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Gustave Eiffel war wütend, und dies aus gutem Grund. Durch harte Arbeit hatte er sich über viele Jahre einen Namen als Ingenieur und Unternehmer gemacht, der einige der kühnsten Brücken in Frankreich und anderen Ländern Europas erbaute. Doch das alles drohte jetzt durch Verleumdung in ein schiefes Licht zu geraten. Ein Werkstattzeichner, den Eiffel entlassen hatte, erzählte überall herum, sein ehemaliger Patron hieße eigentlich Bönickhausen, sei Deutscher und wahrscheinlich ein Spion im Dienste Bismarcks. Zwar konnte Eiffel, der umgehend Anzeige erstattete, die Dinge vor Gericht richtigstellen und die Verurteilung des Mannes erreichen, aber bei seinen Mitbürgern blieb ein Funken Misstrauen. Das passte in die Zeit. Die meisten Franzosen waren nach der schmachvollen Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 in deutsch-feindlicher Stimmung. Als besonders demütigende Provokation der Sieger hatten die Bürger der Französischen Republik die Ausrufung des Deutschen Reiches ausgerechnet im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles empfunden. Dieser Prachtbau symbolisierte einst Frankreichs führende Position in Europa. Jetzt dagegen mussten die reichen Provinzen Elsass und Lothringen an das Deutsche Reich abgetreten und außerdem fünf Milliarden Goldfrancs als Reparation gezahlt werden - eine Summe, die jenseits des Rheins wesentlich zum Wirtschaftsboom der "Gründerjahre" beitrug.
Es sollten noch Jahre vergehen, bis endlich 1879 vom Pariser Amtsgericht seinem Antrag stattgegeben wurde, statt des Familiennamens Bönickhausen nun auch ganz offiziell und nicht nur gewohnheitsgemäß den Namen Eiffel tragen zu dürfen. Für das Verfahren hatte er sogar etwas Ahnenforschung betrieben. Dies belegen Notizen, die im Eiffel-Archivfonds nachzulesen sind, den die Erben dem Staat überließen und der sich heute im Pariser Orsay-Museum befindet. Das geht auch aus der kurzen Autobiografie hervor, die Eiffel 1923 - nur wenige Monate vor seinem Tod - verfasste. Er schrieb sie selbst auf der Maschine und ließ sie in nur fünf Exemplaren vervielfältigen und binden, um sie mit einer handschriftlichen Widmung versehen seinen fünf Kindern zu schenken.
So wissen wir, dass fünf Generationen zuvor - vermutlich 1710 - der 1680 in Marmagen bei Köln geborene Wilhelm Heinrich Bönickhausen die heimatliche Eifel verließ, um in Paris ein neues Leben zu beginnen. In der Heimat herrschte seit der Besetzung 1681 und der rücksichtslosen Ausplünderung durch die Armee von Ludwig XIV. große Not. In Paris wollte sich der junge Mann möglichst schnell einleben und anpassen, um sich schon bald nicht mehr von einem Franzosen zu unterscheiden. Da sein angeborener Familienname für die neuen Landsleute schwer auszusprechen war, verwendete er ihn möglichst selten und nannte sich in Erinnerung an seine Heimat Eiffel. Während er einen Posten als Forstaufseher fand, gehörten die folgenden drei Generationen der Familie Bönickhausen-Eiffel der Handwerkergilde der Polsterer im Pariser Marais-Viertel an.
Aus dieser Tradition brach erst Gustave Eiffels Vater François-Alexandre Bönickhausen-Eiffel aus. Der wurde in der Zeit der Französischen Revolution am 29. Januar 1795 geboren und trat 1811 mit erst 16 Jahren als Freiwilliger ins Regiment der Husaren von Bercheny ein. Er nahm am Italien-Feldzug des Napoleon-Stiefsohns Eugène de Beauharnais teil und wurde 1814 zweimal leicht verwundet. Danach diente er bei den Rückwärtigen Diensten, die man heute Logistik nennen würde. Nach Napoleons endgültiger Niederlage in Waterloo und der Rückkehr von König Ludwig XVIII. wurde François-Alexandre, der inzwischen Unteroffizier und 20 Jahre alt war, demobilisiert. Ohne Beruf und Einkommen sah er keinen anderen Ausweg, als sich bei der neuen Armee zu bewerben, die gerade aufgestellt wurde. Er hatte Glück und wurde angenommen, allerdings nur im Rang eines einfachen Soldaten. François-Alexandre passte sich an die Bedingungen der Restauration, also der "Wiederherstellung" der Zustände vor der Revolution und vor Napoleon, an. So brauchte er nur zwei Jahre, um wieder jenen Dienstgrad zu erreichen, den er schon in Napoleons Armee getragen hatte.
1823 war François-Alexandre Bönickhausen-Eiffel in Dijon stationiert. Dort lernte er Catherine-Mélanie Moneuse, die Tochter eines Holzgroßhändlers, kennen. Sie war eine junge Frau mit starkem Charakter und jenem Selbstbewusstsein, an dem es ihm fehlte. Sie heirateten Ende 1823 und bezogen in der Nähe der Stadtmauer ein kleines Haus, das der Familie der Frau gehörte. François-Alexandre quittierte zwei Jahre später den aktiven Armeedienst und wurde Sekretär des Militärintendanten von Dijon, den er seit Jahren gut kannte und der für die Versorgung der Truppen zuständig war. Als dieser pensioniert wurde, vermittelte er seinen Sekretär noch auf einen Posten bei der zivilen Präfektur des Departements. François-Alexandre wurde ein geachteter Bürger der Stadt. Man wählte ihn 1831 sogar zum Hauptmann der örtlichen Nationalgarde, einer aus Reservisten gebildeten Bürgerwehr. Die Familie vergrößerte sich bald. Am 15. Dezember 1832 wurde Gustave geboren, am 4. November 1834 dessen Schwester Marie und am 23. März 1836 Laure, die Jüngste der Geschwister.
