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»Die Haare, wem gehören sie? Die drei scheinen eine Familie zu sein.«
Die Worte, die nach diesen folgten, erreichten Uhwans Ohren schon nicht mehr. Er hörte nur diesen einen Satz, nachdem Park Jongdae ihn vor seinem Büro stehen gelassen hatte und gegangen war. Und er schwirrte ihm auch noch im Kopf herum, während er mit dem Fahrrad den langen Weg von Yeongdo bis zur Gaststätte »Busaner Knochensuppe« zurücklegte.
Er fuhr an der Hochstraße vorbei, die eingestürzt und deswegen menschenleer war, hielt als Einziger vor einer Ampel an, die Grün zeigte, trat mit etwas weniger Kraft in die Pedale, weil die aufsteigende Straße in eine abschüssige überging, und dann erneut kräftiger, als sich diese Straße wieder an einen aufsteigenden Weg anschloss. Auf der gesamten Strecke dachte er ausschließlich an diesen einen Satz: »Die drei scheinen eine Familie zu sein.«
Als Uhwan die »Busaner Knochensuppe« betrat, schaute Jongin fern. Auf dem Bildschirm waren zahlreiche Tote an einem Strand zu sehen. Erst jetzt hörte Uhwan jenen Satz nicht mehr.
Er starrte auf die Körper, die von den Wellen an den Strand getrieben worden waren und jetzt einsam dalagen.
Die Menschen, die er getötet hatte. Es waren zwölf.
Er hatte versäumt, auch an diese Menschen zu denken, als er aus dem Boot gestiegen war. Seine Gedanken waren einzig darauf fokussiert gewesen, dass er aus dem Boot musste. Er musste die Luke öffnen, egal wie, und es hinaus schaffen. In dem Augenblick, als die Luke aufging, begann das Boot allerdings mit Wasser vollzulaufen. Das Boot, das ins Meer hinabgetaucht war, um in eine andere Zeit zu gelangen, hatte für Uhwan den Niedergang seines Lebens verkörpert. Aus diesem Grund hatte er die Luke geöffnet. Um zu leben! Um hier, an diesem Ort, zu leben, hatte er die Luke des Bootes geöffnet. Das war alles, was er hatte tun wollen.
Vielleicht hatte er für einen winzigen Moment die Folgen seines Handelns geahnt. Dennoch hatte er die Luke aufgemacht. Dennoch wollte er unbedingt an diesem Ort leben.
Den Tod der anderen zu ahnen und ihn mit eigenen Augen zu sehen, war nicht dasselbe. Die Menschen, die tot dalagen, hatten es erst jetzt nicht mehr eilig. Es waren Menschen, die einen Ort gehabt hatten, an den sie zurückkehren konnten. Dort hatten sie ihr Leben gehabt. Menschen, die es sich zu ihren Lebzeiten nicht hatten leisten können, sich beliebig von den Wellen treiben zu lassen. Uhwan erkannte zu spät, was er wirklich getan hatte. Er hatte die Menschen an ihrer Rückkehr in ihr altes Leben gehindert und aus denen, die hätten fleißig sein müssen und auch können, für alle Ewigkeit faule Menschen gemacht.
»Gestern ist Sunhee nicht nach Hause gekommen«, sagte Jongin, während er die schockierende Nachricht über die zwölf Leichen sah, die am Strand entdeckt worden waren.
* * *
Ryu Jeonghun gestand zwar nichts, aber er bestand auch nicht mehr auf seiner Freilassung. Changgeun erzählte ihm in aller Freundlichkeit von dem Mann, der in der Klinik »Hoffnung« stationär behandelt wurde. Und auch von der alten Frau: »Vor Kurzem haben Sie eine alte Frau, die dement ist, in diese Klinik einliefern lassen und behauptet, dass sie Ihre Mutter sei, obwohl Sie, ja Sie, gar nicht ihr Sohn sind.« Der Ermittler versäumte nicht, Jeonghun auch zu erzählen, dass diese alte Frau dem Mann, dem die Haut vom Gesicht entfernt worden war und der deshalb einem Monstrum ähnelte, mit beiden Augen direkt ins Gesicht gesehen hatte und nun energisch behauptete, dass er wirklich ihr Sohn sei. Und sie vergoss jeden Tag Tränen wegen ihres Sohnes, im Gegensatz zu allen anderen, die vor ihm unwillkürlich die Augen schlossen und den Blickkontakt mit ihm zu vermeiden suchten. Changgeun teilte dem Verdächtigen auch die Worte der alten Mutter mit, die gesagt hatte, sie wolle den Schuft, der das Gesicht ihres Sohnes dermaßen verunstaltet habe, finden und umbringen.
Kang Doyeong ignorierte den Personalausweis, den Ryu Jeonghun hervorholte, und nahm stattdessen von allen zehn Fingern Abdrücke, um seine Identität zu bestimmen. Jeonghun leistete nicht den geringsten Widerstand. Allerdings machte er auch nicht einfach so eine Aussage. Yang Changgeun erwähnte ihm gegenüber wiederholt Park Jongdae. Denn wie lange er auch nachdenken mochte, er bekam den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass auch der Makler in diese Sache verwickelt war, in welcher Form auch immer.
