Schweitzer Fachinformationen
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Warum interessieren Sie sich für Bienenhaltung? Wenn ich diese Frage stelle, höre ich oft, dass eine persönliche unmittelbare Begegnung mit Bienen den ersten Anstoß dazu geliefert hat. Vielleicht hatte der Großvater Bienen gehalten oder man war dabei, als ein Imker einen Bienenschwarm eingefangen hatte. Vielleicht war man auch mit seinen Kindern bei einer Veranstaltung des örtlichen Imkervereins, wo gemeinsam Honig geschleudert wurde.
Bienen üben auch heute noch eine starke Faszination aus. Wer einmal mit einem Imker zusammen einen Bienenstock geöffnet hat, von Hunderten friedlicher Bienen umschwärmt worden ist und den aromatischen Duft des Bienenstocks eingeatmet hat, steht in der Gefahr, sein Herz an diese wundervollen Geschöpfe zu verlieren.
Für mich schließt sich mit diesem Buch ein Kreis, der mit einem Zufallsfund auf dem Büchertisch der Hamburger Uni 1995 begonnen hat: Mein Interesse für Bienen wurde durch das Buch »Selbstversorgung in der Stadt« von Helga und William Olkowski geweckt (wie dieses Buch erschienen im pala-verlag). Dieses Thema interessierte mich zu dieser Zeit sehr. Meine Frau und ich hatten uns gerade einen Kleingarten mitten im Hamburger Stadtgebiet zugelegt und in kleinem Rahmen angefangen, Gemüse anzubauen. Als Nächstes mussten Tiere her. Bienen erschienen mir als interessante Nutztiere für die Stadt, weil sie ihren Nektar und Pollen überall sammeln - also nicht nur auf das eigene Grundstück angewiesen sind - und verhältnismäßig wenig Betreuung benötigen.
Ich machte einen Anfängerkurs in konventioneller Bienenhaltung mit sogenannten »Segeberger Magazin-Bienenkästen« bei einem Hamburger Imkerverein. Gleichzeitig informierte ich mich über alternative Konzepte und besuchte das jährlich stattfindende »Faschingsseminar« des ökologischen Imkerverbands Mellifera e.V., bei dem »wesensgemäße Bienenhaltung« gelehrt wird. Mir war sofort klar, dass diese Art der Bienenhaltung eher meinen Vorstellungen entspricht. Das Faschingsseminar fand - wie der Name sagt - in der Faschingswoche statt, noch bevor die Bienensaison richtig begann. Ich hatte also noch Zeit, mir die speziellen Bienenkästen (»Einraumbeuten«), die dort empfohlen wurden, zu besorgen und mich um Bienenschwärme zu bemühen. So kam es, dass ich gleichzeitig die konventionelle Bienenhaltung im Magazin und die wesensgemäße Bienenhaltung kennenlernte. In dem Imkerkurs erlernten wir alle Eingriffe in das Bienenvolk, die nötig sind, um erfolgreich im Magazin imkern zu können. Zuhause im Kleingarten hatte ich drei Naturschwärme in Einraumbeuten. Ich hatte einen direkten Vergleich: Beim Imkerkurs waren alle Kursteilnehmer mit Schutzkleidung vermummt. Die Bienen wirkten unruhig und bei mir blieb nach den Praxistagen immer ein gemischtes Gefühl zurück. Meine eigenen drei Bienenvölker, die ihre Waben selbst bauen durften und Zeit hatten, sich zu entwickeln, reagierten viel sanftmütiger, wenn ich die Kästen zur Kontrolle öffnete. Die Atmosphäre war eine ganz andere. Die Bienen zu besuchen, hatte etwas Beruhigendes, fast Meditatives. Mehrere Jahre habe ich dann Bienen in Einraumbeuten gehalten und gelernt, Bienenvölker natürlich zu vermehren, gesund zu erhalten und Honig zu ernten. Im Prinzip war ich mit dem wesensgemäßen Ansatz zufrieden, bei dem es darum geht, der natürlichen Lebensweise der Bienen so weit wie möglich zu entsprechen. Die Bienenvölker dürfen sich z. B. auf natürliche Art vermehren, können ihre eigenen Waben bauen, statt auf industriell vorgefertigten Wachsplatten leben zu müssen, und man lässt ihnen ihren eigenen Honig als Wintervorrat, statt ihnen alles zu nehmen und dann Zuckerwasser als billigen Ersatz zu geben.
Trotzdem kam ich nach einiger Zeit ins Grübeln. Jede Art von Bienenwohnung erfordert eine bestimmte Betreuungsweise und verfolgt bestimmte Ziele. Auch bei dieser eher wesensgemäßen Art, Bienen zu halten, spielte der Wunsch, Honig zu ernten, eine wichtige Rolle. Der Betreuungsaufwand war nach meinem Gefühl dafür, dass es sich bei Bienen um wilde Tiere handelt, die eigentlich auch unbetreut leben könnten, zu hoch. Für Berufs- oder Nebenerwerbsimker, die Honig verkaufen wollen, ist es bestimmt sinnvoll, so zu imkern. Aber mir ging es ja gar nicht in erster Linie um den Honig. Das anfängliche Motiv der »Selbstversorgung« hatte sich im Laufe der Jahre etwas relativiert und - mittlerweile berufstätig - habe ich mich gefragt, wie sinnvoll es ist, viel Zeit in die Bienenhaltung zu investieren und dann große Mengen an Honig zu produzieren, den ich dann für einen Preis verkaufen muss, der in keinem Verhältnis zu meiner Arbeitszeit steht.
