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Amphitheater, Beginn der zehnten Stunde
[16:00 h]
Er war der Schrecken seiner Gegner. Er war kräftig, zäh und ausdauernd. Und er war der Abgott des Publikums, vor allem der Frauen.
Eins war Niger, Sieger in drei Dutzend Kämpfen, freilich nicht: ein Betrüger.
»Du lässt ihn gewinnen, klar? Andernfalls kannst du dein Testament machen.« Das war deutlich gewesen. Unmissverständlich. Niger, Retiarius und gefeiertes Idol der Massen, ballte die Faust. Das war es also, was ein Römer unter Ehre verstand. Unter Anstand und dem Gebot, dass Pflichterfüllung an erster Stelle stand. Das also war es, worum es in seinem Gewerbe ging. Nämlich um Geld, um eine Menge Geld. Wie hatte der Kaiser, welcher das Flavium errichten ließ, doch gesagt: »Pecunia non olet.« Genau. Ein Aureus roch nicht. Auch dann nicht, wenn er in der Schatulle des Veranstalters verschwand.
Das also, dachte Niger zähneknirschend, hatte es mit dem Eid auf sich, den er geschworen hatte. >Uri, vinciri, verberari, ferroque necari.< Ich werde es erdulden, ausgepeitscht, in Ketten gelegt und gebrandmarkt zu werden. Und wozu? Damit ein paar Wenige, deren Namen es nicht wert waren, ausgesprochen zu werden, Nutzen aus dem Gemetzel zogen, welches in Kürze beginnen würde. Perfider, um nicht zu sagen ehrloser, ging es wirklich nicht.
»Lass ihn nicht zu nah ran, hörst du? Sonst bist du geliefert!« Der gute alte Danaos, sein Ausbilder. Oder, anders ausgedrückt, sein Ersatzvater. Auch er ahnungslos, naiv wie ein kleines Kind. »Du weißt doch, wie er ist, Niger - Pugnax geht immer gleich aufs Ganze. Der hält sich nicht mit Vorgeplänkel auf. Wenn du schlau bist, wartest du erst mal ab. Auf Zeit spielen, verstanden? Alles andere regelt sich von selbst. Und noch was: Lass dich nicht provozieren. Wenn hier einer Katz und Maus mit einem Secutor spielt, dann du - haben wir uns verstanden? Du hältst dir den Tollpatsch vom Leib, tänzelst ihm vor der Nase rum - und zack! Dann ist der Angeber erledigt. Glaub mir, Niger: Der kann dir nicht das Wasser reichen. Viel Kraft, aber nichts dahinter.« Danaos stockte. »Sag mal, schwarzer Herkules, hörst du mir überhaupt zu?«
»Natürlich höre ich dir zu.« Noch etwas, das ihm nicht gefiel. Danaos machte das weder absichtlich, noch hatte er vor, ihn zu kränken. Aber er konnte es nun einmal nicht ausstehen, wenn man Anspielungen auf seine Hautfarbe machte. Er war ein Gladiator wie jeder andere, nicht schlechter, aber um einiges besser als die meisten, mit denen er in Leptis, Rom oder in Arelate die Klingen gekreuzt hatte. Und er war nicht immer der gewesen, zu dem ihn das Schicksal gemacht hatte. Vor sieben Jahren, während seines achtzehnten Sommers, war er, den man in der Heimat >Großer Jäger< genannt hatte, in die Fänge von Sklavenhändlern geraten. Ausgerechnet er, Mahamadu, dessen Wurfnetz Dutzenden von Straußen, Gazellen und sogar Antilopen zum Verhängnis geworden war. Eingefangen, in einen Käfig gesperrt, verschleppt und durch die Große Wüste Richtung Norden gekarrt. Hungrig, der Rücken mit Striemen übersät, halb wahnsinnig vor Durst. Es war wie ein Albtraum gewesen, eine mörderische, nicht enden wollende Tortur.
Doch dann, in schier auswegloser Lage, hatte Fortuna ein Einsehen mit ihm gehabt. Auf dem Sklavenmarkt von Leptis war er einem Lanista aufgefallen. So nannte man die Besitzer von Gladiatorenschulen, die es überall im Imperium gab. Eugenius, gerissen, ohne Skrupel und mit allen Wassern des Styx gewaschen, hatte sofort zugegriffen und ihn für einen Spottpreis ersteigert.
Zunächst einmal war er froh gewesen, den Fängen der Sklavenhändler entronnen zu sein. Die Freude indes sollte nicht lang Bestand haben. Kaum in Sicherheit, gebadet und mit einer Wolltunika versehen, hatte er mit dem übelsten Gesindel in Tripolitanien Bekanntschaft gemacht. Unter den Gladiatoren, das merkte er recht bald, befanden sich eben nicht nur Leute wie er. In der Mehrzahl handelte es sich um Kriegsgefangene, Kriminelle und Sklaven, die, offenbar zu nichts anderem nütze, von ihren Herren für teures Geld an die Gladiatorenschulen verkauft worden waren. Mitunter meldeten sich sogar Freiwillige, etliche davon auf der Suche nach Ruhm und Ehre, andere wiederum, um mit dem Geld, das sie zu verdienen hofften, nach Ablauf ihres Kontrakts ein neues Leben anzufangen.
