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Warum es im Theater eine Pause gibt, hat sich mir nie so recht erschlossen. Brauchen die Schauspieler nach all dem Herumgestehe und Gerede wirklich unbedingt ein bisschen Ruhe? Müssen sämtliche Zuschauer die ungenügend ausgestatteten Toiletten aufsuchen? Kann niemand eine weitere Stunde ohne ein Glas enttäuschenden Wein überstehen?
Es war Lady Hardcastles Geburtstag, und unsere kleine Gesellschaft würde im Le Quai essen, einem französischen Restaurant, das im Spätsommer in der Stadt eröffnet hatte und bald zum derzeit angesagtesten Speiselokal avanciert war. Unsere Suffragetten-Freundin Lady Bickle hatte angeregt, den Abend mit einem Theaterbesuch zu beginnen - das Stück eines ihrer Freunde wurde im Duke's Theatre aufgeführt.
Also war unsere Gruppe in die Frogmore Street gefahren, um sich dort dem Bristoler Theaterpublikum anzuschließen und einen Abend voller »ausgelassen heiterer Unterhaltung« zu erleben, wie sich der Theaterkritiker der Bristol News ausgedrückt hatte.
Er hatte nicht unrecht. In der Pause bemerkte ich, dass ich so viel gelacht hatte, dass mir die Wangen wehtaten und ich froh über die Erholung war. Vielleicht war das am Ende die Funktion von Pausen, obwohl es nicht erklären würde, warum man sie auch in einem Melodram oder einem Moralitätenspiel brauchte.
Wie auch immer die Begründung für die Pause lautete, als der Vorhang nach dem ersten Akt fiel, verebbten Gelächter und Applaus, und fast alle standen auf, um nach draußen zu gehen.
Lady Bickle und ihr Mann Sir Benjamin wollten zur Bar. Inspektor Sunderland und seine Frau Dolly gaben ihre Pläne nicht bekannt, woraus ich schloss, dass sie sich zur Toilette aufmachten. Die Lokaljournalistin Dinah Caudle und ihr Verlobter Dr. Gosling, der Gerichtsmediziner, wägten ihre Optionen ab, bevor auch sie sich für die Bar entschieden.
Lady Hardcastle wollte natürlich beides.
»Kommst du mit, Flo?«, fragte sie.
»Ich brauche nichts, danke«, erwiderte ich mit einem Lächeln. »Vielleicht stehe ich auf und vertrete mir ein bisschen die Beine.«
»Wie du willst, Liebes.«
Sie schloss sich den anderen an.
Ich setzte mich um, um eine bessere Sicht zu haben, lehnte mich auf das gepolsterte Geländer vor und sah mich im Zuschauerraum um. Das Duke's Theatre war zwar ziemlich groß, aber irgendwie verfügte es trotzdem über eine angenehm intime Atmosphäre. Ich hatte es immer gern besucht, vor allem wenn die Vorstellung gut war. Und diese war bis jetzt außerordentlich erheiternd gewesen. Lady Bickles Freund Hugo Bartlett war ein großartiger Komödienschriftsteller, und das Ensemble erfüllte seinen Text so wunderbar kunstfertig mit Leben, dass ich mir gewünscht hatte, der erste Akt möge gar nicht zu Ende gehen.
Der Feuerschutzvorhang war heruntergelassen worden, um die Quelle des Rumpelns und Klapperns zu verbergen, das von der Bühne herüberdrang, und so alles noch aufregender zu machen. Im Grunde wusste ich natürlich, dass die Geräusche nur ein Anzeichen für die harte Arbeit der unsichtbaren, zu wenig wertgeschätzten Bühnenarbeiter waren, aber ich stellte mir gern etwas ein bisschen Geheimnisvolleres vor.
Die Sunderlands kamen als Erste zurück.
»Das ging ja schnell«, merkte ich an.
»Es gab eine Schlange«, erklärte Mrs. Sunderland.
Ich nickte. Es gab immer eine Schlange.
Hinter dem Schutzvorhang klapperte und rumpelte es noch ein bisschen weiter.
»Ich frage mich jedes Mal, was dahinter so vor sich geht«, sagte Inspektor Sunderland und setzte sich wieder hin. »Sie müssen davon doch eine Ahnung haben, Miss Armstrong. Zirkusse und Theater unterscheiden sich ja nicht so stark voneinander, oder?«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, entgegnete ich. »Und deshalb nehme ich an, dass Arbeiter mit schwieligen Händen Kulissen herumschieben und dann alles mit achtundzwanzig Pfund schweren schmiedeeisernen Gewichten fixieren. Die sie manchmal fallen lassen .« Ein weiterer lauter Knall ertönte. »Genau so.«
»Was für ein aufregendes Leben Sie geführt haben müssen«, sagte Mrs. Sunderland. »Manchmal beneide ich Sie darum, wissen Sie das?«
»Es hatte so seine Momente«, erwiderte ich vage.
»Das kann ich mir vorstellen. Sie haben so viele wundervolle Dinge getan und sind an so viele wundervolle Orte gereist. Ich bin ja nie weiter von zu Hause weggekommen als bis nach Brighton.«
»Da haben wir unsere Flitterwochen verbracht«, erklärte der Inspektor.
