Schweitzer Fachinformationen
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»Wesensgemäße Bienenhaltung geht von der Erkenntnis aus, dass das Bienenvolk einschließlich seiner Waben ein Organismus ist, und respektiert »den Bien« in der Tradition Rudolf Steiners und Ferdinand Gerstungs als ein Ganzes. Das drückt sich insbesondere in der Wahrung der Integrität des Brutnestes, Naturwabenbau und Vermehrung über den Schwarmtrieb aus.«
Mellifera e. V.
In der Tierhaltung spricht man üblicherweise von »artgerecht«, wenn man damit zum Ausdruck bringen will, dass man besonders auf die natürlichen Bedürfnisse und Lebensbedingungen eines Tieres eingehen will. In der Nutztierhaltung wird auch der Begriff »ökologisch« verwendet. Er bringt zum Ausdruck, dass sich die Tierhaltung in einen ökologischen Kreislauf einfügt, dass das Tier unter anderem Nahrung zu sich nimmt, Raum beansprucht und Ausscheidungen hat. Es gibt also vielfältige Wechselwirkungen zwischen jedem Lebewesen und seiner Umwelt. Wer Tiere unter ökologischen Gesichtspunkten hält, versucht neben den Bedürfnissen des Tieres auch das gesamte Ökosystem im Blick zu behalten.
Interessanterweise spielen diese beiden Begriffe bei der Bienenhaltung kaum eine Rolle, wenn man sich von der konventionellen Bienenhaltung abgrenzen will. Aktuelle Bücher zum Thema tragen Titel wie »Bienen naturgemäß halten«, »Natürlich imkern in Großraumbeuten« oder »Imkern in der Oberträgerbeute: Natürlich, einfach, anders«. Daneben tauchen in der öffentlichen Diskussion Begriffe wie »naturnah«, »extensiv« und »wesensgemäß« auf. Der Gebrauch all dieser Begriffe erscheint relativ willkürlich und keinesfalls klar voneinander abgegrenzt. Sie werden ein Stück weit synonym verwendet und jeder füllt sie für sich selbst mit Bedeutung. Diese Begriffsunschärfe ist für mich ein Zeichen dafür, dass die Dinge nicht wirklich klar sind und oft nicht zu Ende gedacht wurden. Es ist symptomatisch, dass der relativ unscharfe Begriff »Natur« bei der Bienenhaltung zurzeit in Mode ist. Eine heute wieder populäre Naturromantik trägt ihren Teil dazu bei. Mit »Natur« ist dann oft ein ursprünglicher, nicht von Menschen geformter Lebensraum gemeint, eine »Wildnis«, in der alle Lebewesen harmonisch miteinander leben - eine Art Paradies. Man stellt sich Natur als etwas Statisches, Heiles vor, das erst der Mensch durch seine massiven Eingriffe ins Ungleichgewicht gebracht hat. Das ist zwar eine Sichtweise, die in dieser expliziten Form schnell als naiv und romantisierend entlarvt wird. Unbewusst tragen die meisten von uns dieses Bild aber trotzdem mit sich herum.
Auf der anderen Seite sprechen wir davon, wie grausam die Natur sein kann: Naturkatastrophen löschen das Leben ganzer Landstriche aus, Raubtiere verspeisen ihre Opfer bei lebendigem Leib. Und überhaupt: Die Natur sei ein einziges Fressen-und-gefressen-Werden. Man spricht vom »survival of the fittest«, was übrigens nicht bedeutet, dass der Stärkste sich durchsetzt, sondern der am besten (an eine sich permanent wandelnde Umwelt) Angepasste. Die Umwelt übt einen starken Selektionsdruck auf alle Lebewesen aus. Sie konkurrieren um begrenzte Ressourcen. Krankheiten und Schwäche werden unbarmherzig ausgemerzt. In der »unberührten« Natur stirbt man in der Regel nicht an Altersschwäche. Früher oder später geht man an einer Krankheit zugrunde, verhungert, verletzt sich oder wird gefressen.
Heute zählt es schon fast zum Allgemeinwissen, dass es »den Bienen schlecht geht«. Jeder hat schon mal etwas davon gehört, dass viele Bienenvölker sterben und dass es mittlerweile zu wenig Bienenvölker gibt. Der Begriff »Bienensterben« ist in aller Munde. Die Ursachen sind vielfältig, haben aber letztlich alle mit menschlichen Einflüssen zu tun. Neben der intensiven Haltungsform und einseitigen Zucht in der konventionellen Bienenhaltung sind es Parasiten und Krankheiten, die vor allem durch die Globalisierung über den gesamten Globus verbreitet wurden, Pestizide, eine verarmte Landschaft .
Die Popularität des Begriffs »Natürliche Bienenhaltung« versteht man erst vor diesem beschriebenen Hintergrund wirklich. Der Mensch hat alles durcheinandergebracht. An den Bienen, die an einer Schlüsselstelle im Ökosystem leben, wird es besonders deutlich. Was liegt näher, als das Motto »Zurück zur Natur« auszugeben? Das geht so weit, dass manche Imker ihre Bienen nicht mehr gegen die gefürchtete Varroamilbe behandeln wollen, die als einer der Hauptverursacher des Bienensterbens gilt. Mutter Natur soll es richten. Die Bienen sollen die Chance haben, selbst resistent zu werden.
