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In den Wirtschaftswissenschaften dreht sich alles um Angebot und Nachfrage. Angebot meint, wie viel es von etwas gibt, Nachfrage meint, wie viel von diesem Etwas die Menschen wollen. Volkswirtschaften sind im Gleichgewicht, wenn Angebot und Nachfrage einander entsprechen. Läuft hier etwas auseinander, geraten sie ins Schleudern. Eine übergroße Nachfrage, die auf ein zu geringes Angebot trifft, führt zu Knappheiten, Preissteigerungen und Rationierung. Ein übergroßes Angebot, das auf wenig Nachfrage trifft, führt dazu, dass der Markt überschwemmt wird und zieht Entlassungen und Wirtschaftskrisen nach sich. Beide, Angebot und Nachfrage, hängen untrennbar miteinander zusammen, zumindest in der realen Welt. Auf der politischen Ebene hat sich zwischen ihnen allerdings eine tiefe Kluft aufgetan. Demokraten und Republikaner haben sie auseinanderdividiert.
Der Begriff »angebotsseitig« gilt als rechts. Er ruft Erinnerungen an die Verlaufskurve wach, die der konservative Wirtschaftswissenschaftler Arthur Laffer in den 1970er Jahren auf eine Serviette kritzelte. Sie zeigt, dass Volkswirtschaften lahmen und Gewinne paradoxerweise fallen, wenn die Steuern zu hoch sind.[1] Dies führte unter anderem zu dem jahrzehntelangen republikanischen Versprechen, Steuersenkungen für die Reichen würden die frustrierten Arbeitereliten des Landes ermutigen, cleverer und härter zu arbeiten, was eine boomende Wirtschaft und steigende Gewinne zur Folge hätte.
Steuersenkungen sind ein nützliches Instrument, und ja, hohe Steuern können die Wirtschaft abwürgen. Die Vorstellung jedoch, dass Steuersenkungen automatisch zu höheren Gewinnen führen, ist, um es mit den Worten von George H.W. Bush auszudrücken, »Voodoo-Ökonomie«. Man hat es probiert. Es hat nicht funktioniert. Man hat es wieder probiert. Es hat wieder nicht funktioniert. Dieses Scheitern und die stumpfsinnige Weigerung der Republikanischen Partei, damit aufzuhören, immer und immer wieder dasselbe zu versuchen und ein anderes Ergebnis zu erwarten, machten es irgendwie anrüchig, sich um die Angebotsseite der Wirtschaft zu sorgen. Es war, als hätte der Unfug namens Phrenologie Ärzten verleidet, Erkrankungen des Gehirns zu behandeln.
Doch die konservative Agenda bewirkte auch noch etwas anderes: Sie erweckte den Eindruck, als wäre Produktion eine Funktion uneingeschränkter Märkte. Eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik sollte dafür sorgen, dass der Staat dem Privatsektor nicht in die Quere kam. Sie sollte Steuern senken, damit die Leute mehr arbeiteten, und Regulierungen abschaffen, damit Unternehmen mehr produzierten. Doch was war mit den Stellen, wo die Gesellschaft etwas brauchte, das der Markt nicht von sich aus bereitstellen konnte oder wollte?
An diesem Punkt hätten doch eigentlich die Demokraten auf den Plan treten müssen. Die aber, eingeschüchtert von der Reagan-Revolution und geplagt von der Angst, als Sozialisten zu gelten, beschränkten sich mehr oder weniger darauf, an der Stellschraube »Nachfrage« zu drehen. Als die Bevölkerung 1978 zu hören bekam, dass »die Regierung weder unsere Probleme lösen noch unsere Ziele setzen noch unsere Vision definieren« könne, da kamen diese Worte nicht von Ronald Reagan oder irgendeinem anderen Republikaner oder Konservativen. Nein, Jimmy Carter sagte sie, ein Demokrat, und zwar in seiner Rede an die Nation.[2] Es war ein Vorgeschmack auf das, was folgen sollte. Im Jahr 1996 verkündete Bill Clinton, der nächste demokratische Präsident: »Die Ära des Big Government ist vorüber.«[3] Die Auffassung, dass die US-Regierung nicht in der Lage sei, die Probleme des Landes zu lösen, wurde nicht einseitig von Reagan und der Grand Old Party aufgebracht. Nein, sie wurde von beiden Parteien gemeinsam geschaffen und von ihren Anführern immer wieder bestärkt.
Die Versprechen und Politikansätze des Progressivismus kreisten jahrzehntelang darum, Menschen Geld oder Gutscheine zukommen zu lassen, damit sie Dinge erwerben konnten, die der Markt zwar produzierte, die für die Armen aber unerschwinglich waren. Das Affordable Care Act bezuschusst Krankenversicherungen, die abgeschlossen werden, um medizinische Leistungen bezahlen zu können. Lebensmittelmarken versetzen Menschen in die Lage, sich etwas zu essen zu kaufen. Wohn-Gutscheine erleichtern ihnen das Anmieten einer Wohnung. Studienförderprogramme stellen ihnen Geld für einen Hochschulbesuch zur Verfügung. Steuergutschriften ermöglichen es ihnen, die Betreuung ihrer Kinder zu bezahlen. Sozialversicherungen geben ihnen Geld fürs Alter. Mindestlohn und Nachlässe bei der Einkommenssteuer geben ihnen generell mehr Geld in die Hand, wofür auch immer.
