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Wie hab ich hold und hell dich mir gedacht,
und du bist heiß wie Hölle, schwarz wie Nacht!
For I have sworn thee fair and thought thee bright,
Who art as black as hell, as dark as night.
Sonnet 147
Stratford-upon-Avon, 23. April 1616
William ist tot.
Du hast richtig gelesen, Schwester. Es ist zu Ende. Mein treusorgender Gemahl wurde zu Gott berufen. Der Medicus hat getan, was er konnte, doch es war umsonst. Der Tod, Schrecken aller Sünder, war stärker. Nun, da mein Gatte die irdische Welt hinter sich gelassen hat, gilt es, Rechenschaft abzulegen, und ich vertraue darauf, dass Gott ein gerechtes Urteil fällen wird.
Die Seelen der Aufrichtigen sind in des Allmächtigen Hand, und keine Qual kann sie berühren. So steht es in der Heiligen Schrift. Die Seelen der Unaufrichtigen indes irren schutzlos umher, und wenn die Zeit reif ist, werden sie für ihre Sünden büßen.
Es heißt, man solle die Toten ruhen lassen. Sei unbesorgt, das werde ich auch tun, sosehr es mich drängt, meinem Kummer Luft zu machen. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, liegt jedoch nicht in meiner Natur, solange ich lebe, wird kein Wort der Klage über meine Lippen kommen. Das Dasein verläuft nicht immer so, wie wir Erdenbürger uns das wünschen, und je mehr wir damit hadern, desto dornenreicher der Pfad, auf dem wir unserem Ziel entgegenstreben.
Du weißt, wie schwer es mir fällt, über meine Gefühle zu sprechen. Und ich weiß, dass es niemanden gibt, der mich besser versteht als Du. Darum schreibe ich Dir diesen Brief, und darum ersuche ich Dich, ihn nach erfolgter Lektüre zu vernichten. Was darin geschrieben steht, liebe Schwester, ist ausschließlich für Dich bestimmt. Für Dich und niemanden sonst auf der Welt. Du allein warst immer da, wenn ich Dich gebraucht habe, die Treueste der Treuen, ohne die das Leben unerträglich gewesen wäre.
Ich wünschte, ich könnte dies auch über William sagen. Leider ist dem nicht so, auch wenn es den Anschein hatte, als seien wir füreinander geschaffen. Selbst jetzt, nach über 30 Ehejahren, kann ich mich noch genau erinnern, wie es war, als er mir den Hof machte. Dass ich mich blenden ließ, als er um mich warb, wurde mir auf schmerzhafte Weise bewusst. An der Tatsache, dass ich ein Kind unterm Herzen trug, führte indes kein Weg vorbei. Auch daran nicht, dass ich acht Jahre älter als der mit honigsüßer Zunge sprechende Verehrer war.
Allein, ich hatte mich in ihm getäuscht. Und musste für meine Torheit büßen. Tag für Tag, Jahr für Jahr, mein Lebtag lang. Wie sehr, weißt nur Du allein, und wenn es nach mir geht, möge es so bleiben.
Du weißt ja, William war nie da, wenn ich seiner Hilfe bedurfte. Und wenn er da war, kümmerte es ihn nicht, welche Sorgen auf mir lasteten. Andauernd war er mit den Gedanken woanders, und es gab Tage, an denen er mich wie Luft behandelte.
Aber was blieb mir anderes übrig. Als ältestes Kind eines Freisassen, der ein halbes Dutzend hungrige Mäuler zu stopfen hatte, wäre mein Weg vorgezeichnet gewesen, ob mit oder ohne Kind der Schande. Dank der Hilfe von Vater Cuthbert, weiland Pfarrer in unserem Heimatort, hatten Du und ich zwar Lesen und Schreiben gelernt, ein Privileg, das nur den wenigsten zuteilwurde. Aber das war nur ein schwacher Trost für mich. Auch deshalb hoffte ich, mein Ungeborenes und ich würden es im Elternhaus meines Gatten besser haben. Immerhin war sein Vater Handschuhmacher und hatte es aufgrund seiner Tüchtigkeit bis zum Magistrat gebracht. Und das, obwohl er weder des Lesens noch des Schreibens mächtig war und sämtliche Dokumente mit einem Kreuz unterzeichnete. Besser ein Leben an der Seite von William, so schien es, als Mutter eines Kindes, die von ihrem Liebhaber im Stich gelassen worden war.
Weit gefehlt. Zum einen waren da nämlich Williams Geschwister, zwei ältere und fünf jüngere, also insgesamt sieben an der Zahl. Hinzu kamen seine Eltern, mein Gatte und ich sowie Susannah, unsere Tochter, die sechs Monate nach unserer Hochzeit das Licht der Welt erblickte. Zwölf Menschen unter einem Dach, die Zwillinge, welche ich drei Jahre nach meiner Hochzeit gebar, nicht mitgerechnet. Mit einer Ehe, wie ich sie mir erträumte, hatte dies nichts zu tun. Kein Tag, an dem es keine Streitereien gab, keine Stunde, während der ich nicht unter Beobachtung stand. Nicht einmal ein halbes Jahr war vergangen, als ich meinen Entschluss zutiefst bereute.
