehr zutreffend. Man sagt ja, dass die Halter ihren Hunden oft sehr ähnlich seien. Was soll ich sagen. Thula trägt mein Inneres nach außen.
Ich jogge nicht, um vor Dingen wegzurennen. Auch nicht vor Bären, denn vor ihnen sollte man unter keinen Umständen wegrennen, doch dazu später mehr. Es ist eher so: Wenn ich neue Gebiete erkunde, ist Joggen für mich die effizienteste Art, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel zu sehen. Sightseeing in »fast forward«. Aber indem ich immer schneller renne, schaffe ich es auch, meine Gedanken auszubremsen und zu ordnen.
Beim Laufen hilft mir neuerdings auch klassische Musik. Als sportliche Begleitung habe ich sie für mich bei »Chef's Table« auf Netflix entdeckt. Die exakt auf die Melodien aus Vivaldis Vier Jahreszeiten abgestimmte Abfolge von Zeitrafferaufnahmen aus den bedeutendsten Gourmetküchen entspricht dem Wirbeln in meinem Kopf und meiner Vorliebe für Synchronisation und Perfektion. Genauso wie der Moment, wenn ich unter der Brücke am Schkeuditzer Kreuz hindurchfahre, sich ein Airbus auf dem Weg zum Rollfeld befindet und ein anderes Flugzeug in der gleichen Sekunde auf der Landebahn aufsetzt. Alles gleichzeitig! In der Logistikbranche oder im Veranstaltungsmanagement hätte ich mich auch wohlgefühlt.
Doch ich wurde Naturschützer. Mit elf sammelte ich auf dem Marktplatz meiner Heimatstadt Magdeburg Unterschriften gegen den Walfang, gründete ein Greenteam - eine Jugendorganisation von Greenpeace - und säuberte mit ein paar Klassenkameraden Waldgrundstücke von Müll. Damals wollte ich Parkranger in einem der großen Nationalparks der USA werden, am besten Yellowstone oder Grand Canyon. Vielleicht würde man erwarten, dass ich als Autor eines Bärenbuches jetzt schreibe, dass ich Bären schon liebte, als ich fünf war, mit acht bereits alle Bärenparks in Deutschland besucht hatte, mit zwölf in Alaska Bären beim Lachsfischen beobachtet hatte und während meines Biologiestudiums zum Winterschlaf von Schwarzbären in Nordamerika forschte.
So war es jedoch nicht! Zwar studierte ich Biologie, erforschte aber während meiner Bachelorarbeit epiphytische (auf Bäumen wachsende) Orchideen. Meinen Master machte ich im Fach Naturschutz, Ökologie und Evolution und ging dabei der Frage nach, ob Totholz und Kuhdung sinnvolle Alternativbrennstoffe sein könnten, um die Entwaldung in der Nordost-Mongolei aufzuhalten.
Die Natur ist so vielfältig und interessiert mich schon immer. Tiere faszinieren mich ebenso wie Pflanzen und vor allem ihre komplexen Wechselbeziehungen, über die sie miteinander in Verbindung stehen. Manchmal wäre ich gern ein naturwissenschaftlicher Universalgelehrter wie Alexander von Humboldt oder wie einige der Biologieprofessoren, bei denen ich Vorlesungen hörte. Meine Freunde und Familie denken, ich wäre den ganzen Tag draußen und würde mich auf die Spuren von imposanten Vierbeinern begeben. Schön wäre das, denke ich, aber die Realität sieht meistens anders aus. Ich greife häufiger zum Telefon als zum Fernglas.
Seit einiger Zeit arbeite ich für die Internationale Naturschutzstiftung des NABU und darf Projekte zum Erhalt seltener Arten und ihrer Lebensräume koordinieren. Ob in den Bergnebelwäldern Äthiopiens oder in den Feuchtgebieten Ruandas: Weltweit setzt sich die Stiftung für Mensch und Natur ein. Davor leitete ich acht Jahre lang das Wildtierprogramm des WWF Deutschland. In den Projekten begleitete ich die Rückkehr von Wolf, Luchs, Bär, Elch und Wisent nach Deutschland und Europa.
Die Rückkehr von Raubtieren, die lange Zeit hierzulande als ausgestorben galten, wirft viel mehr gesellschaftliche als ökologische Fragen auf. Wie können wir Schafe, Ziegen und Rinder vor Übergriffen durch Wölfe schützen? Frisst der Luchs die letzten Rehe des Bayerischen Waldes und haben die dortigen Jäger dann gar nichts mehr zu schießen? Welche Gefahr geht von Wölfen aus, die auch tagsüber in Siedlungen gesichtet werden? Kann ich in den Gebirgen Süddeutschlands noch angstfrei spazieren gehen, wenn dort jetzt immer wieder Bären gesichtet werden? Müssen Waldkindergärten geschlossen werden, wenn sich ein neues Wolfsrudel in der Gegend etabliert hat? Wie viele Wölfe brauchen wir überhaupt? Und bedeutet die Rückkehr der großen Beutegreifer nicht gar das Ende des christlichen Alpenlandes?
Wir sprechen von Mensch-Wildtier-Konflikten, die jetzt vermehrt auftreten, doch häufig sind dies nicht Konflikte zwischen Menschen und Tieren, sondern Meinungsverschiedenheiten zwischen Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen, die sich hervorragend auf Bär, Wolf und Co. projizieren lassen.
Es war kühl an diesem Morgen, und ich lief zuerst die Straße entlang, die zu unserer Unterkunft - einer urigen Hütte auf einem Hügel, umgeben von lichten Wäldern - führte. Ich querte eine Hauptstraße und bog auf der anderen Seite auf eine Forststraße ab, als ich auf einmal ein kleines Fellknäuel ungefähr 30 Meter vor mir liegen sah. Oh, ein Fuchs, dachte ich, der ist ja ganz entspannt und liegt da einfach herum. Ich ging etwas näher und realisierte: Oh, kein Fuchs, sondern ein Bär!
Da vorne lag tatsächlich ein Bärenjunges. Sofort begann es in meinem Kopf zu rattern. Wenn dort vorne ein Bärenjunges liegt, ist die Mutter mit Sicherheit nicht weit weg. Ich bekam keine Panik, aber meine Sinne waren schlagartig aktiv, und ich fühlte mich sehr lebendig.
Ich kannte dieses Gefühl von früher. Als ich mit neun Jahren die alte Praktica-Spiegelreflexkamera meiner Mutter geschenkt bekam und meine Leidenschaft für die Fotografie entdeckte, verbrachte ich viel Zeit in stillgelegten Fabrikhallen, um die Ruhe, die ich dort vorfand, auf Silberhalogenid und Gelatine zu bannen. Heute spricht man von »lost places«. Damals, vor über 25 Jahren, gab es sie auch schon, diese verlassenen Fabrikhallen, in denen die Zeit stillzustehen schien. Ich schlich allein durch die Räume auf der Suche nach Stillleben, Lichtspielen, zeitlosen Objekten, Symmetrie, Licht und Schatten. Meine Sinne waren so wach und ich mit mir selbst so im Reinen, dass ich das Gefühl hatte, die Unendlichkeit spüren zu können.
So ähnlich fühlte ich mich jetzt also auch, als ich das Bärenjunge erkannte und unmittelbar realisierte, dass dies eine sehr gefährliche Situation sein könnte. Meine eigene Endlichkeit stand mir sehr deutlich vor Augen.
Ich schaute mich um, doch weit und breit war keine Bärenmutter in Sicht. Der junge Bär bewegte sich nur wenig, und ich war zugegebenermaßen etwas ratlos und wusste...
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