Schweitzer Fachinformationen
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Okay. Keine Panik. Ich schaffe das schon. Nichts ist unmöglich. Ist alles nur eine Frage der Technik. Ein bisschen nach links, ein wenig hochheben, ein bisschen fester schieben. Ich bitte Sie! Es kann doch wohl nicht so schwer sein, einen Cocktailschrank in ein New Yorker Taxi zu kriegen!
Ich packe das lackierte Holz etwas resoluter an, hole tief Luft und schiebe noch einmal kräftig. Vergebens. Der Himmel ist an diesem Wintertag in Greenwich Village herrlich blau, und die kalte Luft fühlt sich im Mund an wie scharfe Zahnpasta. Jeder Atemzug schnürt einem fast die Luft ab, und die Leute haben sich ihre Schals bis kurz unter die Augen um die Gesichter gewickelt. Die Einzige, die schwitzt, bin ich. Mein Gesicht ist hochrot, die Haare fallen mir wirr unter meinem neuen Kosakenhut heraus, und ich spüre ganz deutlich, wie die Leute, die auf der anderen Straßenseite in Jo-Jo's Café an den Fenstern sitzen, mir amüsiert zusehen.
Aber ich gebe nicht auf. Ich weiß ganz genau, dass ich es schaffen kann.
Ich muss es schaffen, schließlich sehe ich es überhaupt nicht ein, Unsummen dafür hinzulegen, dass mir das Ding nach Hause geliefert wird, wenn ich direkt um die Ecke wohne.
»Der passt nicht rein.« Der Taxifahrer steckt den Kopf zum Fenster raus und sieht mich unbeteiligt an.
»Doch! Zwei Beine habe ich schon drin.« Ich schiebe noch einmal verzweifelt. Wenn ich die anderen beiden Beine doch nur irgendwie ins Taxi zwängen könnte. Ich komme mir vor wie jemand, der seinen Hund zum Tierarzt bringen will.
»Außerdem bin ich nicht versichert«, fügt der Fahrer hinzu.
»Das macht nichts! Ich wohne nur zwei Straßen weiter. Ich halte ihn die Fahrt über fest. Wird schon gehen.« Der Taxifahrer zieht die Augenbrauen hoch und stochert sich mit einem ziemlich gebraucht aussehenden Zahnstocher zwischen den Zähnen herum.
»Und Sie meinen, dass Sie selbst auch noch reinpassen?«
»Ich mach mich ganz klein! Das haut schon hin!« Völlig frustriert schubse ich den Cocktailschrank noch einmal kräftig an. Er rammt den Beifahrersitz.
»Hey! Wenn an meinem Taxi was kaputtgeht, müssen Sie dafür bezahlen!«
»Tut mir Leid«, sage ich atemlos. »Okay, wissen Sie was, ich probier's noch mal von vorne. Ich glaube, ich habe die Sache irgendwie falsch angepackt.«
Mit größtmöglicher Vorsicht hebe ich die Vorderseite des Cocktailschrankes aus dem Taxi und stelle das gute Stück wieder auf den Bürgersteig.
»Was zum Teufel ist das überhaupt?«
»Das ist ein Cocktailschrank aus den 30er Jahren! Sehen Sie mal, man kann ihn hier aufklappen.« Ich öffne den Haken der Klappe und platze fast vor Stolz, als die verspiegelten Art-déco-Elemente im Inneren des Schrankes zum Vorschein kommen. »Hier stellt man die Gläser hin. und hier sind zwei zum Schrank passende Cocktailshaker.«
Bewundernd streiche ich über die glatte Oberfläche. Kaum hatte ich diesen Schrank im Schaufenster von Arthur's Antiques gesehen, wusste ich auch schon, dass ich ihn haben musste. Gut, natürlich ist mir klar, dass Luke und ich eigentlich eine kleine Absprache getroffen haben, wonach wir vorläufig keine weiteren Möbel für unsere Wohnung mehr anschaffen wollen - aber das hier ist etwas anderes. Bestimmt. Ein echter Cocktailschrank, so wie in den Filmen mit Fred Astaire und Ginger Rogers! Dieser Schrank wird unsere gemeinsamen Abende vollkommen verändern. Luke und ich werden jeden Abend Martinis mixen, zu altmodischer Musik tanzen und den Sonnenuntergang beobachten. Das wird wahnsinnig stimmungsvoll werden! Wir müssen nur noch einen von diesen altmodischen Plattenspielern mit den riesigen Schalltrichtern kaufen und anfangen, Schellackplatten zu sammeln. Und ich werde mich mit umwerfenden alten Spitzenkleidern eindecken.
