Schweitzer Fachinformationen
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Diese blonde Kuh war ihm einfach vor die Nase gesetzt worden. Grimmig zog Peter Claes die Mutter am Hinterrad noch fester an.
»Scheiße!«, fluchte er laut. Er hatte überdreht, der Kopf der Mutter war abgesprungen, kullerte über den Betonboden der Garage und rollte unter die Werkbank. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
Peter schmiss den Schlüssel in die Werkzeugkiste.
»Nach fest kommt ab«, sagte sein Schrauberkumpel Wolle immer. Peter gestand sich ein, dass er nicht recht bei der Sache war. Traurig betrachtete er die alte Triumph. An einen Ausritt war jetzt nicht zu denken, er musste die Schraube ausbohren und ersetzen. Für die Sanierung der Maschine hatte er extra zölliges Werkzeug aus England bestellt. Jetzt hatte er sie fast so weit, dass sie bereit war für einen Ausritt. Doch das rückte nun in weite Ferne.
»Scheiße!«, machte er seinem Ärger noch einmal Luft. Dann verließ er die Garage und blieb im Vorgarten stehen.
Das Haus, das er von seiner Mutter geerbt hatte, war nicht groß, aber es genügte ihm. Auch der Vorgarten war klein, eher schon winzig. Dafür hatte er von hier eine grandiose Aussicht auf grüne Hügelketten. Peter fielen einzelne gelbe Tupfer in dem Grün auf. Wurde es schon Herbst? Der August war extrem heiß gewesen, die lähmende Hitze hatte das Leben erstickt. Peter war froh, dass die Temperaturen gesunken waren. Eigentlich perfektes Wetter, um mit der Triumph ein paar kurvige Landstraßen abzufahren.
Er hatte sich einige Spezialstrecken zusammengestellt. Nur zu gern hätte er gewusst, wie sich die Triumph in die Kurven legte. Er hatte vorher eine Harley besessen, aber dieses Schätzchen hatte ihn zu sehr gereizt. Die Harley hatte er gegen die Triumph getauscht. Bestimmt war sie sportlicher als der Chopper, auch wenn sie ihre Jährchen auf dem Buckel hatte. Doch an eine Probefahrt war jetzt erst mal nicht zu denken. Die Tussi aus Trier war schuld. Was bildete die sich ein, ihm reinzupfuschen. Na gut, rein formell war die Kriminaldirektion in Trier für Kapitalverbrechen zuständig, aber den Tod des alten Leyendecker konnte er doch wohl noch allein aufklären.
Der hatte den Abgang gemacht, weil er zu viel gesoffen und geraucht hatte, hatte er zunächst angenommen. Nur weil die Ehefrau den Staatsanwalt wild gemacht hatte, war es zur Obduktion gekommen. Weil sie irgendwann mal Arzthelferin gewesen war, glaubte sie zu wissen, dass Erbrechen untypisch sei für einen Herzinfarkt. Und erbrochen hatte sich Leyendecker gründlich.
Und nur weil die übereifrige Gerichtsmedizinerin angemerkt hatte, dass Digitalis sehr wohl darauf hinweise, dass vielleicht - »vielleicht« stand in dem Gutachten - eine Vergiftung durch Fremdeinwirkung nicht auszuschließen sei, waren die Überreste des Eifler Birnbrands - anscheinend die letzte Mahlzeit Leyendeckers - im Labor untersucht worden. Das fand dann Gift in dem Edelbrand.
Nur deshalb hatte er jetzt dieses junge Huhn aus Trier am Hals. Karrierefrau wie die anderen auch. Er sah sich schon Abend für Abend Überstunden schieben, um irgendwelche Berichte zu tippen, anstatt mit seinen Kumpeln einen zu heben.