Es ist wundervoll, aromatischen »Bio«-Honig für den Eigenbedarf zu ernten und Überschüsse an die Familie und gute Freunde verschenken zu können. Mehr Honig will ich aber eigentlich gar nicht haben. Und mindestens genauso schön ist es, Zeit zu haben, um vor dem Flugloch sitzen zu können und den Bienen beim Hinein- und Herausfliegen zuzuschauen. Mir war inzwischen auch klar geworden, dass der eigentliche Wert der Honigbienen in der Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen liegt. Sie leisten damit einen unersetzlichen Beitrag zum Erhalt unserer Kulturlandschaft und der Artenvielfalt: Wegen ihrer großen Zahl und der Blütenstetigkeit - sie besuchen bei einem Sammelflug nur Blüten einer Art - sind sie wesentlich effizienter als Wildbienen oder Hummeln. Deshalb reicht es zur flächendeckenden Bestäubung auch nicht, nur Wildbienenhotels aufzustellen.
Ich machte mich auf die Suche nach einer noch einfacheren, extensiven Art der Bienenhaltung, die unseren heutigen Lebensbedingungen und Erwartungen an eine Freizeitbienenhaltung im kleinen Maßstab eher entspricht. Mittlerweile arbeitete ich ehrenamtlich für Mellifera e. V., und immer, wenn sich Gelegenheit bot, diskutierte ich mit dem Leiter des Vereins, Imkermeister Thomas Radetzki, verschiedene Konzepte und Ideen. Irgendwann, bei der Vorbereitung eines Vortrags, erinnerte er sich an den Krainer Bauernstock und schrieb mir eine E-Mail: »Der Krainer Bauernstock ist doch genau das, was du suchst!«
Der Krainer Bauernstock ist eine traditionelle Bienenbehausung, die seit über 300 Jahren im Gebiet der Krain (im heutigen Slowenien) verwendet wird. Es handelt sich um längliche flache Holzkisten, in die die Bienen ihre Naturwaben fest einbauen. Es ist unbestritten, dass dieser sogenannte »Stabilbau« - also ein unbewegliches geschlossenes Wabenwerk, in dem die Bienen ungestört leben können -, am ehesten ihren natürlichen Bedingungen entspricht. Wilde Bienenvölker siedeln oft in Baumhöhlen und bauen dort ihre Waben fest hinein.
Stabilbau mag nun zwar den natürlichen Bedürfnissen der Bienen optimal entsprechen, ist aber eher problematisch, wenn man Honig ernten oder Krankheitsvorsorge betreiben will. In der heute üblichen Art der Bienenhaltung hat man dieses Problem durch »Mobilbau« mit beweglichen Waben gelöst. Die Bienen bekommen Holzrähmchen mit vorgeprägten Wachsplatten (»Mittelwänden«) vorgegeben. Sie ermöglichen eine sehr effiziente, standardisierte Hochleistungsbienenhaltung. Der Organismus Bien (siehe Seite 19) ist zum Baukasten mit austauschbaren Elementen, beispielsweise Waben, Königin oder Arbeitsbienen, geworden. Das setzt beim Imker viel Fachwissen voraus, damit diese Art der intensiven Bienenhaltung überhaupt gelingt. Für den Bien bedeuten die Eingriffe in seinen (Waben-)Körper vermehrten Stress.
Die flache Bauweise des Krainer Bauernstockes erlaubt einen guten Einblick in das Bienenvolk. Die historische Abbildung von Anton Janscha zeigt den abnehmbaren Boden und die fest eingebauten Naturwaben.
Die Erfinder des Krainer Bauernstocks hatten einen anderen Weg eingeschlagen, der das Bienenvolk als einen Organismus ernster nimmt, trotzdem gute Einblicke in das Volk hinein gewährt und eine einfache Betreuung ermöglicht. Die Bienen möchten, dass ihre Waben frei schwingen können, da sie auch über Schwingungen auf den Waben kommunizieren. Sie befestigen ihre Waben daher nur oben und nötigenfalls an den Seiten ihrer Behausung. Die Wabenunterkante wird nicht am Boden angebaut, solange das aus Stabilitätsgründen nicht nötig ist. Waben bis zu einer Höhe von etwa 20 cm können den eingelagerten Honig ohne weitere Stabilisierung sicher tragen. Diese Beobachtung hatte damals dazu geführt, eine relativ flache Bienenwohnung zu entwickeln.
Da ein bestimmtes Volumen nötig ist und Bienen große zusammenhängende Wabenflächen lieben, war dabei eine niedrige, längliche Kiste herausgekommen. Der Boden blieb beweglich und konnte abgenommen werden, um von unten in das Bienenvolk schauen zu können. Die große Oberfläche führte dazu, dass man, ohne Waben bewegen zu müssen, auf einen Blick sehr viel vom Bienenvolk zu sehen bekam. Es war möglich, einige Zentimeter tief zwischen die Waben hineinzuschauen, und man konnte aufgrund der niedrigen Wabenhöhe auch direkt in den Brutbereich sehen. So konnte man beispielsweise einfach beurteilen, in welchem Zustand sich das Bienenvolk befand. Die längliche Bauweise führte außerdem dazu, dass auf ganz natürliche Weise die Honigüberschüsse getrennt vom Brutnest am hinteren Ende der Kiste abgelagert wurden. Dies ermöglichte eine einfache Honigernte.
Wenn man einen Krainer Bauernstock öffnet, erlebt man das Bienenvolk stets als Ganzes - als Organismus, als Bien. Man braucht das Bienenvolk nicht erst in seine Einzelteile zu zerlegen und - wie im Magazin -...
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