BOTENSTOFFE DES LERNENS
Wie eben schon angedeutet, kann man Botenstoffe mit Gefühlen übersetzen, denn genau das lösen sie aus: Emotionen und Erregungen jeglicher Art. Emotionen wiederum wirken wie D-Züge ins Langzeitgedächtnis, deshalb ist es so wichtig zu wissen, welche Gefühle welche Wirkung im Gehirn des Hundes haben können.
Katalysatoren für schnelles Lernen sind für uns Menschen genauso wie für Hunde, Katzen oder Meerschweinchen Botenstoffe, die alle unterschiedliche Wirkungen im Gehirn entfalten, Emotionen auslösen und Erfahrungen abspeichern helfen. Sie versetzen uns in Vorfreude wie das Dopamin, sorgen für mehr Gelassenheit wie das Serotonin oder beflügeln uns nach einem genialen Schach-Matt-Zug beim Schachspiel so wie das soziale Gewinnerhormon Testosteron. Wenn wir wissen, wann sie ausgeschüttet werden und was sie bewirken, können wir sie ganz gezielt in sozialen oder sonstigen Lernsituationen mit Hunden einkalkulieren und sehr viel Gutes dabei erreichen für ein entspanntes Leben mit einem sehr klugen Hund. Damit es nicht zu kompliziert wird, kommt hier eine Übersicht:
DOPAMIN
SEROTONIN
OXYTOCIN
CORTISOL & NORADRENALIN
ENDORPHIN
Neurotransmitter
Neurotransmitter
Hormon
Hormon & Neurotransmitter
Opioitpeptide
Herstellungsort:
Hypothalamus
Herstellungsort:
Hypothalamus
Herstellungsort:
Hypothalamus
Herstellungsort:
Nebennierenrinde & Hypothalamus
Herstellungsort:
Hypothalamus
Situation & Gefühl:
Erfolgsmomente, Selbstbelohnungsdroge
Situation & Gefühl:
Hemmung der Impulsivität
Situation & Gefühl:
Vertraute Innigkeit
Situation & Gefühl:
Lernen, Stress
Situation & Gefühl:
Hier oder mit dir ist alles wunderbar!
Wird schon in der Erwartungshaltung ausgeschüttet. Rassespezifisch unterschiedlich
Stimmungsaufheller, Gelassenheit - stimuliert Bereiche der Großhirnrinde, die für emotionale Regulation stehen
Bindungskatalysator, Ausstoß bei Körperkontakt (Streicheln) und Ansehen bei Mensch UND Hund
Erhöhte Aufmerksamkeitshaltung
Panik
Verstärkt die Ausschüttung von Dopamin
SEROTONIN - FÜR MEHR GELASSENHEIT
Es ist tatsächlich etwas gemein, aber die Fähigkeit zur Gelassenheit ist zwar durchaus angeboren, aber individuell höchst unterschiedlich gut ausgeprägt. Wer selbst leicht erregbar ist, hat das in der Schule sicher schmerzlich erleben müssen. Zumindest in Zeiten des Frontalunterrichts hatten es phlegmatischere Charaktere leichter und konnten ohne Probleme zwei Stunden ruhig sitzenbleiben, während Zappelphilippe immer unruhig auf dem Stuhl gewackelt haben - und dafür auch noch ausgeschimpft wurden.
Der Botenstoff, der uns dabei helfen kann, ein besser zu kontrollierendes Verhalten zu entwickeln, ist das Serotonin. Seine Rezeptoren müssen in Gehirnen aktiviert werden, und wenn wir uns oft zusammenreißen lernen, dann werden sie immer aktiver und besser funktionieren. Gelassenheit lässt sich also durch ein effektives Training auch in Bereichen verbessern, in denen wir schnell versagen. Wichtig ist hier, dass wir in bewältigbaren, kleinen Schritten starten, sodass die Kandidaten ein schnelles Erfolgserlebnis haben - und dann die jeweiligen Herausforderungen langsam steigern. Denn die Fähigkeit zum Abwarten, die Fähigkeit, etwas Verführerisches eben NICHT zu tun, kann Hunde davor bewahren, "falsche" Erfahrungen zu machen und ermöglicht ihnen stattdessen, besser beobachten und das "Richtige" lernen zu können. Deshalb ist es sehr wichtig, dem Training des "Bedürfnisaufschubs", und damit dem Training der Serotoninausschüttung, sehr viel Aufmerksamkeit im Hundetraining zu widmen.
DOPAMIN - LERNEN MACHT SPAß!
Ähnlich wie beim Oxytocin, gibt es auch für das Dopamin-Rezeptorgen einen starken "Polymorphismus", also eine Vielgestaltigkeit beim Hund. Hier findet gerade spannende Forschung statt, inwiefern sich diese Vielgestaltigkeit des Dopamingens im unterschiedlichen Verhalten der Rassen niederschlägt. Denn es könnte erklären, warum leicht erregbare Hunde wie Jack Russell Terrier, Border Collies oder Malinois so gerne und schnell lernen - großartige, aber leider auch die falschen Dinge. Und warum sie sehr häufig davon betroffen sind, stereotypes und Sucht-Verhalten zu entwickeln.