Und die Kräuterhexe hatte ihn angelogen, das sagte ihm sein Polizisteninstinkt. Irgendwas war faul an ihrer Aussage gewesen, die hatte einfach nicht spontan geklungen. Natürlich war Leyendeckers Nachbarin, die alte Else, senil und kurzsichtig, trotzdem wusste sie immer, was im Dorf los war. Die Kräuterhexe hatte Leyendecker kurz vor seinem Tod besucht, warum auch immer.
Verärgert trat er gegen den Randstein eines Beetes, in dem die Fette Henne, die noch seine Mutter gepflanzt hatte, dunkelrote Blüten trieb. Am besten ging er jetzt gleich zu der Leyendecker und mangelte sie so richtig durch, bis sie zugab, ihren alten Sack von Ehemann umgebracht zu haben, dann konnte er die Akte schließen. Bei der ersten Vernehmung war sie so zugedröhnt gewesen durch die Beruhigungsmittel des Arztes, dass mit ihrer Aussage nichts anzufangen war. Die Witwe Leyendecker, ein fröhliches Kölner Mädchen, war gut und gern ein Jahrzehnt jünger als ihr Mann, der jetzt das Zeitliche gesegnet hatte. Sie erbte und war frei - Grund genug für einen Mord? Aber wieso hatte sie dann der Staatsanwältin eingeredet, dass eine Obduktion nötig sei? Um den Verdacht von sich abzulenken? Hier war klassische Polizeiarbeit nötig, und die hatte Peter von der Pike auf erlernt.
Er schwang sich in seinen betagten Golf Kombi und fuhr los. Bald stand er vor dem etwas außerhalb gelegenen großen Bauernhaus der Leyendeckers. Ein mächtiger Walnussbaum überragte den Hof. Das Gebäude zeigte, dass hier seit Generationen wohlhabende Bauern lebten. Es war größer als die meisten Eifelhäuser, schon im Grundriss großzügig angelegt, nicht angestückelt. An der rechten Seite wurde das Haupthaus von einer ehemaligen Scheune begrenzt, die jetzt als Garage diente. Peter registrierte erleichtert, dass durch das offene Scheunentor ein riesiger Geländewagen und ein kleiner roter Toyota zu sehen waren. Ein Männerauto und ein Frauenauto. Die Witwe war also offensichtlich zu Hause. In der Tat reagierte sie schon auf sein erstes Klingeln.
Die schlanke dunkelhaarige Frau wirkte frischer als bei der letzten Begegnung. Sie trug Schwarz, es stand ihr gut.
Maria Leyendecker bat ihn in ihre Wohnküche. Die Fenster waren klein wie in allen alten Bauernhäusern, so konnte im Winter die wertvolle Wärme nicht entweichen. Doch der Raum ging nach Süden raus, es war hell trotz der winzigen Fenster. Auf dem Fensterbrett standen Töpfe mit Kräutern. Minze, Schnittlauch, Petersilie, noch was Grünes, das er nicht erkannte. Maria Leyendecker hatte eine hochwertige Küche mit viel Holz, die gleichzeitig ländlich und modern wirkte. Peter fühlte sich auf Anhieb wohl.
»Tut mir leid, dass ich Sie am Samstag störe, aber Sie wissen ja, unsere Arbeit ruht nicht«, entschuldigte er sich lahm.
Die Witwe zuckte mit den Schultern. »Fragen Sie, bringen wir es hinter uns. Ich will wissen, was passiert ist. Nehmen Sie einen Cognac?«
Peter überlegte, ob er im Dienst war oder nicht. Eigentlich ja, aber andererseits war Samstag. Einen Kurzen konnte er wohl trinken. Er nickte.
Maria musste schon getrunken haben, denn die Flasche stand griffbereit auf einem Regal. Sie nahm zwei Gläser aus dem Schrank, schenkte ein und stellte eins vor Peter auf den Tisch.
»Sie haben Ihren Mann tot aufgefunden? Donnerstag vergangener Woche?«
»Er lag vor dem Sofa, drüben im Wohnzimmer.« Sie deutete zur Tür.