Die Überprüfung der Fingerabdrücke war abgeschlossen. Doch die Person, deren Fingerabdrücke mit dem des Mannes übereinstimmten, der sich fälschlicherweise als Ryu Jeonghun ausgab, wurde nicht gefunden. Es konnte sein, dass die Registrierung jener Person überhaupt nicht stattgefunden hatte oder versehentlich gelöscht worden war. Oder es konnte sich, wie Kang Doyeong meinte, auch wenn es absurd klang, bei dem Mann um einen Ausländer handeln. Nichts von dem ließ sich mit Fug und Recht von der Hand weisen; trotzdem war es höchst unwahrscheinlich, dass die Einwohnerregistrierung von jemandem, der offensichtlich ein Geschäft führte, gelöscht worden beziehungsweise nie zustande gekommen war. Immerhin stand definitiv fest, dass der Mann, der jetzt im Vernehmungsraum saß, nicht »Ryu Jeonghun« war.
Der Mann, der sich als Jeonghun ausgegeben hatte, verweigerte zwar immer noch jegliche Aussage, aber Changgeun ging davon aus, dass er sich jetzt bestimmt über gewisse Sachen den Kopf zerbrach: Was er getan hatte, welche illegalen Taten ihm von der Polizei nachgewiesen werden könnten; Taten, von denen er behaupten könnte, dass nicht er, sondern andere sie begangen haben, Menschen, denen er dann seine Schuld in die Schuhe schieben könnte. Und unter den Menschen, die er dafür in Erwägung zog, musste sich auf alle Fälle auch Park Jongdae befinden, so vermutete Changgeun.
Changgeun ging aus dem Vernehmungsraum. Er dachte, dass der Mann in der Klinik »Hoffnung« auf seine Mutter reagiert hatte und dementsprechend auch auf das Gesicht des Verdächtigen reagieren würde, der im Vernehmungsraum saß. Der Patient Ryu Jeonghun würde zweifellos in irgendeiner Form reagieren, wenn er sein eigenes Gesicht zu sehen bekommen würde. Das könnte dazu führen, dass er sich wieder an die Ereignisse jenes Tages erinnerte, an dem alles passiert war.
Allerdings wäre es viel besser, wenn der vermeintliche Jeonghun von sich aus Park Jongdae erwähnen würde. Der echte Ryu Jeonghun war in der Psychiatrie. Die Aussage eines psychisch Kranken war vor Gericht gegenstandslos. Die Wahrscheinlichkeit war aber hoch, dass die Aussage von Ryu Jeonghun im Vernehmungsraum als Beweis aufgenommen würde. Bei seiner Narbe handelte es sich zweifelsohne um eine Operationsfolge, und er hatte das Gesicht des Patienten Ryu Jeonghun gestohlen. Daran bestand ebenfalls kein Zweifel.
Shopping und Schönheitsoperation, außer diesen beiden Dingen gab es nichts, was sich mit der Zeit über die Maßen weiterentwickelt hatte. Menschen konnten überall alles konsumieren, und jeder konnte zu demjenigen werden, der er sein wollte, solange er das nötige Kleingeld dafür besaß.
Immer mehr Menschen unterzogen sich einer Schönheitsoperation, um genauso wie ein Star auszusehen. Neulich hatte eine Schauspielerin eine Klage gegen eine Person eingereicht, die ihr Gesicht hatte operieren lassen, damit sie haargenau wie diese Schauspielerin aussah. Auch früher hatte es häufig Fälle gegeben, in denen ein Nicht-Schauspieler, der einem Schauspieler zum Verwechseln ähnlich sah, damit Geld verdiente, den Star zu imitieren. So etwas hatte schon einige Male zu Gerichtsverhandlungen geführt, weil der Star auf einem Anteil der Einnahmen bestand. Doch bei der Klage dieser Schauspielerin lagen die Dinge etwas anders.
In der Regel ließ man sich so operieren, dass man einem Star ähnlich sah, der sich gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere befand. Die besagte Darstellerin hatte jedoch ihren schauspielerischen Zenit längst überschritten und war mittlerweile sehr alt. Eine Normalbürgerin hatte sich nun einer Schönheitsoperation unterzogen, um genau wie die Schauspielerin in ihren jungen Jahren auszusehen. Für eine Frau, die mit ihrer Jugend auch alles damit Zusammenhängende verloren hatte, war es gewiss unvorstellbar schwer, eine Fremde zu sehen, die wie sie in ihrer Blütezeit aussah - eine Zeit, in die sie nie wieder zurückkehren konnte.
Vor Gericht erschienen gleichzeitig zwei Frauen, die ein und dieselbe Person darstellten. Einmal als alte und einmal als junge Version. Diese Szene war äußerst kurios. Die Augen der im Gerichtssaal Anwesenden richteten sich viel mehr auf die junge Frau mit dem Gesicht der Schauspielerin aus der Zeit, als diese den Gipfel ihrer Karriere erklommen hatte, als auf die alte Frau, die um das ihr zustehende Recht, ihre Ehre und für die Moral kämpfte. »Wow, die sieht wirklich genauso aus wie...
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