KLEINER DOPAMIN-RAUSCH
Dopamin kann Hunde in einen Rauschzustand versetzen. Dopamin fühlt sich nämlich verdammt gut an, wenn es im Blut kreist. Wir Menschen kennen das Gefühl, wenn wir uns am Donnerstag auf die Party am Freitag vorfreuen. Von unseren Hunden können wir einen kleinen aber feinen Dopaminausbruch erleben, wenn wir unsere Schuhe anziehen, um zur großen Hunderunde aufzubrechen - das wird häufig von aufgeregtem Fiepen oder Getrippel vor der Tür untermalt. Doch Dopamin generell zu verteufeln wäre ungerecht, denn in der richtigen Dosis sorgt es dafür, dass Hunde wahnsinnig schnell lernen können. Wir setzen deshalb ganz gezielt zum Beispiel auf ein ausgelassenes, gemeinsames Spiel nach dem Lernen, weil dadurch der Lerninhalt besonders schnell im Langzeitgedächtnis fixiert wird. Das Spiel darf aber niemals monoton, sondern muss immer kreativ, unvorhersehbar, also nie gleich sein. Das hört sich kompliziert an? Ist es aber gar nicht, wie ihr in den einzelnen Kompetenz-Kapiteln sehen werdet!
© Trio Bildarchiv/Julia Hartmann
Viele Terrier sind leicht erregbar und .
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. entwickeln durch monotone Bewegungsabläufe .
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. sehr schnell Suchtverhalten.
CORTISOL - SPANNEND ODER STRESSIG?
Ein toller Teampartner von Dopamin ist Cortisol. In einer leichten Prise ausgeschüttet erhöht es die Aufmerksamkeitshaltung und macht uns offen für neue Lernerfahrungen. Nur wenn zu viel Cortisol im Spiel ist, kann die Wirkung ins Gegenteil umschlagen und Cortisol wirkt als Lernbremse. Hier ist entscheidend, dass wir unsere Hunde nicht überfordern oder zu viel von ihnen erwarten. Das setzt sie nämlich unter Stress und sorgt für keine angenehme Lernatmosphäre (siehe "Drei goldene Spielregeln").
Viel besser und erfolgsversprechender ist es, beim Lernen neuer Kompetenzen immer leicht unter dem geistigen Niveau des Hundes zu bleiben, damit es nicht zu einer unschönen Überforderung kommt. Und dann aufzuhören, wenn es am schönsten ist - denn zu viele Wiederholungen am Stück sind nicht nur langweilig, sondern oft auch stressig und sorgen für einen nicht gelungenen Abschluss der Übungsstunde.
Die Kombination einer Prise Cortisol mit Dopamin ist dabei ideal, denn diese beiden Botenstoffe bilden das perfekte Doppel, um neues Wissen ins Gehirn zu transportieren (siehe Kasten hier)!
So kann zum Beispiel bei Impulskontrollübungen in den Momenten des kurzen Innehaltens Spannung erzeugt werden, indem wir auch körperlich innehalten - eine Prise Cortisol wird dabei ausgeschüttet, die für eine erhöhte Aufmerksamkeitshaltung des Hundes sorgt - und dann wieder das Markerwort auflösen und in die Bewegung gehen. Mit einem fröhlichen Spiel zur Belohnung liegen wir dann genau richtig, weil durch das Dopamin die Innehalten-Übung positiv besetzt wird - und das nächste Mal wieder gerne mit uns "Bleiben gespielt" wird (siehe hier).
Wenn man weiß, wie, können (Impulskontroll-)Spiele viele positive Effekte haben.
ADRENALIN UND NORADRENALIN
Angst, Flucht oder Angriff? Wenn wir uns erschrecken, stark überfordert oder in die Ecke gedrängt fühlen, werden Adrenalin und Noradrenalin als Körperhormone im Nebennierenmark oder als Neurotransmitter im Gehirn ausgeschüttet. Sie sorgen dafür, dass wichtige Körperfunktionen wie Hunger oder Blasendrang, die Lust an Sex oder Spielen in diesen Momenten keine Bedeutung mehr haben. Stattdessen versetzen sie alle Sinnesorgane auf Alarmbereitschaft, verengen die Blutgefäße und erhöhen dadurch den Blutdruck und setzen Energiereserven frei, damit der Hund bereit ist, schnell reagieren zu können.
In diesem Zustand ist es Hunden nicht möglich, neuen Lernstoff aufzunehmen - deshalb ist eine vertraute Umgebung und vertrauensvolle Beziehung Voraussetzung für das Erlernen von wichtigen Fähigkeiten. Ist das nicht gegeben, brauchen wir gar nicht erst versuchen, unserem Hund etwas beizubringen. Können wir am Verhalten erkennen, dass der Hund überfordert und kurz vor der Panik ist, sollten wir ihn stattdessen durch ruhiges Auftreten und...