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John Wallis, der Besitzer der Marinebuchhandlung, ließ keine Gelegenheit aus, sein Etablissement mit dem Zusatz »königlich« zu schmücken.
Nigel Hyman, Sidmouth's Royal Connections
Violas Ermahnung noch im Ohr, machte Emily sich auf den Weg zur Marinebuchhandlung, um mit Mr Wallis, dem hoch angesehenen ortsansässigen Verleger und Buchhändler, zu sprechen.
Der zarte, bebrillte Witwer in den Vierzigern hatte ein schmales, intelligentes Gesicht. Die alleinstehenden Frauen des Ortes schienen allgemein eine große Vorliebe für seine Leihbücherei zu haben, doch Emily war nie aufgefallen, dass er ein romantisches Interesse an einer von ihnen gezeigt hätte. Seine Aufmerksamkeit galt allein seinen beiden Söhnen und seinen vielfältigen verlegerischen Projekten.
Die anderen Frauen liebten seine Anekdoten über die prominenten Besucher von Sidmouth, doch Emily war sehr viel stärker an den Autoren interessiert, die er im Laufe der Jahre kennengelernt hatte. In den zwölf Monaten, die die Summerses jetzt in Sidmouth lebten, hatten Emily und Mr Wallis viele Gespräche über Bücher und Schriftsteller geführt. Bestimmt war ihm aufgefallen, wie belesen sie war. Hatte Viola recht? Wäre er vielleicht einverstanden, dass sie seine künftigen Werke redigierte und auch die Druckfahnen Korrektur las? Wenn ja, wäre es natürlich ein Glücksfall für sie, ein wenig eigenes Geld damit verdienen zu können, dass sie alles lernte, was es über das Verlagsgeschäft zu lernen gab.
Jetzt stand sie vor der Buchhandlung und trat nach kurzem Zögern ein. Beim Klingeln der Ladenglocke stieg gewöhnlich freudige Erwartung in ihr auf, doch nicht diesmal. Sie war viel zu nervös.
Sie ließ den Blick suchend über die Regale voller Spiele, Karten und Zeitschriften hinweg zum Schreibtisch schweifen, entdeckte jedoch weder Mr Wallis noch seinen Angestellten. Nur der ältere seiner beiden halbwüchsigen Söhne war da; er saß auf einem Stuhl und ließ müßig die Beine baumeln.
Vielleicht war Mr Wallis nur kurz hinaufgegangen und würde jeden Augenblick zurückkommen.
Sie ging zu dem Jungen und sagte: »Guten Tag. Ist dein Vater zu sprechen?«
»Nein, Miss. Er ist zum York Hotel gegangen, um sich dort mit irgendjemand zu treffen. Ich soll hierbleiben und auf die Kasse aufpassen.«
»Ich verstehe. Kommt er bald zurück?«
»Keine Ahnung.«
»Nun gut. Dann bleib weiter so gut bei deiner Aufgabe.«
Sie lächelte dem Jungen zu und verließ den Laden. Mit wem Mr Wallis sich wohl treffen mochte? Vielleicht ein weiterer berühmter Schriftsteller? Der Gedanke animierte sie.
Sie ging die Promenade entlang in Richtung Osten, auf das am Meer gelegene große Hotel zu. Nicht weit davon befand sich die andere Bücherei von Sidmouth, in der Emily noch nie gewesen war. Der finanzielle Rahmen ihrer Familie gestattete es nicht, zugleich Mitglied in zwei Leihbüchereien zu sein.
Als sie die Eingangshalle des Hotels betrat, war niemand zu sehen, doch sie hörte Stimmen und ging ihrem Klang nach zu einer offenen Tür gegenüber der Rezeption. Der Raum, in den sie führte, schien ein privater Salon zu sein. Sie sah eine Tapete in zartem Blau und Creme, schöne Polstermöbel und eine hohe Standuhr. Mitten im Zimmer stand Mr Wallis, er unterhielt sich mit drei anderen Männern. Auf einem Tisch vor ihnen lagen zwei große Drucke.
Im Gegensatz zu Mr Wallis' eher kleiner Gestalt und gelehrtem Habitus waren die anderen Gentlemen außergewöhnlich groß, hielten sich sehr gerade und wirkten ausgesprochen männlich. Die beiden Größeren kannte sie von ihrem Besuch in Sea View: Es waren der imposante Captain Conroy und der gut aussehende Privatsekretär des Herzogs. Sie betrachtete den dritten Mann, der die ungeteilte Aufmerksamkeit der drei anderen Anwesenden besaß. Es war ein älterer Mann, der ihr vage bekannt vorkam: untersetzte Gestalt, Glatze und L-förmige Koteletten. Das war kein berühmter Schriftsteller - es war Prinz Edward selbst, der Herzog von Kent.
Sie hatte Zeichnungen des früheren Militärs in den Zeitungen gesehen - allerdings meist wenig schmeichelhafte Karikaturen.
Mr Wallis sagte gerade: »Eure Königliche Hoheit, gestatten Sie mir, Ihnen diesen Stich einer der meistbewunderten Ansichten von Sidmouth zu schenken, die ich bei dem bekannten Künstler Hubert Cornish in Auftrag gegeben habe.«
Der Prinz gab seiner aufrichtigen Billigung Ausdruck und entgegnete liebenswürdig: »Es wird mir eine große Freude sein, ihn Ihrer Königlichen Hoheit zu zeigen.«
Sie setzten ihr Gespräch noch ein paar Minuten fort, dann war das Treffen beendet. Captain Conroy wandte sich als Erster zur Tür. Emily trat rasch zurück, doch da ruhten seine schwarzen Augen bereits mit deutlicher Missbilligung auf ihr, um sich gleich wieder wegzuwenden.
