Schweitzer Fachinformationen
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In der Ponarther Straße 56 war zu Ostern 1918 hellste Aufregung: Hanna, die zweitälteste von den fünf Kindern von Otto und Anna Krohn sollte in die Schule kommen. Ostern war für die Kinder ein besonderer Feiertag, denn zu diesem Fest bekamen sie fast alle ein neues Kleidchen und durften, falls das Wetter es erlaubte, das erste Mal Kniestrümpfe anziehen. Für jedes der Kinder lagen die Kleidungsstücke fein sortiert, gewaschen und gebügelt als Kleiderhäufchen auf dem roten Plüschsofa. Das war das Prachtstück in der Wohnstube, auf dem sie nur selten herumtollen durften. Das Exemplar war aber auch besonders hübsch: in dem Plüsch waren Ornamente eingedrückt und an der geschwungenen Rückenlehne in Kopfhöhe kleine gehäkelte Deckchen, damit der Stoff nicht schmutzig werden konnte.
Weil ich Jesu Schäflein bin, freu ich mich nur immerhin
Über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten,
der mich liebt und der mich kennt und bei meinem Namen nennt.
Das Stillsitzen in der Kirche war trotzdem für Hanna eine Qual, war sie doch ein so temperamentvolles Kind. Darum wurde der Weg nach Hause als Wettlaufstrecke genutzt, obwohl sie immer nur bis zur nächsten Ecke laufen durften. Aber es war ja so befreiend, nach dem langen Sitzen laufen zu können.
Als wir kleine Kinder waren,
spielten wir Soldatje,
oder Braut und Bräutigamm,
oder Muttchje, Vatje.
Ein anderes Mal wurde aus einfachen Mitteln ein Ball selbst angefertigt, z. B. ein Stück Stoff mit Heu und Stroh und einem Stein gefüllt und kunstgerecht zusammengenäht. Das Nähen mussten immer die größten Mädchen übernehmen, die sowieso nicht so oft mitspielten, weil sie im Haushalt helfen mussten. Mit so einem Ball konnten herrliche Spiele gemacht werden. Besondere Freude bereitete immer das Balltreiben. Leider waren die Jungens bei diesem Spiel immer am besten, weil sie am weitesten werfen konnten, aber das machte nichts. Beim Völkerball dagegen waren die Mädchen wieder gefragt, weil sie flink ausweichen konnten. Doch manchmal flog der Ball im hohen Bogen über das Ziel hinaus und landete in einer Fensterscheibe. Brummend setzte der Vater die Scheiben dann wieder ein, um die Mieter nicht zu verärgern. Doch die Folge für Hanna war in solchen Situationen, dass sie der Mutter mehr helfen musste oder auf ihre Geschwister aufpassen. Und Mutter konnte immer Arbeit verteilen, sie hatte genug. So musste die Wäsche in der Waschküche, die auf dem Hof war, gewaschen werden. Dafür musste aus dem Brunnen, der zwischen Vorder- und Hinterhaus stand, das Wasser geholt und in Eimern über den Hof getragen werden. Damit das Wasser erwärmt werden konnte, wurde das Brennmaterial aus dem Holzstall geholt. Die Asche wurde im Garten verstreut und damit als Düngung verwendet. Das Helfen beim Essenkochen, Abwaschen, Fegen, Wischen, Aufräumen usw. war immer an der Tagesordnung. So ein Waschtag war aber jeden Donnerstag und hatte es in sich. Er war aber auch immer notwendig, denn jedes Kind hatte für den Alltag nur einmal Wechselkleidung und für den Sonntag die Sonntagssachen. Selbstverständlich wurde die Kleidung von allen nachwachsenden Geschwistern aufgetragen, so dass eigentlich immer nur die Größeren neue Sachen bekamen.
*
Aber manchmal war es auch in der Schule schön, wenn nämlich der Herr Lehrer in die Klasse trat und nach der Begrüßung sagte: "Heute will ich euch eine Geschichte erzählen, wie nämlich Königsberg entstanden ist. Wer weiß denn von euch, woher unsere Stadt seinen Namen hat?" Eifrig meldeten sie fast alle Kinder. "Weil der König im Schloss wohnt!" "Warum heißt es aber Königsberg/?Preußen?" "Weil Königsberg in Preußen liegt." "Gibt es dann noch ein anderes Königsberg?", war die bohrende Frage des Lehrers. Hier wurden alle stutzig. Und darum fing der Lehrer zu erzählen an.
Rekonstruktion von Friedrich Lahrs, der auch die neue "Stoa Kantina" am Dom entwarf. Die Schlosskirche gab es noch nicht, dort befand sich das Ordenshaus (wie in der Marienburg). Reste davon sollen noch im 17. Jahrhundert gestanden haben. Der Schlossturm hat eine Haube, die nur aus der Beschreibung bekannt ist. Die älteste Wiedergabe des Schlosses ist von Braun und ist - wie bekannt - unzuverlässig.