Dies alles sind wichtige politische Instrumente, und wir unterstützen sie. Doch die Demokraten haben sich auf sie fixiert und dabei das Angebot an Gütern und Dienstleistungen, die ihrer Meinung nach allen Menschen zustehen sollten, immer mehr aus den Augen verloren. Unsummen an Steuergeldern wurden für Krankenversicherungen, Wohn-Gutscheine und Infrastruktur ausgegeben, ohne einen gleichermaßen energischen Fokus darauf zu legen, was eigentlich mit diesem Geld gekauft und gebaut wurde. Manchmal fehlte der Fokus auch völlig.
Die Marktgläubigkeit, die darin zum Ausdruck kam, war auf ihre Weise nicht weniger rührend als die der Republikaner. Sie ging davon aus, der Privatsektor könnte und würde soziale Ziele erreichen, solange man ihm nur mit genügend Geld vor der Nase herumwedelte. Sie offenbarte ein Desinteresse daran, wie Regieren funktioniert. Regulierungen galten als weise, politische Entscheidungen als wirksam. Warnungen, der Staat behindere Produktion oder Innovation, stießen in der Regel auf taube Ohren. Ein blinder Fleck entstand. Politische Bewegungen denken dort über Lösungen nach, wo ihren Erkenntnissen zufolge die Probleme liegen. Also lernten die Demokraten, nach Möglichkeiten für staatliche Subventionen Ausschau zu halten. Den Schwierigkeiten auf der Produktionsseite widmeten sie kaum einen Gedanken.
Das Problem ist nur: Subventioniert man die Nachfrage nach etwas, das knapp ist, führt dies entweder zu Preissteigerungen oder zu Zwangsrationierung.[4] Zu viel Geld, mit dem zu wenige Eigenheime gekauft werden sollen, spült Hauseigentümern unverhoffte Gewinne in die Kasse, zieht aber auch eine Erschwinglichkeitskrise für Käufer nach sich. Zu viel Geld, mit dem zu wenige Ärztinnen bezahlt werden sollen, führt zu langen Wartezeiten oder macht Arztbesuche zu einer kostspieligen Angelegenheit. An dieser Stelle folgt mit schöner Regelmäßigkeit die Standardentgegnung der Republikaner: Dann subventioniert doch die Nachfrage nicht! Haltet den Staat da raus. Lasst einfach den Markt seine Wunder wirken. Das ist auch in Ordnung, und zwar dann, wenn der Zugang zu einem Gut keine Frage von Gerechtigkeit ist. Sind VR-Kopfhörer teuer, na ja, dann ist das eben so. Kann sich ein Großteil der Haushalte solche Geräte nicht leisten, ist das kein Problem, um das der Staat sich kümmern muss. Für Wohnen gilt das aber nicht und ebenso wenig für Bildung und medizinische Versorgung. Um den Zugang zu diesen Gütern und Dienstleistungen kümmert sich die Gesellschaft, und das muss auch so sein. Demokraten wie Republikaner haben politische Strategien in Gesetze gegossen, die in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass Billionen von Dollar aufgewendet werden, um sicherzustellen, dass Menschen diese Güter und Dienstleistungen bezahlen können. Dabei gleicht die Subventionierung von Dingen, deren Angebot gedrosselt ist, dem Bau einer Leiter, mit der ein Aufzug erreicht werden soll, der immer schneller nach oben fährt.
Die Resultate dieses Irrtums sind überall zu sehen. Im Jahr 1950 lag der mittlere Preis für ein Eigenheim beim 2,2-Fachen des durchschnittlichen jährlichen Einkommens, 2020 beim 6-Fachen.[5] Zwischen 1999 und 2023 stieg die durchschnittliche Prämie für Familienversicherungen über den Arbeitgeber von 5791 auf 23968 Dollar (eine Steigerung um mehr als 300 Prozent), und der Arbeitnehmeranteil an dieser Prämie hat sich mehr als vervierfacht.[6] Die durchschnittlichen Studiengebühren betrugen 1970 an staatlichen Hochschulen 394 Dollar und an privaten Hochschulen 1706 Dollar. Bis 2023 waren sie auf 11310 Dollar für im Bundesstaat ansässige Studierende an staatlichen Hochschulen bzw. 41740 Dollar für Studierende an privaten Hochschulen gestiegen.[7] Eine Familie mit einem Kleinkind und einem vierjährigen Kind muss im Durchschnitt in Massachusetts jährlich 36008 Dollar, in Kalifornien 28420 Dollar und in Minnesota 28338 Dollar für die Kinderbetreuung aufbringen.[8]
Die Wirtschaftsform, die wir heute haben, ist seltsam: Ein sicheres Leben in der Mittelschicht ist für viele außer Reichweite, während die angeblichen Statussymbole eines erfolgreichen Mittelschichtlebens für die meisten Menschen erschwinglich sind. In den 1960er Jahren war ein vierjähriges Hochschulstudium ohne Verschuldung möglich, der Kauf neuester hochwertiger technischer Geräte nicht. Anfang der 2020er Jahre ist es mehr oder weniger umgekehrt.
Wir haben die Erschwinglichkeitskrise[9] mit Niedrigpreisen für...
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