Er erinnerte sich nur zu gut an den Tatort. In dem Zimmer standen eine Riesencouch und ein Riesenfernseher mit Flachbildschirm. Die Wände waren fast flächendeckend mit Jagdtrophäen bestückt, was Peter mindestens so ekelerregend fand wie die Leiche in ihrem Erbrochenen.
Maria Leyendecker holte tief Luft. »Ich dachte, er hätte zu viel getrunken. Er trinkt doch nach dem Abendessen immer seinen Schnaps.«
»Den Birnbrand.«
»Genau, seit er den entdeckt hat, ist . also, war er total begeistert von dem Birnbrand. Der ist aus Rockeskyll. >Was Besseres gibt es nicht<, hat Wolfgang gesagt.«
»Den trank er jeden Abend? Wie ein Ritual?«
Sie nickte.
»Hat er ihn auch am Mittwochabend getrunken, sind Sie sicher?«
»Ich denke schon. Er hat eigentlich jeden Abend ein Gläschen davon genommen. Einen Kurzen halt.«
»Wer wusste davon? Außer Ihnen?«
»Also«, sie überlegte kurz. »Die vom Stammtisch, die Jäger, seine Kollegen, was weiß ich . er war so begeistert von diesem Eifler Birnbrand, dass er überall davon rumerzählt hat. >Mein Schlummertrunk<, nannte er das.«
»Wo hat er ihn denn gekauft? Vielleicht sind noch mehr Flaschen vergiftet, und es handelt sich um eine Erpressung eines Supermarkts oder so«, mutmaßte Peter.
Sie zuckte die Schultern. »Den hat er nicht selbst gekauft. Weiß nicht, wo der her ist. Den hat ihm der Walter vom Jagdverein geschenkt, zum Geburtstag.«
»Walter wer?«
»Der war's aber bestimmt nicht. Die Männer im Jagdverein halten zusammen wie Pech und Schwefel. Der Walter heißt Marschollek mit Nachnamen. Mit Doppel-l, soweit ich weiß. Der wohnt drüben in Wirft.«
Normalerweise freute sich Peter, wenn er viel im Landkreis herumkam, er fuhr gern Auto. Jetzt plagte ihn die Vision, dass er mit Tanja Marx auf dem Beifahrersitz stundenlang über Landstraßen kutschieren müsste. Wahrscheinlich würde sie ihn dauernd ermahnen, nicht so schnell zu fahren. Ein Grund mehr, die Sache schnell aufzuklären.
»Gut, Sie fanden ihn also vor dem Sofa.«
»Ja, es war so furchtbar.« Ihre Stimme hob sich.
Peter hoffte, sie würde nicht anfangen zu weinen.
»Er atmete nicht mehr. Ich habe sofort den Notarzt gerufen, aber es war zu spät.«
»Um wie viel Uhr haben Sie ihn denn gefunden?«
»Es muss zwischen acht und neun Uhr abends gewesen sein.« Die Witwe zögerte. »Ich war beim Yoga, das fängt um sechs an. Um acht sind wir fertig, dann noch duschen, umziehen .«
»Wo gehen Sie denn zum Yoga?«
»Bin ich jetzt verdächtig, oder was?« Sie starrte ihn wütend an, dann entspannte sie sich wieder. »Ach, ist ja auch egal. Das Yoga ist hier in Adenau. Bei der Volkshochschule. Also eigentlich in der Halle vom Turnverein.«
Peter Claes berechnete im Kopf die Zeiten. Acht Uhr Kursende, dann mindestens zehn Minuten duschen, umziehen. Vor halb neun konnte Maria Leyendecker nicht zu Hause gewesen sein. Laut Ermittlungen der Gerichtsmedizin war Leyendeckers Tod um zwanzig Uhr plus/minus eine halbe Stunde eingetreten. Mit anderen Worten: Maria hatte kein Alibi für den Todeszeitpunkt. Was andererseits nichts aussagte, denn das Gift...
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