Schweitzer Fachinformationen
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And whoso will, from Pride released,
Contemning neither creed nor priest,
May hear the soul of all the East
About him at Kamakura.
[Und wer dies will, von Stolz erlöst,
nicht Glauben und nicht Priester schmäht,
mag wohl des Ostens Seele hören
um sich in Kamakura.]
Sie betraten den festungsartigen Bahnhof, schwarz am Ende der Nacht; Stromkabel zischten über den Güterschuppen, wo der große Getreideumschlag des Nordens abgewickelt wird.
»Das ist Teufelswerk!« sagte der Lama; er schauderte zurück vor der hohl widerhallenden Dunkelheit, dem Glitzern der Schienen zwischen den gemauerten Bahnsteigen und dem Balkenlabyrinth in der Höhe. Er stand in einer riesigen steinernen Halle, die mit Leichen in Tüchern ausgelegt schien - Passagieren der dritten Klasse, die ihre Karten am Vorabend gekauft hatten und in den Wartesälen schliefen. Für Orientalen sind alle vierundzwanzig Stunden gleich, und entsprechend ist ihr Passagierverkehr geregelt.
»Da kommen die Feuerwagen her. Ein Mann steht hinter dem Loch da« - Kim deutete auf den Fahrkartenschalter -, »und der gibt dir ein Papier, das dich nach Ambala bringt.«
»Aber wir wollen nach Benares«, erwiderte der Lama verdrossen.
»Das ist eins. Von mir aus Benares. Schnell: Er kommt!«
»Nimm du die Börse.«
Der Lama war mit Zügen doch nicht so vertraut, wie er behauptet hatte, und er schrak zurück, als der nach Süden gehende Frühzug, der 3:25, hereingebraust kam. In die Schläfer fuhr Leben, und die Station füllte sich mit Lärm und Gebrüll, den Rufen der Wasser- und Kuchenverkäufer, Schreien eingeborener Polizisten und schrillem Gellen von Frauen, die ihre Körbe, Familien und Männer zusammensuchten.
»Das ist der Zug - nur der te-rain. Er geht schon nicht auf uns los. Warte!« Verblüfft über die ungeheure Einfalt des Lamas (er hatte ihm einen kleinen Beutel voll von Rupien gegeben), verlangte und bezahlte Kim eine Karte bis Ambala. Ein verschlafener Beamter grunzte und warf ihm eine Karte zur nächsten Station hin, gerade sechs Meilen entfernt.
»Nein«, sagte Kim; er musterte die Karte mit einem Grinsen. »Mit Bauern kann man so etwas machen, aber ich wohne in der Stadt Lahore. Schlau gemacht, Babu. Jetzt gib mir die Karte nach Ambala.«
Der Babu schnitt eine finstere Grimasse und legte die richtige Fahrkarte hin.
»Jetzt noch eine nach Amritsar«, sagte Kim, der keineswegs die Absicht hatte, Mahbub Alis Geld auf etwas so Unwichtiges wie eine Fahrkarte nach Ambala zu verschwenden. »Das kostet soundsoviel. Und soviel bekomme ich wieder raus. Ich kenne mich mit dem te-rain aus . Niemals hat ein yogi so sehr einen chela gebraucht wie du«, fuhr er fröhlich fort, an den verwirrten Lama gewandt. »Wenn ich nicht wäre, hätten sie dich in Mian Mir aus dem Zug geworfen. Hier entlang! Komm!« Er gab ihm das Geld zurück und behielt nur einen Anna von jeder Rupie, die die Karte nach Ambala gekostet hatte, als Provision - die seit Urzeiten übliche Provision Asiens.
Angesichts der offenen Tür eines übervollen Wagens dritter Klasse scheute der Lama zurück. »Wollen wir nicht lieber wandern?« sagte er schwach.
Ein stämmiger Sikh-Handwerker streckte seinen bärtigen Kopf heraus. »Hat er Angst? Du brauchst keine Angst zu haben. Ich kann mich noch erinnern, daß ich auch mal Angst vor dem te-rain hatte. Steig ein! Das Ding hier ist Regierungswerk.«
»Ich habe keine Angst«, sagte der Lama. »Habt ihr noch Platz für zwei?«
»Nicht mal für eine Maus«, keifte die Frau eines wohlhabenden Landwirts, eines Hindu-Jat aus dem reichen Distrikt von Jalandar. Unsere Nachtzüge werden nicht so gut beaufsichtigt wie die am Tag, in denen man die Geschlechter streng getrennt in verschiedenen Wagen fahren läßt.
»Oh, Mutter meines Sohnes, wir können Platz machen«, sagte der Gatte, der einen blauen Turban trug. »Nimm das Kind auf den Schoß. Das ist ein heiliger Mann, siehst du?«
»Und mein Schoß ist schon voll von siebzigmal sieben Bündeln! Warum forderst du ihn nicht gleich auf, sich auf meine Knie zu setzen, du Schamloser? Aber Männer sind nun mal so!« Sie sah sich beifallheischend um. Eine Kurtisane aus Amritsar, die am Fenster saß, zog hinter ihrem schmückenden Kopfschleier scharf die Luft ein.
»Steig ein! Steig ein!« rief ein fetter Geldverleiher, ein Hindu; er trug sein Kontobuch in ein Tuch gewickelt unter dem Arm. Mit öligem Grinsen: »Es ist gut, freundlich zu den Armen zu sein.«
»Ja, zu sieben Prozent monatlich und mit einem Pfandschein auf das ungeborene Kalb«, sagte ein junger Dogra-Soldat, der auf Urlaub nach Süden fuhr, und alle lachten.
»Fährt er denn wirklich nach Benares?« sagte der Lama.
