Schweitzer Fachinformationen
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C'est moi, c'est moi, c'est moi!
Je suis la Mandragore!
La fille des beaux jours qui s'eveille à l'aurore
Et qui chante pour toi!
C. Nodier
In den Tagen ohnegleichen vor den Großen Prüfungen sah ein Genie namens Graydon voraus, daß die Fortschritte der Bildung und der Lebensstandard alle Flutmarken des Geistes in einem Schlammschwall standardisierten Lesestoffs würden versinken lassen; deshalb schuf er das »Syndikat für Prosa-Nachschub«, um den Bedarf zu decken.
Da ihnen ein paar Tage Arbeit bei ihm mehr Geld einbrachten als eine Woche anderswo, zog es viele junge Männer - einige sind heute berühmt - in seine Dienste. Er ließ sie das Groschenbuch der Träume und den Katalog der Army and Navy Stores im Auge behalten (diesen für wechselnde Hintergründe und Ausstattungen) sowie den Freund für Heim und Herd, ein Wochenblatt, das sich mit unvergleichlichem Erfolg auf die häuslichen Emotionen spezialisiert hatte. Trotz allem ließ sich jedoch die Jugend nicht verleugnen, und einiges von dem in Kollaboration gezeugten Liebesgeflüster in Heillos ist die Leidenschaft und Enas verlorene Liebschaften wie auch die Schilderung der Ermordung des Earls in den Tragödien in Wickwire - um nur einige Meisterwerke zu erwähnen, die heute aus Angst vor Verleumdungsklagen nie mehr genannt werden - war mindestens so gut wie alles, was die gleichen Autoren in vornehmeren Jahren mit ihren wirklichen Namen unterzeichneten.
Unter den jungen Raben, die es dazu trieb, eine Weile in Graydons Arche zu nisten, befand sich James Andrew Manallace - ein langsamer, dämmeriger Mensch aus dem Norden, von der Sorte, die nicht selber zündet, sondern in Gang gesprengt werden muß. Gab man ihm eine schriftliche oder mündliche Handlungsskizze, so war er nutzlos; aber mit einem halben Dutzend Bilder, um die er seine Geschichte schreiben konnte, leistete er Erstaunliches.
Und er verehrte die Frau, die später Vidal Benzaquens Mutter wurde und die litt und starb, weil sie einen liebte, der es nicht wert war. Zur Truppe gehörte auch ein manierierter, bauchiger Mensch namens Alured Castorley, der über »Bohème« redete und schrieb, sich aber immer fürchtete, durch die wöchentlichen Abendessen in Neminakas Café am Hestern Square »kompromittiert« zu werden; dort wurde die Arbeit des Syndikats aufgeteilt, und dort kümmerte sich keiner um andere. Auch er hatte eine Zeitlang Vidals Mutter geliebt, auf seine Weise.
Es war an einem Samstag im Neminaka. Graydon, der Manallace ein Bündel Drucke gegeben hatte - aus einem vergessenen Kinderbuch mit dem Titel Philippas Königin gerissen -, über die er improvisieren sollte, erkundigte sich nach dem Ergebnis. Manallace griff in die Tasche seines Ulster, zögerte einen Moment und sagte, der Stoff sei in seinen Händen zu Dichtung geraten.
»Blödsinn!«
»Eben nicht«, gab der Junge zurück. »Es ist ziemlich gut geworden.«
»Dann können wir es nicht gebrauchen.« Graydon lachte. »Hast du die Ausschnitte wieder mitgebracht?«
Manallace reichte sie ihm. In der Serie gab es eine Burg; einen Ritter oder so ähnlich in Rüstung; eine alte Dame mit geflügeltem Kopfputz; eine junge dito; einen sehr offensichtlichen Juden; einen Schreiber, mit Feder und tragbarem Tintenfaß, der auf einem Kai Weinfässer inspizierte; und einen Kreuzritter. Auf der Rückseite eines der Drucke stand: »Warum kann er nicht gefangengenommen und für Lösegeld festgehalten werden, wenn er nicht gehen will?« Graydon fragte, was das alles bedeute.
»Weiß ich noch nicht. Vielleicht eine komische Oper«, sagte Manallace.
Graydon, der selten Zeit vergeudete, gab die Ausschnitte einem anderen und zahlte Manallace wie üblich ein paar Sovereigns als Vorschuß, damit er weitermachen konnte; Castorley war verärgert darüber und hätte etwas Unersprießliches gesagt, man ließ ihn aber nicht zu Wort kommen. Als das Abendessen halb vorüber war, erzählte Castorley der Truppe, ein Verwandter sei gestorben und habe ihm genug hinterlassen, um sich unabhängig zu machen; und er ziehe sich hiermit zurück vom »Geschreibsel«, um der »Literatur« zu obliegen. Normalerweise freute sich das Syndikat, wenn einer der Kameraden das große Los zog, aber Castorley hatte die Gabe, Leute gegen sich aufzubringen. Die Nachricht wurde folglich mit einem Dankesvotum quittiert. Castorley ging sofort und machte, wie es heißt, 'Dal Benzaquens Mutter einen Antrag, den sie ablehnte. Er kam nie zurück. Manallace, schon in gehobener Stimmung eingetroffen, war vor Mitternacht so betrunken, daß einer bleiben und ihn heimbringen mußte. Alkohol beeinträchtigte ihn aber niemals oberhalb der Gürtellinie, und als er ein wenig geschlafen hatte, rezitierte er dem Gasleuchter die Dichtung, die er aus den Bildern gemacht hatte; sagte, er überlege sich, ob er nicht eine komische Oper daraus machen sollte; beklagte den Einfluß von Gilbert & Sullivan, der dem des Upasbaums gleiche; sang ein wenig, um sein Argument zu illustrieren; und wurde - übrigens nachdem er Worte mit einer Negerin in gelbem Satin gewechselt hatte - in seine Gemächer gesteuert.
