1 Diagnostik und Pharmaka
1.1 Hämatologische Diagnostik
M. Witzens-Harig
1.1.1 Blutbild
Großes und kleines Blutbild: Ein erster Schritt zur Diagnose hämatologischer Erkrankungen ist die Anfertigung eines kleinen Blutbilds. Dieses gibt Aufschluss über
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Anzahl der Erythro-, Leuko- und Thrombozyten
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Hämoglobinkonzentration (Hb)
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Hämatokrit (Hkt)
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Erythrozytenindizes: MCV, MCH, MCHC.
Merke:
Erythrozytenindizes
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MCH: mittlerer korpuskulärer Hämoglobingehalt (durchschnittliche Menge an Hämoglobin in einem Erythrozyten)
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MCV: mittleres korpuskuläres Volumen (das durchschnittliche Volumen eines Erythrozyten)
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MCHC: mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (durchschnittliche Hämoglobinkonzentration in allen Erythrozyten)
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Die Erythrozytenverteilungsbreite (EVB), auch Red Blood Cell Distribution Width (RDW) genannt, ist ein Maß für die Volumenunterschiede der Erythrozyten und wird in Prozent angegeben. Der Wert korreliert mit dem unterschiedlichen Durchmesser der Erythrozyten bei Anisozytose.
Zum großen Blutbild gehört zusätzlich das Differenzialblutbild. Es enthält eine Aufschlüsselung der verschiedenen Leukozytenpopulationen und Reifungsstadien der Blutzellen.
Tab. Blutbild (Normwerte)
Parameter
Einheit
kleines Blutbild
Leukozyten
4000-11000/µl
Thrombozyten
140000-345000/µl
Erythrozyten
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Männer: 4,5-5,9 Mio./µl
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Frauen: 4,1-5,1 Mio./µl
Hämoglobin
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Männer: 14-17 g/dl
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Frauen: 12-15,5 g/dl
Hämatokrit
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Männer: 41-50%
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Frauen: 37-46%
Erythrozytenindizes
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MCV: 77-99 fl
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MCH: 28-34 pg
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MCHC: 32-36 g/dl
Differenzialblutbild*
neutrophile Granulozyten
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segmentkernige: 50-70%
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stabkernige: = 5%
eosinophile Granulozyten
= 5%
basophile Granulozyten
= 2%
Monozyten
2-6%
Lymphozyten
25-45%
Retikulozyten
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Männer: 0,8-2,5%
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Frauen: 0,8-4,1%
MCV: mittleres korpuskuläres Volumen, MCH: mittlerer korpuskulärer Hämoglobingehalt, MCHC: mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration
* Differenzialblutbild + kleines Blutbild = großes Blutbild
Indikationen: Das kleine Blutbild wird routinemäßig im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen angefertigt. Weitere Indikationen sind:
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V.a. Veränderung einer oder mehrerer Zellreihen (z.B. klinisch bei Anämie, Infektions- und/oder Gerinnungsneigung)
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Diagnostik und Therapiekontrolle bei Anämie und Polyzythämie
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Verlaufskontrolle bei hämatologischen Bluterkrankungen
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Diagnostik von Störungen des Wasserhaushalts (Hämatokrit)
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Verlaufsdiagnostik bei Entzündungsprozessen (Leukozytenzahlen)
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Ein Differenzialblutbild wird bei Auffälligkeiten im kleinen Blutbild angefertigt.
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Verlaufskontrollen unter Therapie, z.B. Chemotherapien.
Bewertung: Nachkontrollen sind bis zu 24 Stunden nach der Entnahme des Blutes - bedingt - möglich:
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Die Richtigkeit der automatisierten Zelldifferenzierung ist bis zu 24 Stunden stabil.
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Die Feinmorphologie der Leukozyten bei der Mikroskopie verändert sich nach etwa 2 h.
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Mittleres Thrombozytenvolumen (MPV), mittleres Erythrozytenvolumen (MCV) und Verteilungsbreite der Erythrozyten (RDW) steigen nach etwa 2 Stunden an.
Definition:
Liegt ein Mangel aller drei Blutzellreihen vor, spricht man von einer Panzytopenie. Sie kann bei malignen Erkrankungen (z.B. akuter Leukämie, myelodysplastischem Syndrom), Infektionen bzw. Sepsis, aplastischer Anämie, Hyperspleniesyndrom sowie genetisch, medikamentös oder toxisch bedingten Knochenmarkstörungen auftreten.
1.1.2 Blutausstrich
Indikation: Im Blutausstrich lassen sich morphologische und quantitative Veränderungen der Blutzellen sicher erkennen. Indikationen sind:
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qualitative Veränderungen von Thrombozyten, Erythrozyten oder Leukozyten (z.B. Neoplasien, Thalassämien, thrombotische Mikroangiopathien)
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Diagnostik parasitärer...