Schweitzer Fachinformationen
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Schulsozialarbeit hat sich, 50 Jahre nach der Einrichtung erster Stellen, in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem zentralen Handlungsfeld der Sozialen Arbeit entwickelt. Alle Bundesländer verfügen inzwischen über Stellen unterschiedlicher Bezeichnungen in überwiegend kommunaler und Landesträgerschaft für die Schulsozialarbeit oder Soziale Arbeit in Schulen. Oft werden diese Stellen immer wieder über spezifische Förderprogramme finanziert. Damit einhergehend sind umfassende Professionalisierungsprozesse sichtbar. Dies betrifft u.?a. eine breite konzeptionelle Ausdifferenzierung im Hinblick auf die Aufgaben, Zuständigkeitsbereiche und Themen von Schulsozialarbeit. Gerade in der Abgrenzung gegenüber Schule und Schulpädagogik - als die größere, auch mächtigere institutionelle Akteurin - wurden umfangreiche Bemühungen angestellt, Schulsozialarbeit professionell zu etablieren. Auch die Forschungslandschaft zu Schulsozialarbeit hat deutlich an Dynamik und thematischer Vielfalt gewonnen, worauf eine ganze Reihe von Sammelbänden hinweisen, in denen empirische Ergebnisse zum Handlungsfeld gebündelt wurden (u.?a. Speck/Olk 2010; Zipperle/Baur 2023). Mit anderen Worten: Schulsozialarbeit ist - so könnte man meinen - eben nicht mehr der »Gast in einem fremden Haus«, wie Florian Baier in seiner wegweisenden Studie 2007 noch provokant formulierte (Baier 2007).
Gleichzeitig stellen wir fest, wenn wir den Blick auf die Praxis richten, dass die vermeintlich gut begründete konzeptionelle Klärung vieler Fragen des Handlungsfeldes immer wieder brüchig erscheint. Aufgaben, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten sind - man reibt sich fast die Augen - dann eben doch konzeptionell nicht so festgezurrt, wie dies angesichts der erwähnten konzeptionell-programmatischen Arbeit erwartet werden könnte. Die Praxis bildet somit immer etwas anderes ab, als Theorie lehrt und lehren kann. Letztlich lieferte diese Feststellung den Anstoß für das Konzept des vorliegenden Lehrbuches, nämlich konzeptionelle Überlegungen systematisch der erfahrbaren und erlebten Praxis gegenüberzustellen und sie vor diesem Hintergrund zu diskutieren. Wir nehmen damit einen »rekonstruktiven« Blick ein. Das heißt, wir geben Anregungen, die Ereignisse in der Praxis der Schulsozialarbeit im Interview oder in Beobachtungen nachzuvollziehen und sich über die Bedeutungen, die dahinter zu entdecken sind, zu verständigen. Aus der Praxis lernen wir so etwas über die zentralen Themen, Methoden und Herausforderungen in der Schulsozialarbeit.
Deshalb freuen wir uns als Autor*innen dieses vorliegenden Lehrbuchs zunächst sehr, dass Sie - als Studierende, Praktiker*innen, Lehrende - Interesse an diesem wichtigen und anspruchsvollen Handlungsfeld haben.
Da wir, die Autor*innen, selbst aus der Praxis der Schulsozialarbeit kommen, bevor wir in die Lehre und Forschung wechselten, wollen wir dieses Buch mit einer Unterhaltung zwischen uns dreien beginnen, in der wir diese Erfahrungen reflektieren:
Johannes Kloha: Ich weiß nicht, wie es Euch ging. Ich empfand die Arbeit in der Schule als äußerst spannend und intensiv. In keinem anderen Handlungsfeld, in dem ich gearbeitet habe, war ich im Alltag so nah an den Menschen dran, für die ich mich zuständig fühlte. Das war sehr schön, man konnte Entwicklungen mitbekommen, auch kleine Schritte, weil man sich ja fast täglich über den Weg lief. Das betraf auch die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften oder zumindest mit einem Teil von ihnen. Man hatte wirklich kurze Wege, konnte schnell Eindrücke austauschen.
Anja Reinecke-Terner: Mir hat die Tätigkeit als Schulsozialarbeiterin auch wirklich großen Spaß gemacht, es gab so viele vielfältige Möglichkeiten, mit und für Schüler*innen kreativ und gestaltend tätig zu sein. Sei es in speziellen Projekten, bei den Settings des Sozialen Lernens im Klassenkontext, bei der räumlichen Gestaltung der Freizeitbereiche usw. In diesen Erlebnissen baute sich immer wieder Beziehung auf und verfestigte sich. Eine gute Grundlage für die Beratung.
Kathrin Aghamiri: Was mich immer beeindruckt und auch motiviert hat, war die Zusammenarbeit mit den Kindern. Es ging da auch gar nicht immer um »große« Themen. Allein, dass die schulbezogene Jugendhilfe ein Ort war, an dem man quatschen konnte, mal in den Arm genommen wurde oder die Sozialarbeiterinnen zugehört haben, was so passiert ist am Tag oder zu Hause, hat oft für gute, entspannte Stimmung gesorgt. Ich fand es in diesem Sinn auch immer ein »dankbares« Handlungsfeld.