»Sag mal, träumst du oder hast du zu viel Mohnsaft getrunken?«, ereiferte sich Danaos, während er ihm half, den bronzenen Schulterschirm auf einem Polsterärmel aus gestepptem Leinen festzuschnallen. Beide, sowohl der Ärmel als auch die Bandage, waren sein einziger wirklicher Schutz, und dementsprechend sorgfältig ging sein Ausbilder zu Werke. »Spuck's aus, vor mir brauchst du keine Geheimnisse zu haben!«
»Weiß ich, Danaos, weiß ich!«, beteuerte Niger und zurrte den ledernen Bauchgurt fest, den er über seinem knallroten Lendenschurz trug. »Trotzdem - wenn du nichts dagegen hast, möchte ich mich jetzt voll und ganz .«
». auf den Kampf konzentrieren!«, vollendete sein Magister und band die Riemen seiner Lederstiefel zu. Von der Unrast, die Niger ergriffen hatte, war bei ihm nichts zu spüren. Danaos war durch nichts aus der Ruhe zu bringen, wie stets, wenn es aufs Ganze ging. »Recht so, aber wenn du schlau bist, lässt du den Hitzkopf erst mal ins Leere laufen.«
»Schon gut, alter Freund, ich hab's kapiert.«
»Das will ich hoffen.« Danaos erhob sich. Dann musterte er Niger von Kopf bis Fuß. Die Zeiten, während denen sich der Zypriote als Steinmetz und nach seinem Hinauswurf als Gladiator verdingt hatte, waren schon lang vorbei. In seinem Gesicht, von Narben, Schrammen und tiefen Falten durchzogen, hatten sie unübersehbare Spuren hinterlassen. »Wenn wir gerade von Hoffnung reden - noch zwei, drei Kämpfe, und du bist ein freier Mann. Dann bekommst du vom Kaiser ein Holzschwert in die Hand gedrückt, und dann nichts wie weg, ab nach Hause! Mensch, Niger: Was ich konnte, kannst du ja wohl auch, oder?«
»Nach Hause. Du hast gut reden.« Niger wandte sich ab und trat an den Altar der Göttin Nemesis, um ein Opfer darzubringen. Aus Gewohnheit, nicht etwa, weil er glaubte, die geflügelte Statue in der Nische unweit der Hebebühne könne Wunder wirken. »Kannst du mir verraten, wie?«
»Kein Grund, aus der Haut zu fahren, alter Junge.« Der Ausbilder, mehr als einen Kopf kleiner als sein Lieblingsschüler, klopfte ihm begütigend auf die Schulter und prüfte die Klinge des Dolches, bevor er ihn Niger in die Hand drückte. Es folgte der Dreizack, Symbol des Gottes Neptun, was der Retiarius, der nicht einmal hinsah, als ihm die Waffen überreicht wurden, mit versteinerter Miene quittierte. »Schuld, dass du hier bist, sind ja wohl andere, oder?«
»Ja, das stimmt.«
»Na also, dann sind wir uns ja einig.«
»Sagst du!«
»Was soll das heißen?« Das Netz vor Augen, dessen Bleigewichte er einer letzten Überprüfung unterzog, blickte Danaos überrascht auf. »Raus damit, oder denkst du, ich kann Gedanken lesen?«
»Gut so!«, erwiderte Niger und starrte in die Flamme, die vor dem Standbild der Göttin emporzüngelte. Der Duft von Weihrauch und Räucherwerk hing in der Luft, vermischt mit dem Geruch nach Wein, den er auf der Altarmensa ausgegossen hatte. »Sonst würde dir das Lachen vergehen.«
»Beim Janus, was ist denn eigentlich los?« Das war zu viel für ihn. Entschieden zu viel. Danaos nahm das Netz und schleuderte es wutentbrannt in die Ecke. Dann winkelte er die Arme an und baute sich neben dem Retiarius auf. »In einer Viertelstunde beginnt dein Kampf, und was machst du? Du stehst hier rum und tust so, als ginge dich das Spektakel da droben nichts an. Also ehrlich, Niger: Manchmal werde ich nicht schlau aus dir.« Der gedrungene, mittelgroße und trotz seines Körperbaus überaus wendige Zypriote schnappte nach Luft. »Jetzt hör' mir mal gut zu, mein Junge: Was immer dir durch den Schädel spukt, es hat Zeit bis nachher, klar? Mit Pugnax ist nicht zu spaßen, das weißt du so gut wie ich. Der geringste Fehler - und aus ist der Traum! Dann landest du auf dem Gladiatorenfriedhof. Meinst du, ich habe Tag und Nacht mit dir geübt, damit du dich wie ein Hammel zur Schlachtbank führen lässt? Nichts da, Herkules, so haben wir nicht gewettet!«
»Und was ist, wenn ich mich einfach aus dem Staub .«
»Gar nichts wirst du!«, stieß Danaos zornbebend hervor, hob das Netz auf und drückte es seinem Musterschüler in die Hand. »Sonst kriegst du es mit mir zu tun. Ich muss dir nicht sagen, was passiert, wenn du kneifst.«
»Nein.«
»Na also.« Der Zypriote atmete tief durch. »So, und jetzt tu dem alten Danaos den Gefallen und schlitze diesem Großmaul von einem Secutor den Wanst auf. Du weißt doch: Die Leute lieben dich. Noch ein, zwei Kämpfe, und die Sache ist ausgestanden. Dann ist Schluss mit dem Gladiatorendasein. Dann bist du ein freier Mann. Stell dir vor, Niger, wie herrlich es ist, wenn man tun und lassen kann, was man .«
Der Rest von Danaos' Worten ging im Schmettern der Fanfaren unter, deren Echo bis in den hintersten Winkel der Katakomben drang.
Niger, Liebling der Massen, umklammerte seinen Dreizack, seufzte und senkte das Haupt.
Jetzt war er an der Reihe.
Die Stunde der Gladiatoren war gekommen.
*
Er hasste dieses Geschrei. Vor allem aber hasste er die Art, wie man ihn taxierte. Für viele hier war er doch nur ein Verfemter, kaum wert, dass man sich wegen ihm den Kopf...
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