»Ganz bestimmt. Weshalb wären wir sonst hier? Steig ein, oder wir bleiben hier sitzen«, rief Kim.
»Seht mal!« kreischte das Mädchen aus Amritsar. »Er ist noch nie in einen Zug gestiegen. Seht euch das bloß an!«
»Nein, helft lieber«, sagte der Landwirt; er streckte eine große braune Hand aus und zog ihn herein. »So wird es gemacht, Vater.«
»Aber . aber ich sitze auf dem Boden. Es ist gegen das Gesetz, auf einer Bank zu sitzen«, sagte der Lama. »Außerdem macht es mir Krämpfe.«
»Ich sage immer«, begann der Geldverleiher, wobei er seine Lippen vorstülpte, »es gibt keine einzige Regel eines geziemenden Lebens, die diese te-rains uns nicht zu brechen zwingen. Zum Beispiel sitzen wir neben allen möglichen Kasten und Leuten.«
»Ja, und neben überaus schändlichen und schamlosen dazu«, sagte die Gemahlin; sie warf dem Mädchen aus Amritsar, das dem jungen Sepoy schöne Augen machte, finstere Blicke zu.
»Ich habe ja gleich gesagt, wir hätten mit dem Karren auf der Straße fahren und dabei noch einiges Geld sparen können«, sagte der Gatte.
»Ja - und zweimal so viel, wie wir sparen, unterwegs für Essen ausgeben. Wir haben das doch zehntausendmal besprochen.«
»Ja, und zwar mit zehntausend Zungen«, knurrte er.
»Die Götter sollen uns armen Frauen beistehen, wenn wir nicht mal mehr reden dürfen. Aha! Er gehört zu der Sorte, die weder mit einer Frau reden noch sie anschauen darf.« Den Forderungen seiner Regel entsprechend nahm der Lama nämlich von ihr keinerlei Notiz. »Und sein Jünger ist genauso?«
»Nein, Mutter«, sagte Kim sehr schnell. »Nicht, wenn die Frau gut aussieht und vor allem mildherzig zu den Hungrigen ist.«
»Die Antwort eines Bettlers«, sagte der Sikh lachend. »Die hast du dir selbst zuzuschreiben, Schwester.« Kim hatte seine Hände flehend gekrümmt.
»Und wohin fährst du?« sagte die Frau; sie reichte ihm die Hälfte eines Kuchens aus einem fettigen Päckchen.
»Bis nach Benares.«
»Seid ihr vielleicht Gaukler?« sagte der junge Soldat. »Kennt ihr irgendwelche Tricks, um uns die Zeit zu vertreiben? Warum antwortet der gelbe Mann da nicht?«
»Weil er heilig ist«, sagte Kim stolz, »und über Dinge nachdenkt, die dir verborgen sind.«
»Das kann schon sein. Wir von den Ludhiana-Sikhs« - er sang es förmlich mit tiefer Stimme - »plagen uns die Köpfe nicht mit Lehren. Wir kämpfen.«
»Der Sohn des Bruders meiner Schwester ist naik [Korporal] in dem Regiment«, sagte der Sikh-Handwerker ruhig. »Es soll da auch ein paar Dogra-Kompanien geben.«
Der Soldat blickte böse drein, denn ein Dogra gehört einer niedrigeren Kaste an als ein Sikh, und der Bankier kicherte.
»Mir sind sie alle gleich«, sagte das Mädchen aus Amritsar.
»Das glauben wir gern.« Die Frau des Landwirts schnaufte boshaft.
»Ich meine doch, daß alle, die dem Sirkar mit der Waffe in der Hand dienen, wie eine große Bruderschaft sind. Es gibt eine Bruderschaft der Kaste, aber noch darüber steht doch« - sie blickte schüchtern um sich - »die Gemeinschaft des pulton - des Regiments - oder?«
»Mein Bruder ist in einem Jat-Regiment«, sagte der Landwirt. »Dogras sind tüchtige Männer.«
»Deine Sikhs wenigstens waren dieser Meinung«, sagte der Soldat; er warf dem gleichmütigen alten Mann in der Ecke einen scheelen Blick zu. »Deine Sikhs waren davon überzeugt, als wir ihnen mit unseren beiden Kompanien zu Hilfe gekommen sind, am Pirzai Kotal, gegen acht Afridi-Standarten auf dem Berg. Das ist noch keine drei Monate her.«
Er erzählte die Geschichte eines Grenzgefechts, bei dem sich die Dogra-Kompanien der Ludhiana-Sikhs gut geschlagen hatten. Das Mädchen aus Amritsar lächelte, denn sie wußte, daß die Geschichte erzählt wurde, um ihren Beifall zu gewinnen.
»O weh!« sagte die Frau des Landwirts am Schluß. »Dann sind also ihre Dörfer verbrannt und ihre kleinen Kinder heimatlos gemacht worden?«
»Sie hatten unsere Toten verstümmelt. Sie haben bitter dafür bezahlt, nachdem wir von den Sikhs es ihnen gezeigt hatten. So ist es gewesen. - Ist das Amritsar?«
»Ja, und hier knipsen sie unsere Fahrkarten«, sagte der Bankier; er suchte in seinem Gürtel.
Die Lampen wurden schon bleich in der Morgendämmerung, als der halbblütige Schaffner seine Runde machte. Fahrkarten kontrollieren ist ein langsames Geschäft im Osten, wo die Leute ihre Karten an allen möglichen merkwürdigen Stellen verstecken. Kim zeigte seine vor und wurde hinausgewiesen.
»Aber ich fahre nach Ambala«, protestierte er. »Ich gehöre zu diesem heiligen Mann.«
»Von mir aus kannst du nach der Dschehenna fahren. Die Karte...
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