1 Grundlagen
1.1 Anatomie und Physiologie
1.1.1 Aufbau des Auges
Die Augen werden von den knöchern begrenzten Augenhöhlen, den Orbitae, umgeben und außerdem von den Augenlidern (Palpebrae) und dem Tränenapparat geschützt. Der Augapfel (Bulbus) besitzt drei Häute:
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äußere Augenhaut: Lederhaut (= Sklera; weiß und undurchsichtig) und Hornhaut (= Kornea; transparent)
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mittlere Augenhaut: Gefäßhaut (Uvea), bestehend aus Aderhaut (Choroidea), Iris (Regenbogenhaut) und Ziliarkörper
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innere Augenhaut: Netzhaut (Retina).
Außerdem gibt es noch die Bindehaut (Konjunktiva), die den Augapfel mit den Augenlidern verbindet.
Zwischen Linse und Netzhaut liegt der Glaskörper (Corpus vitreum), der die Form des Bulbus aufrechterhält. Im vorderen Augenabschnitt findet man die vordere und hintere Augenkammer, die mit Kammerwasser gefüllt sind.
Funktionell unterscheidet man den lichtbrechenden Apparat und die Netzhaut, welche das projizierte, reelle Bild in elektrische Impulse umwandelt.
Bulbus oculi
Abb. 1.1 In der Abbildung sind die beiden Augenkammern, die durch die Iris getrennt werden, gut zu erkennen. Die Linsenkapsel ist in der hinteren Augenkammer an den sog. Zonulafasern aufgehängt, welche in den Ziliarmuskel übergehen. Der Glaskörper (Corpus vitreum) füllt den kompletten Raum zwischen Linse und Netzhaut aus und ist ein wichtiger Teil der lichtbrechenden Strukturen. Im hinteren Teil des Bulbus sind die verschiedenen Häute angedeutet.
(Quelle: Bommas-Ebert, Teubner, Voß, Kurzlehrbuch Anatomie, Thieme, 2011)
1.1.2 Papille und Sehnerv
An der Papille vereinigen sich die Axone der Ganglienzellen zum N. opticus (Sehnerv). Die Fasern der Makula befinden sich dabei im Zentrum des Nervs. An der Papille selbst befinden sich keine Photorezeptoren. Dadurch erscheint in der Perimetrie bei ca. 11-12° ein "blinder Fleck" temporal des Zentrums des Gesichtsfelds.
Die Papille erscheint gelblich rosa, scharf begrenzt (evtl. nasal etwas verschwommen) und senkrecht oval (Ø ca. 2,7 mm). Die physiologische Exkavation (hellster Teil, kein Nervenfaserdurchtritt, Größenzunahme im Alter) liegt queroval und zentral oder leicht nach temporal verschoben. Im Zentrum treten die Gefäße durch.
1.1.3 Innervation
Motorische Innervation: ? Tab. 1.1 .
Tab. 1.1 Funktionen und Innervation der äußeren Augenmuskeln Innervation
Hauptfunktion
Nebenfunktion
M. obliquus superior
N. trochlearis (N. IV)
Senkung in Adduktion, Einwärtsrollen in Abduktion
Abduktion
M. obliquus inferior
N. oculomotorius (N. III)1
Hebung in Adduktion, Auswärtsrollen in Abduktion
Abduktion
M. rectus inferior
Senkung in Abduktion
Auswärtsrollen und Adduktion
M. rectus superior
Hebung in Abduktion
Einwärtsrollen und Adduktion
M. rectus medialis (internus)
Adduktion
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M. rectus lateralis (externus)
N. abducens (N. VI)
Abduktion
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1 Der N. III innerviert zusätzlich den M. levator palpebrae sowie parasympathisch den M. ciliaris und den M. sphincter pupillae.
Sensible Innervation:
Praxistipp:
Netzhaut, Linse, Glaskörper und Aderhaut sind nicht sensibel innerviert, daher werden Schmerzen bei Affektion dieser Strukturen nur von den benachbarten Gewebsschichten wie der Lederhaut wahrgenommen.
Vegetative Innervation:
1.1.4 Sehbahn
Die Sehbahn beginnt in der Netzhaut, wo sich die ersten 3 Neurone befinden:
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1. Neuron: Zapfen und Stäbchen
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2. Neuron: bipolare Nervenzellen der inneren Körnerschicht
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3. Neuron: Ganglienzellen im Stratum ganglionare.
Die myelinisierten Axone der Ganglienzellen bilden den N. opticus und ziehen als solcher zum Chiasma opticum, wo die nasal gelegenen Fasern zur Gegenseite kreuzen und die temporalen Fasern auf derselben Seite verbleiben. Die Sehbahn verläuft weiter vom Tractus opticus zum Corpus geniculatum laterale (4. Neuron) und von dort über die Sehstrahlung (Radiatio optica) zur primären Sehrinde (Area striata) im Okzipitallappen, wo die Seheindrücke bewusst werden. In der sekundären bzw. höheren Sehrinde werden die visuellen Eindrücke schließlich weiter interpretiert.
Sehbahn
Abb. 1.2
(Quelle: Schünke, Schulte, Schumacher. Prometheus Kopf, Hals und Neuroanatomie. Illustrationen: Voll, Wesker. Thieme, 2022)
Ist die Sehbahn in ihrem Verlauf unterbrochen, resultieren typische Gesichtsfeldausfälle.
1.1.5 Binokularsehen
Definition:
das beidäugige Sehen ermöglicht die dreidimensionale Wahrnehmung von Objekten und ist essenziell für das räumliche Sehen.
Grundvoraussetzung ist ein gesundes Augenpaar, bei dem bestimmte Netzhautbereiche miteinander korrespondieren. Schaut man ein Objekt an, muss sich dieses an den physiologisch identisch befindenden Netzhautstellen beider Augen abbilden, damit es binokular und damit dreidimensional gesehen wird. Die Gesamtheit der Punkte, die bei simultaner Fixierung eines Objektes mit beiden Augen auf korrespondierende Netzhautstellen fallen, bildet eine imaginäre, gebogene Fläche (Horopter) mit dem Fixationspunkt im Zentrum. Es gibt einen gewissen Toleranzbereich für Punkte, die nicht exakt auf dem Horopter liegen. In diesem sogenannten Panum-Bereich werden Objekte trotz Abbildung auf abweichenden Netzhautpunkten noch binokular gesehen. Liegen die Punkte außerhalb dieses Bereichs, kommt es zur Wahrnehmung von Doppelbildern, sofern das visuelle System diese nicht unterdrückt.
Für das Binokularsehen werden drei...