Die Besucher verließen den Salon und gingen durch die Eingangshalle zum Ausgang. Dabei blickte der Privatsekretär des Herzogs sich noch einmal nach ihr um und nickte ihr kurz zu.
Mr Wallis kam als Letzter heraus, er wirkte zugleich euphorisch und völlig erschöpft.
Als er sie sah, blieb er stehen. »Ah, Miss Summers.«
»Eine erhabene Gesellschaft, in der ich Sie vorfinde«, sagte sie.
»Wissen Sie, wer das war?«
»Ich glaube, ja.«
»Ich sollte nichts sagen. Noch nicht.«
Sie gestand: »Wenn es die königlichen Gäste betrifft, die Sidmouth besuchen wollen - das weiß ich bereits. Zumindest teilweise.«
»Wirklich?« Er blinzelte sie hinter seinen rechteckigen Brillengläsern an. »Und wie sind Sie an diese Information gekommen?«
»Ein Teil seiner Dienerschaft wird in Sea View logieren.«
»Ah, ich verstehe.«
Sie deutete auf den jetzt leeren Salon. »Und wie ist es Ihnen gelungen, dieses Treffen zustande zu bringen?«
Er trat näher und sagte mit leiser, hörbar erregter Stimme: »Ich bin froh, dass Sie wissen, wer dieser Mann war, ich würde nämlich platzen, wenn ich es niemandem erzähle. Als General Baynes mir im Vertrauen mitteilte, dass eine bestimmte Persönlichkeit Sidmouth besuchen wolle, um sich hier niederzulassen, war ich so kühn, an Seine Königliche Hoheit zu schreiben und ihn einzuladen, mich hier zu treffen, weil ich ihm ein Geschenk machen wollte, einen Stich der Gesamtansicht von Sidmouth. Doch als sein Sekretär dann antwortete, dass er das Geschenk tatsächlich annehmen wolle, war niemand überraschter als ich.«
»Gut gemacht!«, lobte Emily und entschied, dass dies auf keinen Fall der richtige Zeitpunkt war, die Fehler zu erwähnen, die sie in seiner letzten Veröffentlichung gefunden hatte.
Stattdessen verließ sie an seiner Seite das Hotel. Draußen auf der Promenade fiel Emily ein Mann am Strand auf, der lediglich mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet war. Sie konnte gerade noch einen Ausruf der Empörung unterdrücken.
Jetzt nahm er einen langen, geblümten Bademantel, der auf einem großen Stein lag, steckte die Arme in die Ärmel und zog die samtbesetzten Aufschläge zurecht.
Dann schlenderte er auf sie zu, mit offenem Bademantel, lose hängendem Gürtel und nackter Brust.
Mr Wallis drehte sich um, um zu sehen, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, und runzelte die Stirn. »Laffe«, murmelte er.
Dunkles, lockiges Haar fiel dem Mann tief in die Stirn. Lange, exakt geschnittene Koteletten umrahmten ein Gesicht, das nicht besonders gut aussehend, sondern eher interessant war, mit der gebogenen Nase, die beinahe südländisch anmutete.
Als er näher kam, bedachte er ihren Begleiter mit einem süffisanten Lächeln. »Ah. Wallis. Sie hätten sich mir anschließen sollen. Nichts ist so erfrischend wie ein stärkendes Bad im Meer. Das kalte Wasser entzieht der Haut praktisch das ganze Blut und treibt es dann wieder zurück an die Oberfläche.« Er klopfte sich mit der Faust auf die Brust. »Jetzt glüht mein Körper förmlich vor Wärme und Lebenskraft. Wohingegen Sie .« Sein Blick glitt bedeutungsvoll über Wallis' spindeldürre Gestalt, doch er ließ den Satz unbeendet.
Dann neigte er, offensichtlich ohne jedes Bewusstsein für seinen spärlich bekleideten Zustand, seinen Kopf in Richtung Emily und ging mit einem höflichen »Miss« an ihnen vorüber.
Sie drehte sich um und sah ihm bis ans Ende der Promenade nach.
»Wer ist das?«, fragte sie beunruhigt.
Wieder runzelte Mr Wallis die Stirn. »Mein Rivale.«
Als Emily wenige Minuten später nach Sea View zurückkehrte, drang ihr aus dem Salon Mr Gwilts Singsang entgegen. Wahrscheinlich unterhielt er wieder einmal die Zwillinge von Mr und Mrs Johnson.
Jedes Mal, wenn Emily die beiden zehnjährigen Jungen sah, wurde sie an ihre eigene Zwillingsschwester erinnert, doch die beiden Jungen sahen sich sehr viel ähnlicher, als es bei ihr und Viola je der Fall gewesen war. Ihre Schwester hatte rotbraune Haare und haselnussbraune Augen, Emilys Haare und Augen waren dunkelbraun. Viola war außerdem kleiner, nahm aber dennoch einen großen Raum in Emilys Herzen ein. Sie vermisste Viola jeden einzelnen Tag, jetzt, da sie verheiratet war und bei ihrem Mann lebte. Zum Glück war Westmount nicht weit entfernt und die beiden besuchten einander häufig.
Mr Gwilt war im vergangenen Sommer selbst Gast in Sea View gewesen und danach als Teilzeitbuchhalter und Faktotum bei ihnen geblieben, als Hilfe für den allmählich gebrechlich werdenden Diener Lowen.
Mr Gwilt, ein Witwer um die Fünfzig, ein kleiner Waliser von äußerst liebenswürdigem Charakter, war stets zu allen Menschen freundlich. Doch er besaß eine Eigenheit. Er war in Begleitung nach Sea View...
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