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LEIDER BÖSARTIG!
Ich höre die Stimme des Radiologen am Telefon. Den ganzen Tag habe ich auf diesen Anruf gewartet. Ich bin allein, habe mir für diesen Tag freigenommen. Einerseits, weil meine Wunde nach der Stanzbiopsie vor zwei Tagen noch schmerzt. Andererseits, weil ich diesen Anruf nicht zwischen Tür und Angel annehmen möchte. Ich bin seltsam ruhig am Telefon. Das habe ich erwartet, auch wenn ich Stunden vorher zwischen Hoffnung - das ist bestimmt nur mein Fibroadenom - und Worst-Case-Szenario hin- und hergependelt bin. Den schlimmsten Fall der Fälle male ich mir aus, um dann für die schlechte Nachricht gewappnet zu sein. Wenn ich zu viel Hoffnung habe und zu positiv denke, dann bin ich ja umso stärker enttäuscht, wenn es negativ ausgeht. So habe ich vor zwei Jahren noch gedacht.
Es ist der 3. April 2019, ungefähr 16 Uhr. Ich schreibe die Schlagworte des Arztes mit: gering differenziert, ein Lymphknoten befallen, schnelles Wachstum, Rezeptoren rausfinden, Chemotherapie oder Hormone, Staging machen lassen. Danach rufe ich meinen Mann an. Er ist beruflich verreist und nur die Mailbox meldet sich. Hastig spreche ich die Nachricht auf Band. Das fühlt sich im Nachhinein skurril an. So was spricht man doch nicht auf die Mailbox!? Irgendwie bin ich fast teilnahmslos, leite die Schocknachricht per Telefon ungefiltert weiter. Dann fange ich sofort an zu überlegen, was ich jetzt alles organisieren muss. Einen Onkologen suchen, mich über Therapiemöglichkeiten informieren, berufliche Termine für die nächsten Wochen, ja wahrscheinlich Monate absagen, mich krankmelden.
Ich trete in Aktion. Für dieses selbstbestimmte Handeln werde ich einerseits später von meiner Gynäkologin gelobt, andererseits merke ich irgendwann, wie sehr meine Seele hinterherhinkt. Dennoch ist diese ungeahnte innere Stärke, meinen Weg von Anfang an aktiv zu gestalten, ein wichtiger und hilfreicher Schritt für meine Gesundung. Meine Brustkrebsreise beginnt.
IM FALSCHEN FILM
Anfang 2019 entdecke ich einen Knoten, genau dort, wo seit drei Jahren ein diagnostiziertes Fibroadenom sitzt, eine gutartige Geschwulst aus Binde- und Drüsengewebe. Deshalb denke ich zuerst, es sind Hormonschwankungen der Wechseljahre, denn dann kann ein Fibroadenom auch wachsen. Mein Knoten befindet sich im oberen äußeren Quadranten der rechten Brust. Hm . der Knoten wächst aber ganz schön schnell! Dann entdecke ich einen geschwollenen Lymphknoten in der Achsel. Jetzt ist mir klar: Das muss angeschaut werden.
Mein Fibroadenom wurde seit drei Jahren regelmäßig mittels Ultraschall und Mammografie kontrolliert. Der nächste Check-up wäre im August gewesen, aber meine Gynäkologin macht mir nach dem Abtasten der Brust sofort einen Termin in der Radiologie. Während der Ultraschalluntersuchung reagiert die Radiologin schon sehr merkwürdig und sendet mich gleich darauf in die Mammografie. Dort zeigt sich eine »verdichtete Raumforderung«, wie Ärzte einen Knoten in der Brust nennen, und zwar genau an der Stelle des Fibroadenoms. Dieses Ergebnis der Mammografie ist Grund genug, sofort einen Termin für eine Stanzbiopsie zu veranlassen. Ein kurzes Aufbäumen meinerseits (ich hatte schon von versprengten Krebszellen durch Biopsien gehört) wird sofort abgeschmettert: Kein Chirurg würde mich ohne pathologischen Befund operieren. Ich glaube ihr. Inzwischen weiß ich allerdings, dass das so pauschal nicht stimmt.
Die Biopsie wird sowohl vom Tumor als auch vom sogenannten Wächterlymphknoten gemacht, der schon befallen aussieht. Ein Wächterlymphknoten ist der erste Lymphknoten im Abflussgebiet des Tumors. Dann heißt es erst mal warten. »Wir rufen Sie an«.
Als der Anruf dann schließlich kommt, bin ich völlig fassungslos. Ich habe Brustkrebs? Das ist so abstrakt. Ich habe Brustkrebs? Brustkrebs? Bin ich im falschen Film? Das kann doch nicht sein! Ich habe bisher gesund gelebt, mich gut ernährt und bewusst krebserregende Toxine vermieden. Ich konnte mir für mich nie vorstellen, Krebs zu bekommen! Viel Zeit zum Sinnieren gönne ich mir allerdings nicht, sondern fange sofort an zu telefonieren und sitze am darauffolgenden Tag mittags schon bei einem Onkologen.
Da sitze ich nun, aber weiterhelfen kann mir der Arzt noch nicht, denn es ist noch kein abschließendes Ergebnis vom Pathologen da. Der pathologische Befund bestimmt die weitere Vorgehensweise in der Therapie. So höre ich das erste Mal von triple negativ, HER, hormonpositiv und was das für die Behandlung bedeutet. Im schlechtesten Fall, mit Diagnose triple negativ, sechs Monate Chemotherapie plus OP plus Bestrahlung. Zudem weiß ich von einer Freundin, dass triple negativ nicht der einfachste Tumor ist. Nach mehreren Nachtestungen ist es klar: Der Dreifache ist es auch bei mir. Bäm!