Und dann werden immer mehr Leute Abend für Abend auf einen Cocktail bei uns vorbeischauen. Wir werden für unsere geistreichen Soirées bekannt werden. Die New York Times wird über uns schreiben! Ja! Die Cocktailkultur ist im West Village zu neuem Leben erwacht. Das stilbewusste, ursprünglich aus Großbritannien stammende Paar Rebecca Bloomwood und Luke Brandon.
Ich höre ein dumpfes Geräusch, als die Taxitür sich öffnet, und sehe etwas benommen auf. Der Taxifahrer steigt aus.
»Ach, danke«, freue ich mich, »ich könnte wirklich ein bisschen Hilfe gebrauchen. Wenn Sie ein Seil hätten, könnten wir den Schrank vielleicht auf dem Dach festbinden.«
»Ich hab kein Seil. Vergessen Sie's.« Er schmeißt die Hintertür zu, und ich sehe ihm entsetzt nach, als er sich wieder hinters Steuer setzt.
»Sie können doch nicht einfach so wieder wegfahren! Das ist verboten! Sie müssen mich mitnehmen! Das ist Vorschrift!«
»Es gibt aber keine Vorschrift, dass ich Cocktailschränke mitnehmen muss.« Er verdreht die Augen und lässt den Motor an.
»Aber wie soll ich ihn denn dann nach Hause schaffen?«, rufe ich empört. »Warten Sie! Kommen Sie zurück!« Aber das Taxi braust schon die Straße hinunter, während ich mutterseelenallein auf dem Bürgersteig zurückbleibe, mich an den Cocktailschrank klammere und überlege, was ich jetzt tun soll.
Vielleicht könnte ich ihn nach Hause tragen. So weit ist es ja nicht.
Ich mache die Arme so lang wie möglich und schaffe es tatsächlich, den Schrank zu umfassen. Ganz langsam hebe ich ihn hoch, mache einen Schritt nach vorn - und lasse das Ding sofort wieder fallen. Mann, ist der Schrank schwer. Ich glaube, ich habe mir einen Muskel gezerrt.
Okay, also dann trage ich ihn vielleicht doch nicht. Aber ich kann ihn trotzdem ganz einfach nach Hause bekommen. Ich könnte die Beine immer ein paar Zentimeter nach vorne schieben.
Ja. Das funktioniert. Wunderbar. Geht zwar ein bisschen langsam, aber wenn ich einfach immer weiter mache. wenn ich erst mal einen Rhythmus gefunden habe.
Der Trick dabei ist natürlich, nicht darüber nachzudenken, wie weit ich mit jedem Mal vorwärts komme, sondern ganz einfach gleichmäßig weiterzuschieben: Dann bin ich vermutlich in Null Komma nichts zu Hause.
Zwei Teenagerinnen in dicken Daunenmänteln kommen an mir vorbei und kichern, aber ich bin viel zu beschäftigt, um darauf zu reagieren.
»Entschuldigen Sie«, blafft mich eine genervte Stimme von hinten an. »Würden Sie bitte nicht den gesamten Bürgersteig versperren!« Ich drehe mich um - und sehe mich einer Frau in Baseballkappe und Turnschuhen gegenüber, die ungefähr zehn Hunde unterschiedlichster Rasse und Größe an zehn einzelnen Leinen hat.