Wenn wir uns die Geschichte der lebendigen Natur anschauen, muss man allerdings festhalten, dass es nicht von vornherein klar ist, dass sich eine Art erfolgreich an geänderte Umweltbedingungen (wie an die Varroamilbe) anpasst und wie lange das dauert. Weit über 99 Prozent aller Arten sind im Laufe der Evolution früher oder später ausgestorben. »Aussterben« ist genau genommen sogar das natürliche Ende einer jeden Art.
Wir verorten die Natur zumeist außerhalb der Städte und Siedlungen. Dort findet sich aber - abgesehen von den schwindenden Urwäldern und anderen Formen von Wildnis - eine stark vom Menschen geformte Kulturlandschaft. Anderseits ist die Artenvielfalt in Städten zum Teil höher als in eher landwirtschaftlich geprägten Landstrichen. Wir müssen den Menschen wieder als Teil der Natur begreifen. Jede Lebensform lebt in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt und beeinflusst sie. Auch ohne menschliches Zutun hat es immer wieder umwälzende Prozesse in unserem Ökosystem gegeben, die das Gesicht der Welt komplett verändert haben. Alles steht in Wechselwirkung.
Sicherlich ist der Mensch für ein erhebliches Artensterben verantwortlich und beutet die natürlichen Ressourcen auf eine - vor allem für ihn selbst - ungesunde Art aus. Aber wir können den Menschen nicht von der Natur scheiden und wir sollten die Natur nicht nur außerhalb unserer Städte suchen. Diese sogenannte »integrative Naturauffassung« gewinnt in Naturschutz, Ökologie und Stadtökologie zunehmend an Bedeutung. Wenn wir heute die Natur schützen wollen, dann geht es eigentlich darum, ein Ökosystem mitzugestalten, das auch für den Menschen einen nachhaltigen Lebensraum bietet. Natur ist ein dynamischer Prozess und wir stecken mittendrin. Heute suchen wir nach einer neuen Rolle in diesem Prozess.
Menschen und Honigbienen verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Über viele Jahrtausende war der Mensch ein Honigräuber und hat wilden Bienenvölkern ihren Honig gestohlen. Zum Teil wurden die Völker dabei zerstört. Seit etwa 4000 v. Chr. werden Bienen auch in künstlichen Behausungen angesiedelt, um einfacher Honig zu ernten und mehr Bienenvölker betreuen zu können. Die ursprünglichen Bienenrassen waren lokal gut an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst. Mittlerweile wird die Europäische Honigbiene (Apis mellifera) überall auf der Welt gehalten. Sie hat zum Teil einheimische Arten verdrängt, zum Teil lebt sie neben den einheimischen Arten, und teilweise wird sie in Regionen gehalten, in denen es sie ursprünglich gar nicht gab. In die USA kamen die Honigbienen erst mit den europäischen Siedlern. Vorher gab es sie dort nicht und sie haben auch nicht gefehlt. Sie sind dort eigentlich Neozoen. So nennt man Tiere, die sich ohne oder mit menschlicher Einflussnahme in einem Gebiet etabliert haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren. Erst mit der intensiven Landwirtschaft brauchte es diesen leistungsfähigen Bestäuber. Wenn alle Honigbienen in den USA aussterben würden, wäre das historisch gesehen vielleicht »natürlich«. Eine fremde, von Menschen eingeschleppte Art wäre wieder verschwunden. Von der Bestäubung durch Honigbienen hängen aber etwa 35 Prozent der Weltnahrungsproduktion ab. Am extremsten wird das an den Mandelplantagen in Kalifornien deutlich: Ohne die Europäische Honigbiene gäbe es 90 Prozent der Weltmandelernte nicht.
Die Krise der Honigbiene ist genau genommen vor allem eine Krise der Landwirtschaft, aber auch unserer Kulturlandschaft. Erst nach der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren wanderten die heute vorkommenden Honigbienen nach Mitteleuropa ein. Seitdem haben sich unsere Flora und Fauna jahrtausendelang in Wechselwirkung mit ihnen entwickelt. Die wilden Tiere sind auch auf die Früchte und Samen angewiesen, die sich durch die Bestäubung der Honigbienen entwickeln. Die ganze Nahrungskette unserer Kulturlandschaft hängt daran. Wenn wir diese von Menschen geformte, menschenfreundliche Natur erhalten wollen, müssen wir uns auch um die Zukunft der Honigbienen kümmern. Das hat aber wenig mit einer restaurativen, romantischen Vorstellung von »Natur« zu tun.
Aus diesen knappen Überlegungen ist vielleicht deutlich geworden, warum ich »natürlich« für keinen guten Begriff halte, wenn man über eine bienenfreundlichere Art der Bienenhaltung sprechen will. Es gibt für mich zwei wesentliche Aspekte, warum ich mich überhaupt mit Bienen beschäftige. Das eine ist die Sorge um unsere Zukunft, in der Honigbienen eine wichtige Rolle spielen. Das andere ist die Faszination für diese besonderen Geschöpfe und der daraus erwachsene Wunsch, mit ihnen respektvoll umzugehen. Für mich ist das auch eine Frage der Ethik: Ich möchte andere Lebewesen nicht nur als Objekt meiner Interessen sehen. Selbst der Wunsch Bienen zu halten, weil man das so interessant findet oder einen Beitrag zum Schutz der Honigbiene leisten will, kann bei Lichte besehen ein eher selbstbezogener Wunsch sein. Mir ist es wichtig, meinen...
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