Die Kuh auf dem Eis
Parallel fange ich sofort an, mich über naturheilkundliche Therapien und komplementäre Behandlungen zu informieren. Für mich als Ayurvedatherapeutin ist völlig klar: Ich möchte von Anfang an eine ganzheitliche Therapie, die auch Naturheilverfahren miteinbezieht. Deshalb hole ich mir eine Zweitmeinung bei einem weiteren Onkologen mit angeschlossenem Brustkrebszentrum. Von diesem Arzt weiß ich, dass er auch individuelle, zielgerichtete und naturheilkundliche Therapien anbietet inklusive Kurkumainfusionen - mein geliebtes »heiliges« Kurkuma! Ich fasse sofort Vertrauen und meine Wahl des Onkologen ist abgeschlossen. Zur Ergänzung praktiziert in diesem Zentrum auch noch ein onkologischer TCM-Arzt, also ein Mediziner, der Krebs auch mit traditioneller chinesischer Medizin behandelt - für mich eine perfekte Verbindung.
Zur genaueren Bestimmung der individuellen Faktoren meines Tumors, also des Steckbriefs, lasse ich ein Onkobiogramm anfertigen (das erkläre ich genauer im nächsten Kapitel). Das Ergebnis zeigt: Mein Tumor ist ein ganz schönes Kaliber! Sowohl im Tumorgewebe selbst als auch im umliegenden Gewebe treten sehr viele ungünstige Faktoren auf. Es wird klar: Das wird eine wilde Fahrt. Einige Proteine deuten darauf hin, dass dem Tumor Chemotherapie und Bestrahlung total egal sind und dass er ein hohes Metastasierungspotenzial aufweist. Die Entzündungswerte im umliegenden Gewebe sind hoch, er besitzt eine regelrechte Tarnkappe. Allerdings zeigt das Onkobiogramm auch, dass ein Zytostatikum, also Chemotherapie, sehr gut wirken wird. Mir wurde kurz schwindelig, aber der Onkologe meint: »Wir kriegen die Kuh schon vom Eis.« Angesichts der brenzligen Lage und auch wegen des schnellen Wachstums entscheide ich mich für die klassische Chemotherapie mit komplementärer medizinischer Begleitung. Ich möchte nicht nur die Nebenwirkungen abmildern, sondern aktiv die Zytostatika in ihrer Arbeit mit natürlichen Mitteln unterstützen. Dass ich die Wirksamkeit meiner Therapie auch durch Gedanken und Gefühle erhöhen kann, eröffnet sich mir schon kurze Zeit nach dem ersten Chemozyklus.
Stand der Dinge also: triple negativ, G3, KI 80, N1 (siehe folgenden Abschnitt), mein Tumor ist bei der Biopsie knapp über zwei Zentimeter groß.
Bis zu meinem ersten Chemozyklus vergehen vier langsame Wochen des Wartens. Es sind Osterferien und als ich Anfang Mai endlich starten kann, ist der Tumor schon auf über drei Zentimeter angewachsen. Mein Knochenszintigramm zeigt glücklicherweise keine Knochenmetastasen, und auch Lunge und Leber sind unauffällig. Jetzt muss der Port rein, dann kann es eigentlich losgehen. Ich bin immer noch im falschen Film. Am 11. April hatte ich die Portoperation in Kurzzeitnarkose, und das ist gut so. Schlurfi, mein Port, und ich - wir werden nicht unbedingt Freunde (ich habe sowohl dem Portkatheter als auch meinem Tumor einen Namen gegeben). Bei jeder Infusion schmerzt und brennt es, er sitzt zu dicht am OP-Schnitt, durch den er mir unter den Muskel platziert wurde, und ist auch, verglichen mit anderen, die ich gesehen habe, relativ groß. Aber eine Chemotherapie über die Venen im Arm ist nicht vertretbar, zumal ich eine ausgeprägte Nadelphobie habe.
Perspektivwechsel
Medizinisch ist alles abgeklärt, emotional noch lange nicht. Bevor ich mich wirklich gefühlsmäßig damit beschäftige, was diese Diagnose für mich bedeutet, schwebt ein Gedanke wie ein Damoklesschwert über mir: Wie sage ich es meinem Sohn? Wie sage ich es meinen Eltern? Im langsamen Begreifen meiner Situation schüttelt es mich anfangs mehrmals am Tag tränenreich durch. Ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll, obwohl mein Mann an meiner Seite sein wird, so gut er kann. Ich frage mich auch nach dem Sinn dieses Leids. Wie komme ich hier wieder heil raus? Könnte das bitte nur ein Traum sein, aus dem ich gleich erwache? Ich fühle mich total überfordert und hadere mit meinem Schicksal. Am liebsten würde ich einfach den Kopf in den Sand stecken, aber das liegt mir wohl nicht im Blut, wie mein Anfangsaktionismus zeigt. Trotz aller Verzweiflung über die niederschmetternde Diagnose gilt meine erste Sorge meinem damals 30-jährigen Sohn. Ich will nicht, dass er so früh seine Mutter verliert. Die Hiobsbotschaft meinen Liebsten zu überbringen, ist zu diesem Zeitpunkt meine größte Angst. Wie kann ich ihnen zumuten, dass ich Brustkrebs habe? Auf den nächtlichen Spaziergängen mit meinem Mann thematisieren wir das immer wieder. Ich will leben, damit mein Sohn noch länger eine Mama, die zukünftigen Enkel eine Oma haben. Irgendwann nimmt mich mein Mann in die Arme und sagt: »Sieh es doch einfach so: Wie wäre es, wenn DU noch deine Enkel aufwachsen sehen möchtest. Du möchtest leben, du möchtest es erleben, für DICH.« Derselbe...
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