Bilderläuterung; Altstadt in 1613
Der östliche Renaissancebau des Herzog Albrecht ist deutlich zu sehen. Rechts davon ist die alte Vorburg sichtbar, zwischen der und dem Hauptschloss sich noch immer der Graben befand. Im Schlosshof sind die Rundtreppe und das Marschallhaus deutlich zu erkennen. Die Altstädtische Kirche nimmt die Sicht auf den Schlossturm und die Ordenskirche.
Drei Jahre später lässt sich Herzog Albrecht von Lucas Cranach d. Ä. - der damals schon sehr berühmt war - malen.
Wann kamen die Ritter des Deutschen Ordens in unser Gebiet?
Wie hieß der Ordensmeister, der die Ritter geführt hat?
Wem wollten die Ritter helfen?
Wer sind die Pruzzen?
Was ist eine Großschäfferei?
Warum ist König Ottokar II in die Geschichte eingegangen?
Wann wurde die Burg errichtet?
Wann wurde die Altstadt gegründet?
Wie hieß die Gründungsurkunde?
Wann erhielt die neue Stadt Löbenicht das Stadtrecht?
Warum wurde sie Löbenicht genannt und nicht Neustadt?
Wann wurde die Stadt Kneiphof gegründet und wann erhielt sie die Urkunde?
Die Kinder hatten gar keine Zeit, lange zu überlegen, so schnell stellte der Lehrer die Fragen. Wer die Frage nicht richtig beantwortete, wurde sofort aufgeschrieben und musste für den Rest der Stunde neben der Bank stehen bleiben. Wer gar keine Antwort geben konnte, musste die Handflächen zeigen und der Rohrstock sauste über die Fingerspitzen. Schmerzverzerrt schlossen sie die Augen. Hanna hatte Glück mit ihrer Antwort. Erleichtert saß sie nun in ihrer Bank und wartete darauf, dass sie etwas über das Stadtwappen erzählen konnte.
"Das Wappen unserer Stadt hat vier Teile", hörte man vorsichtig und leise. "Der preußische Adler mit der Krone ist der obere Teil und hat in der Mitte das Zeichen von Friedrich Wilhelm I." Dabei zeigte sie mit dem Finger auf die Stelle im Wappen, über die sie gerade erzählte.
Mein Vater hat mir gesagt", so erzählte Hanna weiter, "dass über diese ehemaligen drei einzelnen Städte gesagt wird:
in der Altstadt die Macht,
im Kneiphof die Pracht,
im Löbenicht der Acker.
Denn in der Altstadt ist das Schloss, im Kneiphof steht der Dom und sind die Speicherviertel als Zentrum des Handels mit den dazugehörigen Geschäftshäusern und im Löbenicht eben die landwirtschaftlichen Betriebe. Das Wappen vom Kneiphof kann bedeuten, dass die Wasserstraßen des Pregel die Grundlage für den Reichtum sind. Mein Vater wusste es aber nicht genau. Die beiden Hörner können zu den Schiffen gehören, die geblasen werden mussten, wenn sie nachts durch die geschlossene Balkensperre fahren wollten, um in die Altstadt zu kommen.
Hanna war zufrieden. Stolz konnte sie noch ergänzen: "Mein Vater arbeitet in der Hauptwerkstatt von der Bahn und wir wohnen gegenüber der Ponarther Brauerei!"
Angeregt durch das Interesse von Hanna ergänzte der Lehrer noch: "Die anderen Stadtteile oder Bezirke, wie Nasser Garten, Rosenau, Speichersdorf, Hufen, Amalienau usw. wurden entweder auch 1905 eingemeindet oder werden noch in den nächsten Jahren eingemeindet (Hinweis: Sie erfolgte 1927/?1929). Dagegen die Gebiete von Roßgarten, Sackheim und Tragheim existierten bereits im Mittelalter und gehörten zu Königsberg, ohne eigenes Stadtrecht zu haben. - Es freut mich, liebe Hanna, dass du dich so für die Geschichte unserer Stadt interessierst."
Ling, ling, ling, die `Lektrische kommt,
Schaffner muss sich plagen.
Wer noch fünfzehn Pfennig hat,
der steige in den Wagen.
Die Lotte, die Lotte, die Lotte ist schon groß,
die kauft sich einen gelben Schein
und fährt alleine los.
Das Lied wurde nacheinander mit allen Namen der Kinder gesungen, bis die Elektrische endlich kam. Vater half Mutter, den Kinderwagen hinein zu heben, dann durften Lisbeth, Hanna und Herta einsteigen, Vater half den beiden Kleinen bei den hohen Stufen. Im Waggon war noch viel Platz, denn von Ponarth aus ging es in Richtung Zentrum. Die Schaffnerin zog an der ledernen Leine und für den Zugführer erscholl die helle Klingel als Zeichen dafür, dass alle Leute eingestiegen waren und er abfahren konnte. Vater holte das Portemonnaie hervor und sagte: "2 Erwachsene, 3 Kinder. Muss ich für die Kleinen und den Kinderwagen auch bezahlen?" "Für...
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