Und was tat William? Nichts. Anstatt sich um eine ehrbare Beschäftigung zu bemühen, ging er seinem Vater zur Hand, wenn Not am Mann war, handelte mit Wolle und betrieb Geldgeschäfte, wofür er eine ausgesprochene Begabung besaß. Die Tatsache, dass Zinsnehmen verboten war, schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern. Ansonsten lebte er in den Tag hinein, half mal bei diesem, mal bei jenem Nachbarn in der Henley Street aus. Am liebsten hielt er sich jedoch im Wirtshaus auf, entweder im Swan oder im Bear, wie ich aus leidvoller Erfahrung zu berichten weiß. Wie oft ich die Tavernen in der Bridge Street aufgesucht habe, um ihn vom Trinken und vom Würfelspiel abzuhalten, weiß ich nicht mehr. Dass die Mühe letztendlich vergebens war, bereitete mir großen Kummer, und wenn ich in den Spiegel sah, fiel mein Blick auf das Konterfei einer verhärmten Frau.
An der Tatsache, dass er die King's New School vorzeitig verlassen musste, trug mein Gatte freilich keine Schuld. Der Grund war ein relativ simpler: John Shakespeare, immerhin Stadtrat, konnte das Schulgeld nicht mehr zahlen. Außerdem, so wurde hinter vorgehaltener Hand verbreitet, war er in undurchsichtige Geschäfte verwickelt, über die in Familienkreisen Stillschweigen bewahrt wurde. Sicher ist, dass mein Schwiegervater anno 1577 auf sämtliche Ämter und Ehren verzichtete und von da an nur noch als Handschuhmacher arbeitete. Über die Gründe dafür kann ich nur spekulieren. Gerüchte, er sei heimlicher Katholik gewesen, machten ebenso die Runde wie die Behauptung, Großvater John habe sich mit seinen Amtsgenossen überworfen. All das habe ich erst nach und nach erfahren, und als ich es erfuhr, war die Tür des Käfigs ins Schloss gefallen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Von einem Familienleben, wie ich es mir vorgestellt hatte, konnte nicht die Rede sein. Zwölf Menschen unter einem Dach, die Lehrlinge meines Schwiegervaters nicht mitgezählt. Das war mehr, als ich ertragen konnte.
Doch damit nicht genug. Wie Du aus eigener Erfahrung weißt, wurde mir eine Vielzahl von Aufgaben aufgebürdet, solche, die ich mit Freuden versah, und andere, die mir immer mehr zur Last wurden. Dass meine Mutterpflichten an erster Stelle kamen, versteht sich natürlich von selbst. Aber das änderte nichts daran, dass ich mir mit der Zeit wie eine Dienstmagd vorkam, von morgens bis abends auf den Beinen, um meiner Schwiegermutter zur Hand zu gehen. Die Kinder ankleiden und versorgen, flicken und stopfen, Wäsche waschen und Mahlzeiten zubereiten, Wolle spinnen und Stoffe färben, Brot backen und Ale brauen, putzen und schrubben und mich darüber hinaus um den Garten und die Mahlzeiten für die beiden Lehrlinge kümmern. Wahrlich, um meine Rolle als Mädchen für alles war ich nicht zu beneiden, auch darum nicht, einen Mann wie William geehelicht zu haben.
Und dann, an einem Frühlingstag anno 1588, geschah es. William war verschwunden, gerade so, als habe sich der Erdboden aufgetan und ihn verschluckt.
Allein, dem war nicht so.
Monate später, im Herbst des gleichen Jahres, hielt ich einen Brief in der Hand, aus der Feder meines Gatten, wie die krakelige Schrift bewies. Freude stieg in mir auf, doch als ich ihn las, stockte mir der Atem. Er befinde sich in London, ließ mich mein ehrenwerter Gemahl wissen, und er habe vor, die Schauspielkunst zu erlernen. Schauspieler. Zuerst glaubte ich, meine Sinne spielten mir einen Streich. Aber dann las ich den Brief noch einmal von vorn, und da begriff ich, dass es William ernst damit war. Von meinem Gatten, der sich wie ein Dieb davongestohlen hatte, hatte ich ohnehin keine Hilfe zu erwarten. So furchtbar die Erkenntnis war, mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu akzeptieren.
Schauspieler. Eine brotlose, wenn nicht gar in Verruf stehende Kunst. Leute dieses Schlages waren fahrendes Volk, wurden geduldet, aber nicht respektiert. Und lebten von der Hand in den Mund. Von den Brotkrumen, die vom Tisch der Betuchten fielen.
Da saß ich nun, Gattin eines Bruders Leichtfuß, der keinen Gedanken daran verschwendete, wie wir unseren Lebensunterhalt bestreiten sollten. Schwiegertochter eines Mannes, der sich mit Mühe und Not über Wasser halten konnte. Und Tochter eines Freisassen, der mir die stolze Summe von sechs Pfund, 13 Schillingen und vier Pence hinterlassen hatte, auszuzahlen an dem Tag, wo ich in den Stand der Ehe treten würde. Eine Summe, die mein Gatte binnen kürzester Zeit verschleuderte.
Aber ich will mich nicht beklagen. Das Schicksal, dem wir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, hatte es so gefügt. Mir blieb nichts übrig, als das Beste daraus zu machen. Auch als William noch in Stratford weilte, hatte ich auf eigenen Beinen stehen müssen. Sehr viel würde sich folglich nicht ändern, außer dass ich mit dem Weggang meines Gatten eine Sorge weniger...
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