Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Du suchst eine Lösung für ein Problem? Dann schau dir die Fakten an. Wie sie sich heute darstellen und wie sie sich historisch entwickelt haben. Wenn du das Problem gründlich untersucht hast, kennst du die Lösung. Schlussfolgerungen ergeben sich erst nach einer Untersuchung, nicht vorher. Nur Dummköpfe zermartern sich das Gehirn, allein oder in Gruppen, um »eine Lösung zu finden« oder sich »eine Idee auszudenken«, ohne vorher eine Untersuchung durchzuführen. Es ist so gut wie unmöglich, dass dies zu einer erfolgreichen Lösung oder einer guten Idee führt.
Worte des Vorsitzenden Mao
Der Wecker klingelt viel zu früh, und Lu stemmt sich aus dem Bett. Er duscht und rasiert sich. Normalerweise rasiert er sich nur zweimal in der Woche - sein Bartwuchs ist spärlich, und Polizeichef Liang ist nicht pingelig, wenn es um Körperpflege geht. Doch trotz seines ersten unvorteilhaften Eindrucks von Kriminaldirektor Song, dem stellvertretenden Leiter des Kriminalamts, möchte es sich Lu nicht gleich mit ihm verderben.
Er wohnt etwa zehn Minuten von der Polizeiwache entfernt in einem relativ neuen Haus. Sein Apartment ist winzig, gemessen an westlichen Standards. Die Wohnungstür führt direkt in einen kleinen Küchenbereich mit Spülbecken, schmaler Theke, Doppelkochplatte und Minikühlschrank. Von der Küche geht ein Badezimmer ab, mit einem WC nach westlichem Vorbild und einem Waschbecken. Es gibt keine Bade- oder Duschwanne, lediglich einen aus der Wand ragenden Duschkopf. Eine sehr kleine Waschmaschine steht außerdem noch im Bad.
Durch die Küche geht es in einen etwas größeren Raum, der als Wohn-, Schlaf-, Ess- und Arbeitszimmer dient. In der angrenzenden Loggia hängt Lu seine nasse Wäsche auf.
Die Wohnung ist gemütlich, wenn auch beengt. Vorerst reicht sie ihm. Sollte er jemals heiraten und eine Familie gründen, bräuchte er sicher mehr Platz.
Lu hat es nicht eilig mit dem Heiraten, sperrt sich aber auch nicht dagegen. Mit seinem Universitätsabschluss, dem guten Gehalt und seiner Stellung im Amt für Öffentliche Sicherheit gilt er als gute Partie. Würde er sich an eine Partnervermittlung wenden, fänden sich zweifellos zahlreiche junge Frauen, die ihn gerne zum Mann nehmen würden.
Doch Lu möchte mehr als nur einen warmen menschlichen Körper und eine Gebärmaschine für seine Nachkommen.
Wonach er sich sehnt, findet seinen Ausdruck schon eher in dem Gefühl, das aus den Zeilen des alten Gedichts »O Himmel« spricht.
Mein Wunsch, Dir nahe zu sein,
Wird niemals nachlassen, ist mein Leben auch noch so lang.
Erst wenn die Berggipfel abgetragen,
Die Flüsse vertrocknet sind,
Wenn es im Winter gewittert,
Im Sommer schneit
Und Himmel und Erde aufeinanderprallen,
Würde ich den Abschied wagen.
Nach der Dusche steigt Lu in seine offizielle Uniform, dunkle Hose, himmelblaues Hemd und dunkle Krawatte, blaues Jackett mit Schulterklappen, drei Sterne und zwei silberne Streifen, die seinen Dienstgrad anzeigen.
Darüber zieht er den Wintermantel an und setzt sich eine pelzbesetzte Mütze auf, an der vorne das Hoheitszeichen des Amtes für Öffentliche Sicherheit prangt.
Mit dem Streifenwagen fährt er zur Polizeiwache. Unterwegs kauft er sich an einem Imbisswagen ein Frühstück: zwei frittierte shaobing-Brötchen, gefüllt mit einer Paste aus roten Bohnen, und einen Becher doujiang, heiße Soja-Milch.
Die Polizeiwache ist ein tristes zweigeschossiges Gebäude mit Metalltüren und Gitterfenstern. Im Erdgeschoss befinden sich ein Warteraum mit Plastiksitzen und ein verglaster Empfangsschalter, dahinter, jenseits einer verschlossenen Tür, liegen der Verwaltungstrakt, ein Mannschaftsraum, die Büros von Lu und Polizeichef Liang, ein Verhörraum, eine Kantine und ein provisorisches Untersuchungsgefängnis mit zwei kleinen Haftzellen.
Im Obergeschoss sind Schlafräume für unverheiratete Männer und Frauen des Polizeipersonals, Umkleideschränke und Duschen, eine Waffen- und Asservatenkammer, wo Beweisstücke und beschlagnahmte Besitzgegenstände gelagert werden.
Lu stellt den Wagen auf der Rückseite der Polizeiwache ab und betritt das Gebäude durch den Hintereingang. Zuerst schaut er in dem Untersuchungsgefängnis vorbei. Zhang schläft in seiner Zelle unter einer dünnen Baumwolldecke. Lu begibt sich in sein Büro, stellt das Frühstück ab, nimmt sich die Thermoskanne und geht hinunter zum Empfangsschalter, wo Polizeimeister Huang gerade seinen Dienst beendet. Für einen, der die ganze Nacht Wache gehalten hatte, sieht er ziemlich munter aus. Wahrscheinlich, so Lus Verdacht, hat er die meiste Zeit auf dem Boden geschlafen und seine Jacke als Kissen benutzt.
