Kapitel 3
Die Vorsorgevollmacht
Jeder Mensch kann vorübergehend oder auf Dauer die Fähigkeit verlieren, den eigenen Willen zu äußern, Entscheidungen zu treffen und Geschäfte abzuschließen.
Bei älteren Menschen geht die mangelnde Einsichts-, Einwilligungs- und Geschäftsfähigkeit häufig auf Demenz-Erkrankungen zurück. Manchmal wird ein Patient von den Ärzten sogar aus therapeutischen Gründen für einige Wochen in einen Zustand der Bewusstlosigkeit ("künstlicher Tiefschlaf") versetzt, so dass er während dieser Zeit nicht geschäftsfähig ist. Auch jüngere Menschen können durch Unfall, Drogenmissbrauch und psychische Erkrankungen die Geschäftsfähigkeit verlieren.
Es spielt keine Rolle, aus welchen Gründen jemand seine Angelegenheiten nicht mehr regeln und keine Geschäfte mehr betreiben kann: Wer für diesen Fall nicht vorsorgt, kann sich selbst, sein persönliches Umfeld und seine Firma in erhebliche Schwierigkeiten manövrieren. Ein Geschäftsmann, der krankheitsbedingt einige Wochen keine Verträge unterzeichnen kann und nicht dafür gesorgt hat, dass andere für ihn stellvertretend handeln können, geht das Risiko ein, dass seine Firma keine Aufträge annehmen kann, völlig unnötig in Turbulenzen gerät und im schlimmsten Fall Insolvenz anmelden muss.
Angehörige ohne Entscheidungsbefugnis
Auch die Angehörigen stehen häufig vor unlösbaren Problemen, wenn eine Person unfall- oder krankheitsbedingt die eigenen Angelegenheiten nicht mehr regeln kann. Ist die Ehefrau, die sich um finanzielle Dinge nie gekümmert hat, nicht berechtigt, auf die Konten des berufstätigen Ehemanns und "Finanzministers" zuzugreifen, kann sie die Rechnungen nicht bezahlen und keine notwendigen Einkäufe erledigen, weil die Bank ihr konsequent die Möglichkeit verweigert, Geld zu überweisen oder abzuheben. Erst dann, wenn sie vom Betreuungsgericht nach vielen Wochen oder gar Monaten zur Betreuerin bestellt ist, erlangt sie die Möglichkeit, mit dem Geld auf dem Konto des Ehemanns zu wirtschaften.
Wird eine andere Person zum Betreuer bestellt, kann diese der Ehefrau erneut erhebliche Schwierigkeiten machen, zum Beispiel bestimmte Ausgaben verweigern.
Die Angehörigen haben, sofern sie keine Vollmacht und/oder Patientenverfügung vorlegen können, nur eingeschränkten Einfluss auf die medizinische Behandlung eines Unfallopfers oder eines Erkrankten. Zwar können und sollen die Ärzte mit den nahen Verwandten sprechen und sie informieren. Jeder Arzt wird auch zusammen mit den Verwandten nach einer einvernehmlichen Lösung suchen. Doch im Konflikt mit dem Arzt ziehen die Angehörigen immer den Kürzeren. Der Arzt trägt eine große Verantwortung, er kann sich über den Willen der Angehörigen hinwegsetzen und sich für die aus seiner Sicht optimale Therapie entscheiden, solange es niemanden gibt, der die juristisch einwandfreie Befugnis nachweisen kann, dass er stellvertretend für den Patienten Entscheidungen über die medizinische Behandlung oder deren Abbruch treffen kann.
Ähnliches gilt für die Pflege. Die Angehörigen haben nur geringe Möglichkeiten, auf die Art der Pflege Einfluss zu nehmen, wenn sie ohne Vollmacht der pflegebedürftigen Person auftreten. Gegen die heute in zahlreichen Einrichtungen oft aus wirtschaftlichen Gründen praktizierte "08/15-Not-Pflege" können sie letztlich nichts tun, wenn sie nicht ausdrücklich befugt sind, für den Betroffenen Entscheidungen zu treffen, der Einrichtung klare Vorgaben zu machen und über den Aufenthaltsort des Pflegebedürftigen zu bestimmen.
Betreuer und Betroffene
Wenn ein Erwachsener nicht mehr für sich selbst sorgen und Entscheidungen treffen kann oder seine Einsichtsfähigkeit deutlich vermindert ist, bestellt das Betreuungsgericht nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens und einer Anhörung des Betroffenen einen Betreuer. Das sind in etlichen Fällen nahe Verwandte, sofern der Richter zu dem Schluss kommt, dass sie für diese Tätigkeit geeignet sind. Relativ häufig passiert es jedoch, dass eine fremde Person zum Betreuer bestellt wird, insbesondere dann, wenn es keine nahen Verwandten gibt. Ein fremder Betreuer wird häufig auch dann bestellt, wenn die Angehörigen untereinander heillos zerstritten sind. Obwohl die Tätigkeit professioneller und ehrenamtlicher Betreuer durch die gesetzlichen Vorgaben immer klarer geregelt wurde, kann niemand sicher sein, dass er als individuelle Person von einem Fremden exakt so betreut wird, wie er es sich bei vollem Bewusstsein gewünscht hätte.