Mrs. Sunderland ergriff seine Hand. »Und wir hatten dort eine so schöne Zeit! Aber ich würde trotzdem gern ein paar von den Orten besuchen, von denen Emily und Sie uns immer erzählen.«
»Ich hatte großes Glück«, entgegnete ich. »Der einzige Nachteil ist, dass ich das alles immer in Gesellschaft von Sie wissen schon wem erleben muss.«
Mrs. Sunderland musste lachen. »Sie sind wirklich schrecklich. Ich habe nie zwei bessere Freundinnen kennengelernt.«
Ich bemerkte eine Bewegung hinter uns und drehte mich um. »Wenn man vom Teufel spricht.«
»Sollten mir die Ohren klingeln?«, fragte Lady Hardcastle.
»Ich habe nur gerade erzählt, was für eine furchtbare alte Schachtel Sie sind«, antwortete ich.
»Da hast du wahrscheinlich recht. Obwohl ich mich an eine Zeit erinnern kann, als die Dienerschaft noch ein bisschen diskreter bezüglich der Fehler ihrer Arbeitgeber war.«
»Sie wollen doch sicherlich nicht, dass ich lüge.«
»Guter Punkt. Aber jetzt rutsch mal, sei so lieb. Lass die alte Schachtel ihre müden Beine ausruhen.«
»Sie waren nicht annähernd so lange weg, wie ich erwartet hätte«, merkte ich an.
»Schlangen, Liebes. Dichte Reihen fröhlicher Theaterbesucher, die geduldig darauf warten, sich entweder zu entleeren oder aufzufüllen. Ich habe sorgfältig abgewägt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es viel unterhaltsamer wäre, die Pause in Gesellschaft meiner Freunde zu verbringen.«
»Es ist ein sehr lustiges Stück, finden Sie nicht?«, warf Mrs. Sunderland ein. »Georgies Freund ist ziemlich geistreich.«
»Der geheimnisvolle Hugo Bartlett«, sagte Lady Hardcastle. »Hat einer von Ihnen ihn schon kennengelernt?«
Die Sunderlands schüttelten die Köpfe.
»Lady Bickle hat versprochen, dass sie ihn uns nach der Vorstellung vorstellt«, sagte ich. »Wir können ihm dann alle zu seiner Brillanz gratulieren.«
»Georgie hat auch ein faszinierendes Leben geführt«, ergänzte Mrs. Sunderland wehmütig. »Warum habe ich denn kein faszinierendes Leben geführt, Ollie?«
»Weil du leichtsinnig genug warst, einen ehrgeizigen jungen Polizisten zu heiraten«, erwiderte der Inspektor. »Er hat dich zu einem Leben voller Banalität und Gewöhnlichkeit verurteilt.«
Sie ergriff noch einmal seine Hand und drückte sie voller Zuneigung. »Das würde ich um nichts auf der Welt ändern.«
Daraufhin saßen wir in geselligem Schweigen beieinander, blätterten unsere Programme durch und warteten auf den Beginn des zweiten Akts.
Und warteten.
Die Zeit zieht sich in die Länge, wenn man auf eine Vorstellung wartet, aber diese Pause schien wirklich ewig zu dauern. Die Leute, die rechtzeitig zurückgekehrt waren, möglicherweise ohne das erledigt zu haben, was sie überhaupt erst aus dem Zuschauerraum getrieben hatte, redeten verärgert miteinander. Ich hörte Formulierungen wie »verdammt lange« und »ich wünschte, sie würden endlich weitermachen« aus dem Parkett zu uns heraufschweben. Ein paar Zuschauer standen auf und verließen erneut den Saal.
Irgendwann hörten wir dann die Pausenglocke, und der Zuschauerraum füllte sich rasch wieder.
Das Grummeln wurde durch ein aufgeregtes Murmeln ersetzt, das allmählich anschwoll, als die Leute ihre Plätze wieder einnahmen und angeregt mit ihrer Begleitung plauderten - über die gute Unterhaltung, die sie bisher genossen hatten, und in Erwartung der Unterhaltung, die gleich noch folgen würde.
Ein gedämpfter, beinahe ironischer Jubel kam auf, als der Brandschutz sich hob und der noch immer geschlossene rotsamtene Vorhang sichtbar wurde. Ein lautes Geräusch drang dahinter hervor, als in letzter Minute noch irgendeine Requisite auf der Bühne an Ort und Stelle geschoben wurde.
Nach ein paar weiteren Sekunden verloschen die Lichter im Zuschauerraum, und wir alle begannen aus Gründen, die ich noch immer nicht erklären kann, begeistert zu klatschen. Die Tür hinter uns ging auf, sodass Licht aus dem Foyer hereinströmte, woraufhin mehrere Leute im Parkett missbilligend zischten, obwohl sie selbst erst ein paar Augenblicke zuvor ihre Plätze wieder eingenommen hatten. Ich war fest davon überzeugt, dass es für sie gar keinen Unterschied machte, ob sie die Bühne sahen oder auf die Logen gafften. Die Tür schloss sich wieder, und die vier verbleibenden Mitglieder unserer Gesellschaft schoben sich im Dunkeln zu ihren Plätzen. Sie setzten sich umständlich hin, und ein Mann in der fünften Reihe sah auf.
»Würden Sie bitte still sein!«, tadelte er streng.
Da öffnete sich der Vorhang, und dahinter wurde ein neues Bühnenbild sichtbar. Akt zwei würde offenbar an einem großen runden Tisch in einer Ecke des Ballsaals stattfinden, im Anschluss an die Party, auf die sich die vier Protagonisten im ersten Akt vorbereitet hatten. Auf dem Tisch standen Champagnerflaschen in Kühlern, leere Gläser und mehrere Teller, auf denen die halb verzehrten Reste eines Büfetts lagen. Die Stühle standen schräg,...
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