Inzwischen hatte sich Eiffels resolute und praktisch veranlagte Mutter 1831 nach dem Tod ihres Vaters mit einem Holz- und Kohlengroßhandel im Hafen von Dijon selbstständig gemacht. "Sie hatte nach einer Beschäftigung gesucht, um das bescheidene Einkommen der Familie aufzubessern", erinnerte sich Gustave Eiffel später in seiner Autobiografie. "Da sie einen bemerkenswerten Sinn fürs Geschäftliche hatte, lag es nahe, ein eigenes Unternehmen zu gründen." Dafür erwarb sie vom Staat die Lizenz für die Steinkohlengrube von Epinac, die vor der Revolution der Adelsfamilie Clermont-Tonnerre gehört hatte. Die dort abgebaute Steinkohle wurde über den Canal de Bourgogne transportiert. Dafür ließ die Unternehmerin eine Serie von Schiffen bauen. Die beiden ersten benannte sie nach ihren Kindern Beau-Gustave (Der schöne Gustav) und Petite-Marie (Die kleine Marie). Abnehmer der Kohle waren vor allem die neu entstandenen Eisenhütten und Stahlwerke im benachbarten Departement Haute-Marne, für deren Versorgung die Mutter das Monopol erworben hatte. "Sie richtete im Kanalhafen von Dijon ein großes Lager ein, wo die Kohle zwischengelagert wurde und die Berge in dem Maße zu- oder abnahmen, wie man die Kohle heran- oder weitertransportierte", schrieb Gustave Eiffel 1923 in seiner Autobiografie. "In diesem Lager herrschte eine solche Geschäftigkeit, dass mein Vater bald seinen Posten im Büro der Präfektur aufgab, um seine Zeit nützlicher zu verwenden und meine Mutter im Geschäft zu unterstützen. Ihr beider Arbeitseifer brachte es mit sich, dass sie schon am frühen Morgen das Haus verließen, das wir am Ufer des Kanals bewohnten und in das sie erst bei Einbruch der Nacht zurückkehrten, während sie den ganzen Tag lang das Entladen der Schiffe und das Beladen der Fuhrwerke überwachten." Dank der fortschreitenden industriellen Revolution und dem Talent der Mutter nahm der Umsatz des Familienbetriebs, in dem der Vater nur die Bücher führte, rasch zu.
Was dem Vater an Geschäftssinn fehlte, glich er durch Streben nach Bildung und einer respektablen Stellung in der Gesellschaft aus. Er besaß eine für Kleinbürger ungewöhnlich reiche Bibliothek mit Werken der klassischen Literatur und der Philosophen der Aufklärung, begann noch im fortgeschrittenen Alter Latein zu lernen und trat einer Freimaurerloge bei. Doch die Sehnsucht nach Paris, wo er geboren und groß geworden war, ließ ihn in der Enge der Provinzstadt nicht los. Daher fuhr er mit der Begründung, er müsse seine dort lebende Mutter besuchen, jedes Jahr für einige Tage in die Hauptstadt.
Für Gustave und seine Schwestern hatten die Eltern wenig Zeit, sodass die Kinder vorwiegend bei Pflegemüttern aufwuchsen. Gustave hielt sich auch oft bei seinem Onkel Jean-Baptiste Mollerat auf, der bei der Geburt des Jungen schon 60 Jahre alt war. Er hatte als junger Mann einige Jahre in Amerika verbracht und dort eine Öl-Beize erfunden, mit der man Holz wasserfest imprägnieren konnte. Zurück in der Heimat errichtete er in Pouilly-sur-Saône eine Fabrik und mit der Herstellung und dem Verkauf dieses Anstrichs machte er ein Vermögen. Dieser Onkel, der während der Revolution in Paris mit Robespierre bekannt war und als Augenzeuge dessen öffentliche Hinrichtung unter der Guillotine miterleben musste, übte einen starken Einfluss auf Gustave aus. Er weckte sein Interesse für Chemie und vermittelte ihm auch seine republikanische Gesinnung und den Glauben an die Macht des Fortschritts. So brachte er dem Jungen die "meritokratischen", also die sich einzig auf Leistungen beziehenden Theorien des Frühsozialisten Henri de Saint-Simon, und den Positivismus des religionskritischen Philosophen Auguste Comte nahe. Das war eine völlig andere Welt als die des Vaters, der konservativ und Monarchist war. Aber gemeinsam war den beiden Männern, dass sie nur auf dem Papier Katholiken und in Wirklichkeit Atheisten waren. Diese Haltung gaben sie an Gustave weiter. So empfing er mit zehn Jahren nur der Form halber seine Erstkommunion. Gustave verkehrte auch viel bei einer entfernten Tante, die unweit von Dijon ein Weingut besaß. Dort nahm Gustave oft an der Weinlese, an Dorffesten oder Treibjagden teil. Hier wurde sein Geschmack für Wein und gutes Essen geweckt.
Die Geschäfte der Familie Eiffel liefen gut. Ihr Haus wurde ihnen zu klein und um ihren Erfolg...
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