1 Infektiologie
1.1 Infektionen: Überblick
Infektionen nach der Neugeborenenperiode umfassen:
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virale Krankheiten
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bakterielle Krankheiten
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Pilzinfektionen
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Parasitosen.
Dabei ist die häufigste Infektionskrankheit die akute (virale) Infektion der Atemwege. Impfungen sind die wirksamste Maßnahme zur Prävention von Infektionserkrankungen.
1.2 Sepsis
S. Meyer
Definition:
Bei einer Sepsis kommt es infolge einer fehlregulierten systemischen Reaktion des Organismus auf eine Infektion durch Bakterien, Viren, Pilze oder Protozoen zu einer lebensbedrohlichen Organdysfunktion.
Da der bei Erwachsenen gebräuchliche Sequential-Organ-Failure-Assessment (SOFA)-Score für das Kindesalter nicht validiert ist, wird die Sepsis beim Kind im Normalfall definiert durch das Vorliegen eines SIRS bei klinischem, radiologischem, laborchemischem und/oder mikrobiologischem Nachweis einer Infektion.
Definition:
Das SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome) ist eine inflammatorische systemische Abwehrreaktion des Organismus unterschiedlicher Genese, die beim Kind (jenseits der Neonatalperiode) durch das Vorliegen folgender Kriterien definiert ist:
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Körpertemperatur > 38,5°C oder < 36,0°C
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Herzfrequenz > 2 Standardabweichungen über- oder unterhalb der Altersnorm für mehr als ½ Stunde
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Atemfrequenz > 2 Standardabweichungen überhalb der Altersnorm oder akute Notwendigkeit einer (noninvasiven) Beatmung
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Leukozytenzahl über- oder unterhalb der Altersnorm oder > 10% unreife Neutrophile.
Für die Diagnose eines SIRS im Kindesalter müssen mindestens 2 der 4 Kriterien erfüllt sein und mindestens eines davon muss die Körpertemperatur oder die Leukozytenzahl betreffen.
Die SIRS-Kriterien können auch ohne Vorliegen einer Sepsis erfüllt sein, z.B. beim Kawasaki-Syndrom.
1.2.1 Epidemiologie
Im Kindesalter treten die meisten Fälle bei Früh- und Neugeborenen sowie Säuglingen auf. Insgesamt hat die Inzidenz der Sepsis in den letzten Jahrzehnten zugenommen. In Industriestaaten variiert die Mortalität der Sepsis zwischen 2,5% und 17,5%.
1.2.2 Ätiologie
Eine Sepsis wird am häufigsten durch Bakterien, seltener durch Viren, Pilze oder Protozoen ausgelöst.
Bei Neugeborenen stammen die Erreger einer Early-Onset-Sepsis normalerweise aus der Vaginalflora der Mutter. Bei reifen Neugeborenen sind dies am häufigsten Streptokokken der Gruppe B. Die häufigsten Auslöser einer bakteriellen Sepsis jenseits der Neonatalperiode sind Pneumokokken, Staphylokokken, Meningokokken, Streptokokken der Gruppe A und E. coli.
Koagulasenegative Staphylokokken, Enterokokken und multiresistente gramnegative Bakterien sind zunehmend Ursache nosokomialer Infektionen. Auch die Zahl der Patienten mit einer Sepsis durch Candida albicans nimmt zu.
Bei Patienten ohne disponierende Grunderkrankung findet sich oft eine Eintrittspforte oder ein Infektfokus. Bei Neugeborenen, jungen Säuglingen und Patienten mit Neutropenie oder Immunsuppression lässt sich oft kein Fokus nachweisen.
Tab. 1.1 Häufige Erreger in Beziehung zur Eintrittspforte bei einer Sepsis Eintrittspforte
typische Erreger
Atemwege, Lunge
Streptococcus pneumoniae
Haemophilus influenzae
Neisseria meningitidis
Enterobacterales (selten)
ableitende Harnwege, Niere
E. coli
Enterokokken
Darm (oft mehrere Erreger beteiligt)
E. coli
Salmonella
Klebsiella
Enterobacter
Proteus
Pseudomonas aeruginosa
Bacteroides
Haut, Weichteilgewebe, Wunden
Staphylococcus aureus
Streptokokken der Gruppe A
Pseudomonas aeruginosa (häufig bei Verbrennungen)
Gefäßkatheter
koagulasenegative Staphylokokken
Staphylococcus aureus
Candida
Praxistipp:
Achte bei Neugeborenen auf den Nabel. Eine großflächige periumbilikale Rötung weist auf eine Infektion hin. Diese muss systemisch antibiotisch behandelt werden, da sonst die Gefahr einer Neugeborenensepsis besteht.
1.2.3 Pathogenese
Die wesentlichen pathogenetischen Faktoren der Sepsis sind:
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die Erregerart
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der Patient, vor allem bei Vorliegen einer Grunderkrankung
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invasive diagnostische und therapeutische Maßnahmen.
Endo- und Exotoxine der Bakterien bedingen die Produktion diverser Entzündungsmediatoren. Deren Einfluss auf die Zellmembranen, die Aktivierung der Leukozyten und der humoralen Abwehrsysteme führt zu den typischen Veränderungen des septischen Schocks:
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Abnahme des peripheren Gefäßtonus
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Zunahme der Gefäßpermeabilität durch Schädigung des Endothels Flüssigkeitsverschiebung in das Interstitium
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Störung der peripheren Perfusion gestörte Sauerstoffaufnahme und peripheres Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch (Sauerstoffutilisation) anaerober Stoffwechsel mit Entwicklung einer Laktatazidose
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Gerinnungsstörung im Sinne einer disseminierten intravasalen Gerinnung.
Hierdurch kommt es zu einer Verschiebung des zirkulierenden Blutvolumens mit Zunahme des venösen Blutvolumens und Flüssigkeitsabstrom ins Interstitium. Es resultiert ein distributiver Schock. Zunächst wird durch Steigerung des Herzzeitvolumens versucht, die Störung der Blutverteilung zu kompensieren und eine ausreichende Organperfusion zu gewährleisten (hyperdynamischer Schock bzw. "warme Phase"). Mit Fortschreiten der Sepsis ist häufig jedoch auch die Myokardfunktion eingeschränkt. Das Schlagvolumen des Herzens nimmt ab, oft steigt dann der peripher-vaskuläre Widerstand an. Daraus resultiert eine Abnahme des Herzzeitvolumens (hypodynamischer Schock bzw. "kalte Phase"). Der Druck in den Pulmonalarterien nimmt durch Gefäßverschlüsse, Mikrothromben in den Lungenkapillaren und Vasokonstriktion meist zu. Besteht die ungenügende Sauerstoffversorgung der Organe weiter, kann der septische Schock in ein Multiorganversagen fortschreiten mit Atemnotsyndrom, Nieren- und Leberversagen, hypoxischer Schädigung von intestinalen Organen sowie des Zentralnervensystems (ZNS).
1.2.4 Einteilung
Die Neugeborenensepsis wird unterteilt in:
1.2.5 Symptomatik
Die Symptomatik ist abhängig vom Alter des Kindes. Weitere Einflussfaktoren auf die Symptomatik sind der oder die Erreger, der Verlauf und das Stadium der Sepsis bzw. die Phase des Schocks.
Hauptsymptome sind Fieber, häufig mit Schüttelfrost, Tachykardie und arterieller Hypotension.
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