Es ist deshalb für Sie von großem Vorteil, wenn Sie rechtzeitig dafür sorgen, dass eine Person Ihres Vertrauens ab dem Zeitpunkt, zu dem Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen können, stellvertretend für Sie handeln kann und nach Ihren Vorgaben all das tut, was Sie im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte als richtig und gut festgelegt haben. Rechtzeitig heißt: bevor Sie betreuungsbedürftig geworden sind. Denn sobald der Amtsarzt festgestellt hat, dass Sie betreuungsbedürftig sind, können Sie einer Person Ihres Vertrauens keine gültige Vorsorgevollmacht mehr erteilen, jedenfalls bei diagnostizierter Geschäftsunfähigkeit.
expertentipp
Eine Vollmacht errichten
Sie können eine Vorsorgevollmacht errichten,
- wenn Sie zu einer oder mehreren Personen aus Ihrer Verwandtschaft oder Bekanntschaft volles Vertrauen haben;
- wenn eine oder mehrere Personen sich bereit erklären, die Verantwortung zu übernehmen und für Sie als Bevollmächtigte zu handeln;
- wenn Sie davon überzeugt sind, dass eine bevollmächtigte Person besser für Sie sorgt als ein vom Gericht bestellter Betreuer;
- wenn Sie im Interesse Ihrer eigenen Person und Ihrer Familie Betreuungskosten vermeiden wollen;
- wenn Sie für die Durchsetzung Ihrer Patientenverfügung mit einer besonders befähigten, zum Beispiel juristisch versierten Person (Rechtsanwalt) vorsorgen wollen
- und wenn Sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass eine Betreuungsverfügung nicht die bessere Alternative zur Vorsorgevollmacht ist.
Sie sollten keine Vorsorgevollmacht erteilen, wenn Sie keine Person Ihres Vertrauens haben oder finden, die für Sie die Tätigkeit eines Bevollmächtigten ausüben könnte.
Vorsorgevollmacht für eine Person Ihres Vertrauens
Mit Ihrer Vorsorgevollmacht geben Sie als Vollmachtgeber einer Person Ihres Vertrauens die Möglichkeit, stellvertretend für Sie zu handeln. Der oder die Bevollmächtigte handelt dann in Ihrem Namen im Rahmen der von Ihnen erteilten Vollmacht nach Ihren Vorgaben und nach Ihren persönlichen Überzeugungen.
Inhalte einer Vorsorgevollmacht
Welche Vollmacht Sie einer verwandten oder bekannten Person Ihres Vertrauens geben, ist Ihre ureigene, private Sache. Sie entscheiden über den Umfang Ihrer Vorsorgevollmacht nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen. Sie können Ihre Vollmacht auf einen einzelnen Lebensbereich begrenzen oder eine Generalvollmacht erteilen oder eine Mischung von Vollmachten wählen, die Ihnen am günstigsten erscheint. Sie können auch mehrere Vollmachten an verschiedene Personen zu jeweils unterschiedlichen Lebensbereichen ausstellen (was in manchen Fällen sinnvoll ist, jedoch auch zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann!). Darüber hinaus können Sie dafür sorgen, dass einer oder mehrere Bevollmächtigte in ihrer gesamten Tätigkeit oder nur bei bestimmten Aufgaben von Kontroll-Bevollmächtigten überwacht werden. Ihre Freiheit, andere zu bevollmächtigen, ist grenzenlos.
Häufig erstreckt sich die Vollmacht auch auf die Bereiche Gesundheit und Pflege. In diesem Fall wird der Bevollmächtigte in die Lage versetzt, stellvertretend für Sie über die medizinische Behandlung und die Ausgestaltung der Pflege zu entscheiden. Wenn Sie wollen, dass der Bevollmächtigte die Einwilligung in eine das Leben gefährdende Operation geben kann, muss dies ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt werden. Ähnliches gilt ebenfalls für lebensverlängernde Maßnahmen oder deren Abbruch. Ihr Bevollmächtigter kann stellvertretend für Sie sprechen und Sie gegenüber Ärzten und - bei schwierigen, genehmigungspflichtigen Entscheidungen - vor dem Betreuungsgericht vertreten, sofern Sie geregelt haben, dass der Bevollmächtigte über lebensverlängernde Maßnahmen oder deren Abbruch entscheiden darf.
Wenn Sie Ihre Behandlungswünsche in einer Patientenverfügung niedergelegt haben, können Sie Ihren Bevollmächtigten auch dazu verpflichten, exakt nach diesen Vorgaben zu handeln.
Mittels einer Vorsorgevollmacht können Sie auch Entscheidungen über die Pflege und die Wahl eines Pflege- oder Seniorenheims delegieren. Dies ist auch sinnvoll, wenn Sie Wert auf eine ganz bestimmte, individuell gestaltete Pflege legen oder von Ihnen abgelehnte Pflegemaßnahmen verhindern wollen. Eng damit verknüpft erhalten die Bevollmächtigten häufig die Möglichkeit, über den Aufenthaltsort des Vollmachtgebers und die Auflösung seiner Wohnung zu entscheiden.
Ein weiterer Bereich, den Sie in Ihrer Vorsorgevollmacht regeln können, betrifft die Ermächtigung, Sie gegenüber Behörden zu vertreten. Ein anderes Gebiet ist die Vertretung gegenüber Banken und die Regelung finanzieller Angelegenheiten. Schließlich ist noch die Postvollmacht zu nennen, die es möglich macht, Briefe entgegenzunehmen, zu öffnen und auch zu beantworten.
gut zu wissen
Diese Kompetenzen können Sie übertragen
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