»Guten Morgen, Polizeimeister.«
»Guten Morgen, Kommissar.«
Lu überprüft das Protokollbuch. Dann füllt er in der Kantine seine Thermoskanne mit heißem Wasser, geht zurück in sein Büro, kocht Tee und isst das mitgebrachte Frühstück.
Gegen halb zehn trudelt Polizeiobermeister Bing ein. Polizeichef Liang kommt um zehn. Lu ist erleichtert, dass sein Chef einigermaßen vorzeigbar aussieht. Er betritt Lus Büro, nimmt auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz und zündet sich eine Zigarette an, obwohl er weiß, dass Lu nicht raucht.
»Also«, sagt Liang. »Lassen Sie hören.«
Lu steht auf und kippt ein Fenster. Er berichtet dem Polizeichef, was bis jetzt bekannt ist. Es gibt keinen Aschenbecher im Raum, daher schnippt Liang die Asche in den Papierkorb.
»Dieser Zhang scheint mir ein echter Perversling und Kriecher zu sein.«
»Gut möglich«, sagt Lu. »Aber das macht ihn nicht unbedingt zu einem Mörder.«
»Sie haben nicht zufällig ein entwendetes Fernsehgerät in seinem Haus gefunden, oder?«
»Es gibt einen Fernseher, aber der ist nicht neu.«
»Vielleicht hat Zhang ihn bereits verkauft.«
»Das lässt sich leicht herausfinden. Ich schicke einen jungen Kollegen los, der sich in der Nachbarschaft umhören soll.«
»Haben Sie schon seinen Arbeitgeber befragt?«
»Heute ist Sonntag. Die Fabrik ist geschlossen. Wir müssen bis morgen warten.«
»Wen schickt uns das Kriminalamt?«
»Den stellvertretenden Leiter, Kriminaldirektor Song.«
Liang verzieht das Gesicht.
»Kennen Sie ihn?«, fragt Lu.
»Nur vom Hörensagen. Er ist ein aufsteigender Stern. War Polizeihauptmann in Nanjing, bevor er die Karriereleiter im Ministerium hochgeklettert ist. Ehrgeizig und machthungrig wie die meisten aus dem Süden.«
Lu ist in Shanghai geboren, folglich lässt Liang keine Gelegenheit zu einem bissigen Kommentar aus. Aus Sicht des Polizeichefs ist Nordchina die wahre Wiege der Zivilisation, während alle südlich des Jangtse geborenen Chinesen kaum mehr als Urwaldwilde sind.
»Wenn du auf einen Vorgesetzten triffst, überlege dir, wie du seinesgleichen werden kannst«, zitiert Lu. »Wenn du auf einen Untergebenen triffst, schau in dich hinein und suche nach deinen Unzulänglichkeiten.«
»Konfuzius?«
»Ebender.«
»Sie sind zweitausend Jahre zu spät auf die Welt gekommen, mein Junge.«
»Lieber zu spät als gar nicht«, erwidert Lu.
»Wirklich?«, fragt Liang. »Warten Sie ab, bis Prinz Song aufkreuzt und Ihnen das Leben zur Hölle macht, und dann sagen Sie mir, ob Sie immer noch dieser Meinung sind.« Er drückt seine Zigarette auf der Schuhsohle aus. »Holen Sie ihn mit dem Auto vom Flughafen ab?«
»Er kümmert sich selbst um eine Fahrgelegenheit.«
»Sorgen Sie nur dafür, dass die jungen Polizeimeister ordentlich aussehen, bevor er kommt. Ich will mich vor Seiner Kaiserlichen Hoheit nicht schämen müssen.«
»Alles klar.«
»Und reservieren Sie zu Mittag irgendwo einen Tisch. Im Restaurant Zu den neun Drachen zum Beispiel.«
»Ich kümmere mich darum, Chef.«
Gähnend erhebt sich Liang. »Ich werde mir mal Ihren Verdächtigen anschauen und dann Richter Lin und Parteisekretär Mao anrufen. Sie wollen vielleicht mitkommen ins Restaurant. Sie wissen ja, was das für Schleimer sind.«
»Was ist mit dem Volksstaatsanwalt?«
In China ist die Volksstaatsanwaltschaft das Ministerium, das für die Ermittlungen und strafrechtliche Verfolgung zuständig ist, vergleichbar den Staatsanwaltschaften in den westlichen Ländern. Die Strafprozessordnung verlangt einen formalen Antrag auf Haftbefehl, dem von der lokalen Volksstaatsanwaltschaft stattgegeben wird; erst danach können Ermittlungen eingeleitet werden. Wenn die Ermittlungen sich als beweiskräftig erweisen, was meistens der Fall ist, erhebt der Staatsanwalt Anklage und vertritt im folgenden Verfahren die staatliche Seite.
Der Name des Bezirksstaatsanwalts ist Gao, er ist ein humorloser Paragrafenhengst.
Der Polizeichef verdreht die Augen. »Ein Erfüllungsgehilfe. Den lade ich nicht zum Mittagessen ein.«
»Wir sollten ihn über den Fall informieren«, gibt Lu zu bedenken.
»Also gut. Ich rufe ihn an.« Liang geht zur Tür, dreht sich aber noch einmal um. »Sie können sich denken, dass ich wenig begeistert davon bin, wenn hier ein Haufen hochmütiger Ermittler vom Kriminalamt herumschnüffelt.«
»Wir müssen die Wahrheit in den Tatsachen suchen«, verkündet Lu. Ein alter Slogan, der keinerlei Bedeutung hat, abgesehen davon, welche die gegenwärtige Führung ihm gerade beimisst.
Liang schüttelt den Kopf und geht hinaus und nimmt seinen Zigarettenstummel mit.
Kriminaldirektor Song und sein Gefolge treffen...
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