Oh, Gott. Ich verstehe einfach nicht, wieso die Leute nicht mit ihren eigenen Hunden Gassi gehen können. Ich meine, wenn man nicht gerne spazieren geht, dann wäre es doch sinnvoller, sich eine Katze anzuschaffen oder vielleicht ein Aquarium mit exotischen Fischchen, oder?
Und jetzt stürzen sie sich auch noch auf mich. Kläffen und bellen und zerren an ihren Leinen. Und da! Ich fasse es nicht! Ein Pudel hebt das Bein und pinkelt meinen wunderschönen Cocktailschrank an!
»Weg da!«, quietsche ich. »Holen Sie den Hund da weg!«
»Komm her, Floh«, sagt die Frau und wirft mir einen bösen Blick zu, als sie die Hunde weiterzerrt.
Ach, es ist hoffnungslos. Ich bin noch nicht mal ganz an Arthur's Antiques' Schaufenster vorbei und schon völlig erledigt.
»Na?«, erklingt hinter mir eine trockene Stimme. »Vielleicht soll das gute Stück doch nach Hause geliefert werden?«
Ich drehe mich um und sehe mich Arthur Graham gegenüber, dem Inhaber von Arthur's Antiques. Er steht gepflegt in Anzug und Krawatte gegen den Türrahmen seines Ladens gelehnt da.
»Ich weiß nicht.« Ich lehne mich gegen den Cocktailschrank und bemühe mich, ganz lässig auszusehen. So, als wenn ich eine Menge anderer Optionen hätte - unter anderem die, einfach eine Weile so auf dem Bürgersteig stehen zu bleiben. »Vielleicht.«
»Fünfundsiebzig Dollar. Ganz gleich, wo in Manhattan.«
Ich wohne aber nicht ganz gleich, wo in Manhattan!, will ich jaulen. Ich wohne gleich hier um die Ecke!
Arthur lächelt mich unerbittlich an. Er weiß, dass er gewonnen hat.
»Okay.« Endlich gestehe ich meine Niederlage ein. »Ist vielleicht doch keine schlechte Idee.«
Ich sehe dabei zu, wie Arthur einen Mann in Jeans holt, der zu meinem Verdruss den Schrank anpackt und hochhebt, als wenn er aus Pappe wäre. Dann folge ich den beiden in das warme Durcheinander im Inneren des Geschäftes, wo ich mich sofort schon wieder dabei ertappe, wie ich mich interessiert umsehe. Dabei war ich doch erst vor zehn Minuten hier drin! Aber ich liebe dieses Geschäft. Ganz egal, wo man hinguckt, immer sieht man etwas, das man gerne haben möchte. Zum Beispiel der tolle geschnitzte Stuhl da drüben! Und der handbemalte Samtüberwurf! . Und sehen Sie doch mal, die traumhafte Standuhr! Die haben hier wirklich jeden Tag neue Sachen.
Nicht dass ich jeden Tag hier wäre.
Ich. Sie wissen schon. Könnte ich mir vorstellen.
»Da haben Sie wirklich ein Schnäppchen gemacht«, sagt Arthur und zeigt auf den Cocktailschrank. »Sie haben ein gutes Auge.« Er lächelt mich an und schreibt dann etwas auf einen Zettel.
»Ach, ich weiß nicht.«, antworte ich und zucke bescheiden mit den Schultern.
Aber in Wirklichkeit glaube ich selbst auch, dass ich ein gutes Auge habe. Früher habe ich jeden Sonntag zusammen mit meiner Mutter den Antiquitäten-Flohmarkt geguckt, und wahrscheinlich ist mir da der Sachverstand einfach in Fleisch und Blut übergegangen.
»Wirklich ein exquisites Stück«, sage ich wissend und nicke in Richtung des großen, in...
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