Anja: Und ja, so wie du es gesagt hast, Kathrin, die Zusammenarbeit und »Arbeits«beziehung mit Kindern und Jugendlichen hat ja immer auch durch den oftmals auch sehr komplexen und belastenden Alltag getragen. Insbesondere ging es mir so, wenn ich Schulleitungen hatte (und ich hatte in den Jahren vier verschiedene Vorgesetzte), die mich eben nicht mein Handlungsfeld so gestalten ließen, wie ich es für professionell richtig erachtete, sondern mir mitunter sehr unreflektierte Handlungsanweisungen gaben und meinen Auftrag nicht mal richtig kannten. Dabei die Perspektiven und Bedarfe der Kinder und Jugendlichen im Blick zu behalten, war immer auch herausfordernd. Wahrscheinlich war das auch der Motor, um später auf die »Theorieseite« zu wechseln. Zum Glück hatte ich aber auch zwei Schulleiter*innen, die den Möglichkeitsrahmen der Schulsozialarbeit und ihren lebensweltorientierten Auftrag in der Schule erkannt und respektiert und mir bei der Umsetzung den Rücken gestärkt haben.
Kathrin: Ja, Anja, da sprichst du mir aus der Seele. Auch ich habe immer wieder erlebt, wie wenig die Schulleitung oder die Lehrkräfte über die Jugendhilfe oder die Soziale Arbeit wussten. Nach dem Motto: »Was fehlt eigentlich noch zur Heimeinweisung?« Ich sah mich auch des Öfteren mit ziemlich technokratischen Vorstellungen von Pädagogik konfrontiert. In den Klassenseminaren zum Sozialen Lernen haben wir diese Vorstellungen manchmal ja sogar bedient. Indem wir diese Klassenaktionen z.?B. »Sozialtrainings« genannt haben. Dabei weiß eigentlich jede Sozialarbeiterin, dass Kids Konflikte nicht besser lösen, weil sie gemeinsam über Teppichfliesen balanciert sind. Entscheidend ist, was z.?B. zwischen solchen Übungen möglich wird. Dass es mehr Freiräume gibt für eigene Themen und Begegnung und Spaß. Diese Möglichkeiten einer lebensweltorientierten Perspektive waren leichter zu vermitteln, wenn man auch mal was zusammen mit den Lehrkräften in diesem Bereich gemacht hat.
Johannes: Da kann ich mit meinen eigenen Erfahrungen gut anschließen. Neben all den Handlungsräumen, die sich für mich gerade durch den unmittelbaren Kontakt mit Schüler*innen eröffneten, gab es immer wieder Momente, in denen es sehr anstrengend war. Und das lag meistens nicht an den - sicherlich auch immer kräftezehrenden - Interaktionen mit den Kids, sondern insbesondere an den immer wieder aufs Neue zu tätigenden Aushandlungen mit Schulleitung, Lehrkräften und - in meinem Fall - dem freien Träger, bei dem ich formell angestellt war. Immer wieder stellte sich die Frage: Ist das jetzt meine Aufgabe, ist sie das nicht und wenn nicht, wie positioniere ich mich, um mir dennoch die Kooperationsbereitschaft von Lehrkräften zu erhalten. Ich habe erst gemerkt, wie anstrengend das ist, als ich nicht mehr als Schulsozialarbeiter arbeitete. Im neuen Arbeitsumfeld, das vorwiegend ebenfalls aus Sozialarbeiter*innen bestand, musste ich mich bezüglich meiner Zuständigkeiten plötzlich nicht mehr permanent erklären. Das war sehr erleichternd.
Anja: Ja genau, diese strategische Arbeit ist wirklich sehr kräftezehrend und wir brauchten einen langen Atem, nach einigen Jahren und auch nach vielen Absagen in Bezug auf mandatswidrige Vorstellungen an uns hatte sich auch sichtbar etwas verändert. Letztlich bleibt es aber ein ständiger Prozess und ist nie »fertig«. Entscheidend war deshalb die Reflexion dessen, was wir selbst dort eigentlich tun. Zum Glück gab es, zumindest anteilig, Supervision und innerhalb der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit den Austausch, den es brauchte und der uns alle gestärkt hat. Diese kollegialen Netzwerke sind es doch, die die Schulsozialarbeit fachlich voranbringen, auch politisch, wenn wir an die Rolle der Gewerkschaften denken. Wissenschaft, Fortbildung und auch Lehre vor der Praxis im Studium können immer wieder »nur« Vorschläge zur Reflexion der Fachlichkeit anbieten. Deshalb finde ich es ja auch so schön, dass wir drei jetzt aus dieser Perspektive weiterhin eng mit der Praxis zu tun haben und diese empirischen Ergebnisse hiermit wieder an die Praxis und auch an angehende Praktiker*innen im Studium zurückgeben können.
Wenn wir nun also unsere eigenen Praxiserfahrungen anschauen und diese systematisieren, zeigt sich ein Handlungsfeld, das einerseits vielfältige und relevante Handlungsmöglichkeiten bietet und andererseits voller institutioneller Spannungen, Missverständnisse und Konflikte steckt, aus denen sich eine permanente Notwendigkeit zur Aushandlung und Absicherung des eigenen Handlungsspielraums ergibt. Diesen...
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