Innerhalb weniger Jahre wurden Graydons Voraussicht und Genie belohnt. Das Publikum begann, auf höheren Ebenen zu lesen und zu argumentieren, und das Syndikat wurde reich. Noch später verlangten die Leute von ihren Druck-Sachen, was sie von Kleidung und Möbeln erwarteten. Ebenso wie der Handtasche für drei Guineas binnen dreier Wochen ihre durch nichts zu unterscheidende Schwester für dreizehn Shilling und siebeneinhalb Pence folgt, erfreuten sie sich vollkommen synthetischen Ersatzes für Handlung, Empfindung und Gefühl. Graydon starb, ehe die Schule der Filmuntertitel ins Geschäft kam, aber er hinterließ seiner Witwe siebenundzwanzigtausend Pfund.
Manallace gelangte zu Ruhm und, wichtiger, zu Geld für Vidals Mutter, als ihr Mann fortlief und sich die ersten Symptome ihrer Paralyse zeigten. Sein Gebiet waren heiter-sentimentale Abenteuer à la Wardour Street, erzählt in einem Stil, der allen Erwartungen exakt entsprach, sie aber niemals übertraf.
Wie er einmal auf die Aufforderung, »ein richtiges Buch« zu schreiben, sagte: »Ich hab mein Markenzeichen, das lass' ich nicht sausen. Wenn man den Leuten das Denken erspart, kann man alles mit ihnen machen.« Abgesehen von seinen Erzeugnissen war er wirklich ein Literat. Er mietete ein kleines Haus auf dem Land und sparte an allem, außer an Pflege und Sorge für Vidals Mutter.
Castorley klomm höher. Als seine Erbschaft ihn vom »Geschreibsel« befreite, wurde er zuerst Kritiker - in welchem Gewerbe er in treuer Verbundenheit all seine alten Gefährten skalpierte, sobald sie aufstiegen - und hielt dann Ausschau nach einer Spezialisierung. Nachdem er sie gefunden hatte (Chaucer war das Opfer), sicherte er seine Position, ehe er sie einnahm, durch vorsichtige Rede, kultiviertes Betragen und die Flüsterworte seiner Freunde, denen auch er die Plage des Denkens erspart hatte. Als er seine ersten ernsthaften Artikel über Chaucer veröffentlichte, sagten daher alle an Chaucer Interessierten: »Hier spricht eine Autorität.« Aber er war kein Hochstapler. Er lernte und kannte seinen Dichter und dessen Zeit; und in einem einmonatigen Kleinkrieg in einem strengen literarischen Wochenblatt stellte er sich einem anerkannten Chaucer-Experten jener Tage und zerfetzte ihn. »Aus alter Verbundenheit«, wie er einem Freund schrieb, machte er sich sogar die Mühe, eines von Manallace' Büchern zu rezensieren, mit einer Menge ins Intime reichender, unappetitlicher Deduktionen (das war vor den Tagen Freuds), die sehr lange ihresgleichen suchten. Ein Mitglied des weiland Syndikats nahm die Gelegenheit wahr und fragte ihn, ob er nicht - »aus alter Verbundenheit« - Vidals Mutter zu einer neuen Behandlung verhelfen wolle. Er antwortete, er habe »die Dame nur flüchtig gekannt«, und durch andere Verpflichtungen sei seine Börse so beansprucht, daß etc. Der Briefschreiber zeigte die Antwort Manallace, der sagte, er sei froh, daß Castorley sich nicht eingemischt habe. Zu dieser Zeit war Vidals Mutter ganz paralysiert. Nur ihre Augen bewegten sich, und die suchten immer nach dem Mann, der sie verlassen hatte. So starb sie in Manallace' Armen, im April des ersten Kriegsjahres.
Während des Kriegs wuschen Manallace und Castorley gewissermaßen die schmutzige Wäsche einer Abteilung im Amt für Koordinierte Überwachung. Hierbei lernte Manallace Castorley wieder kennen. Castorley, der einen süßen Zahn hatte, schnorrte für seinen Tee Zuckerstückchen von einer Schreibkraft, und als die Frau begann, sie einem jüngeren Mann zu geben, richtete Castorley es ein, daß sie wegen Rauchens in dafür nicht vorgesehenen Räumen angezeigt wurde. Manallace beschaffte sich alle Einzelheiten der Affaire, als Entschädigung für die Rezension seines Buchs. Dann kam eine Nacht, in der die beiden Männer in Erwartung eines großen Luftangriffs wie Menschen miteinander redeten, und Manallace sprach über Vidals Mutter. Castorley gab ihm eine Antwort, und in dieser Stunde - wie einige Jahre danach herauskam - begannen Manallace' wahre Lebensaufgabe und Interessen.
Nach Kriegsende setzte Castorley alles daran, sich zum Pontifex maximus in Sachen...
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