1 Diagnostik und Therapie
1.1 Diagnostik: Grundlagen
1.1.1 Anamnese
Wichtige Fragen betreffen Art, Lokalisation und Auslöser von Schmerzen. Daneben muss auch der Beschwerdebeginn und das Ausmaß der Funktionseinschränkung erfragt werden.
Informationen zum Unfallgeschehen geben wichtige Hinweise auf mögliche Verletzungen. Diese sollten daher ebenfalls dokumentiert werden - auch, da sie ggf. versicherungsrechtliche oder forensische Konsequenzen haben könnten.
Zudem ist in jedem Fall die Erhebung einer allgemeinen Anamnese erforderlich.
1.1.2 Körperliche Untersuchung
Inspektion und Palpation: Insbesondere nach einem Trauma muss bei der Palpation der Knochen auf eine pathologische Beweglichkeit und Stufenbildung geachtet werden, bei der Untersuchung von Sehnen auf ein hörbares Schnappen.
Merke:
Insbesondere bei Frakturen oder Luxationen müssen stets die (periphere) Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) geprüft und dokumentiert werden!
Funktionsprüfung und Neutral-Null-Methode: Die gelenkspezifische Funktionsprüfung besteht aus Untersuchung auf pathologische Beweglichkeit, Reibegeräusche oder Ergüsse.
Erfassung und Dokumentation des aktiven und passiven Bewegungsumfanges für jedes einzelne Gelenk erfolgen nach der Neutral-Null-Methode.
Neurologische Untersuchung: Insbesondere, wenn im Rahmen der Untersuchung neurologische Auffälligkeiten festgestellt werden, muss der neurologische Status erhoben werden. Darüber hinaus sollte dieser orientierend bei jeder orthopädisch-unfallchirurgischen Untersuchung berücksichtigt werden.
Geprüft werden Motorik, Sensibilität, Reflexe und Koordination. Bei Kindern wird zudem der motorische Entwicklungsgrad begutachtet.
1.1.3 Bildgebende Diagnostik: Überblick
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? Knochen und Gelenke: v.a. Röntgen, ergänzt durch CT und MRT, bei speziellen Fragestellungen auch Sonografie und Szintigrafie, bei Gelenken ggf. auch Arthroskopie
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? Wirbelsäule: v.a. Röntgen, CT, MRT und Szintigrafie
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Weichteile: v.a. Sonografie und MRT, bei speziellen Fragestellungen auch CT.
1.1.4 Gelenkpunktion
Diagnostische Gelenkpunktion:
Definition:
Die Untersuchung des Gelenkpunktats wird als Synoviaanalyse bezeichnet. Sie liefert wichtige Informationen für die differenzialdiagnostische Einordnung eines Gelenkergusses.
Farbe und Zusammensetzung des Punktats geben bereits erste Hinweise auf die Ergussursache, z.B. gelblich trüb bei bakterieller Arthritis, bernsteinfarben bei Reizerguss, blutig nach Trauma. Darüber hinaus kann die Synovialflüssigkeit bakteriologisch und zytologisch untersucht werden. Bei einer akuten Gichtarthritis z.B. findet sich eine hohe Anzahl an Leukozyten.
Therapeutische Gelenkpunktion: wird z.B. zur Schmerzreduktion oder Verbesserung der Durchblutung durchgeführt. Auch zur Entfernung von Hämatomen oder zur Injektion von Medikamenten.
Vorsicht:
Bei intraartikulärer Manipulation ist wegen der Gefahr einer iatrogenen Infektion stets auf streng sterile Punktions- bzw. Injektionsbedingungen zu achten.
Zugänge:
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Hüftgelenk: ventral ca. 1-2 cm distal des Mittelpunkts zwischen der Linie von Symphyse und Spina iliaca anterior superior
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Kniegelenk: seitlich der tastbaren Patella
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Sprunggelenk: ventral medial des Proc. malleolus lateralis
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Schultergelenk: ventral unterhalb des Proc. coracoideus oder lateral unterhalb des Akromions
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Ellenbogengelenk: in Beugung radial beugeseitig des Radiusköpfchens
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Handgelenk: streckseitig distal des Radioulnargelenks.
1.1.5 Arthroskopie (ASK)
Arthroskopie
Synonym: Gelenkspiegelung
Definition:
endoskopische Untersuchung des Gelenkinnenraums, bei der gleichzeitig die Option der therapeutischen Intervention gegeben ist.
Vor allem Knie- und Schultergelenk, aber auch Ellbogen-, Sprung-, Hand- und Hüftgelenk werden arthroskopisch beurteilt bzw. behandelt.
Indikationen: Primäres Einsatzgebiet der Arthroskopie ist die minimalinvasive Therapie von Gelenkerkrankungen und -verletzungen. Als ausschließlich diagnostisches Verfahren ist die Arthroskopie inzwischen obsolet und wurde größtenteils vom MRT abgelöst.
IMPP-Fakten
! Bei einer akuten Gichtarthritis finden sich sehr hohe Leukozytenzahlen im Gelenkpunktat.
1.2 Bildgebende Diagnostik der Knochen und Gelenke
1.2.1 Konventionelles Röntgen
Röntgenaufnahmen des Skeletts werden in der Regel in 2 senkrecht aufeinanderstehenden Ebenen durchgeführt. Aufnahmen in nur einer Ebene sind Ausnahmen. Ergänzend können weitere Aufnahmen, z.B. unter Belastung oder Funktionsaufnahmen, erforderlich sein.
Merke:
Bei Frakturverdacht müssen Röntgenbilder immer die angrenzenden proximalen und distalen Gelenke einschließen!
Praxistipp:
Achte bei Kindern auch immer auf eine mögliche Beteiligung der Epiphysenfuge sowie bei Z.n. Prothesenimplantation auch auf periprothetische Frakturen!
Tab. Beurteilung des Knochens in der Projektionsradiografie
Struktur
Kriterien
Kompakta, Kortikalis
glatt begrenzt, normale Dicke und Dichte, keine Konturunterbrechung
Spongiosa
Struktur und Ausrichtung sowie Anzahl und Dicke der Trabekel, keine Defekte
Gelenkflächen
glatt begrenzt, kongruent, keine Konturunterbrechung
Weichteilstrukturen
regelrechte Dichte, keine Verlagerung der Fettlinien, Verkalkungen
(Quelle: Reiser, Kuhn, Debus, Duale Reihe Radiologie, Thieme, 2017)
1.2.2 Computertomografie (CT)
In der CT werden Knochen durch die hohe Auflösung detailliert und zudem überlagerungsfrei abgebildet. Zudem können die umgebenden Weichteile dargestellt werden. 3-D-Rekonstruktionen sind insbesondere präoperativ zur Planung des operativen Vorgehens hilfreich.
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