Schweitzer Fachinformationen
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Der Rätikon sowie das Gebiet um den Hohen Freschen stellen die Hauptverbreitungsgebiete des Luchses in Vorarlberg dar. Die Populationsgründer stammen nachweislich aus der Ostschweiz und sind ohne menschliches Zutun eingewandert, wobei gefährliche Hindernisse wie Bahntrassen, Autobahnen, Flüsse und Siedlungen von den Tieren überwunden werden mussten.
»Vielen Dank, dass Sie so schnell auf die Inspektion kommen konnten, Frau Malin. Bitte nehmen Sie Platz.« Fleur Günther deutete auf den Stuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand.
»Kein Problem. Ich arbeite in Bregenz, da ist der Weg nicht weit. Außerdem wollte ich sowieso bei Ihnen vorbeikommen.«
»Ach ja?«
»Ich bin noch einmal in Florians Wohnung gewesen und habe etwas gefunden, das mich stutzig gemacht hat. Vielleicht ist es unwichtig und ich belästige Sie nur unnötig damit, aber ich dachte, bevor ich es wegschmeiße, frage ich Sie, ob Sie es für wichtig halten.« Judith Malin holte eine kleine hölzerne Schatulle aus ihrer Handtasche. »Das war ganz hinten in einer Schublade.«
Die altmodische Schatulle war fein gearbeitet mit Perlmutteinlagen, die in einem verschlungenen Muster den Deckel zierten. Es sah aus, als wäre sie ein Erbstück von Florian Jochums Mutter. Judith Malin überreichte ihr das Kästchen.
Vorsichtig hob die Polizistin den Deckel. Drinnen lagen eine große Patronenhülse und eine Tierpfote.
»War Herr Jochum Jäger?«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Das ist die Hülse einer Patrone für ein Jagdgewehr. Woher hat er die?«
»Das weiß ich nicht. Er hat sie nie erwähnt, und ich weiß ganz bestimmt, dass Florian kein Gewehr oder überhaupt eine Schusswaffe besessen hat. Er hatte nicht viel Gutes über die Jägerschaft zu sagen.«
»Wirklich? Was hat er denn über Jäger gesagt?«
»Er fand Jagen äußerst dekadent. Besonders das Ansitzen fand er eine Frechheit. Er meinte, irgendwelche Pensionisten und reiche Ausländer würden Hunderte Euro dafür ausgeben, dass sie mit dem Auto bis zu einem Ansitz fahren dürfen, obwohl sie mit ihren Bierbäuchen kaum die Leiter hochklettern konnten, um sich dann während des stundenlangen Wartens so viel Alkohol runterlaufen zu lassen, dass sie ein Reh kaum von einem Jogger unterscheiden konnten.«
»Und was ist das für eine Pfote?«
»Auch das weiß ich nicht. Es sieht nach einer Katzenpfote aus. Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung, was diese beiden Dinge in Florians Wohnung zu suchen haben. Es erscheint mir sogar so absurd, dass ich Zweifel habe, ob diese Dinge überhaupt Florian gehört haben.«
»Was ist mit dieser Schatulle?«
»Keine Ahnung. Sieht aus, als wäre das einer der Gegenstände, die früher seiner Mutter gehört haben. Ich würde es gerne Ihnen überlassen, das herauszufinden.«
»Dann ist es Ihnen recht, wenn wir diese beiden Dinge behalten?«
»Bitte.«
»Was für ein Unfall war das genau, bei dem Elias Lackner gestorben ist?«
»Eine Mure oder eine Nassschneelawine beziehungsweise eine Mischung aus beidem. An dem Tag, an dem Elias starb, das war der 15. April, da sind Florian und Elias auf den Hohen Freschen gewandert. Sie meinten, der Schnee sei schon fast geschmolzen und die Lawinengefahr sei auf dieser Strecke kein Thema. Sie rechneten damit, dass sie die Einzigen seien, die an diesem Tag dort unterwegs sein würden, da die Durchschnittsbergsteiger erst ab Mai solche Touren machten. Florian hat mir ein Foto von der Alpe Valors mit dem Hohen Freschen als Hintergrund geschickt, als sie noch beim Aufstieg waren und das letzte Stück, den Felsgrat entlang, noch vor sich hatten. Später hat er erzählt, dass er knapp unter der Baumgrenze einen Luchs gesehen habe, der sich zwischen den Latschen versteckt habe. Es sei ein schönes Tier gewesen, das ihm für einen Moment direkt in die Augen gesehen habe. Er habe neben der Faszination für das seltene Wildtier die Bedrohung gespürt, die von der Raubkatze ausgegangen sei. Ihm sei klar geworden, dass der Luchs Elias und ihn schon eine Weile beobachtet haben musste. Florian sagte, er habe nur einen Moment dort gestanden und dem Luchs in die Augen gesehen. Dann sei er unverzüglich weitergegangen, und zwar ruhig, aber so zügig wie möglich. Elias sei schon ein ganzes Stück weiter vorne auf dem Grat gewesen. Florian hätte laut rufen müssen, um ihm seine Entdeckung mitzuteilen, was er natürlich nicht gemacht hat. Die Gratwanderung sei recht herausfordernd gewesen, da es immer wieder größere Matsch- und Schneefelder gegeben habe und rechts und links die Bergflanken steil in die unbewohnten, wilden Talschaften abfielen. Florian konnte sich nur noch daran erinnern, dass Elias mitten auf dem Grat auf halbem Weg zum Gipfel gewesen sei, während er selbst noch weiter unten war, als er einen lauten Knall hörte. Dann konnte er sich an nichts mehr erinnern. Die Erinnerung setzte erst wieder ein, als er im Krankenhaus aufgewacht ist. Die Bergrettung hat die beiden geborgen. Offenbar ist Elias gestürzt. Das Material der Bergflanke war ins Rutschen gekommen und hatte Elias ein Stück mitgerissen. Elias war in der Mure verschüttet. Er war sofort tot. Florian war nur oberflächlich von der Mure erfasst worden und lag bäuchlings und bewusstlos auf dem Geröll-Schnee-Gemisch. Er hatte eine schwere Gehirnerschütterung und vier tiefe Kratzer am Hintern.«
»Haben die beiden Exospikes getragen?«
»Meinen Sie Steigeisen? Ja, sie haben eine Art Steigeisen dabeigehabt, die man über die Bergschuhe schnallen kann, falls das Gelände zu unwegsam wird.«
»Trug Elias Exospikes von der Marke Tracking Champion?«
»Das weiß ich nun wirklich nicht. Ich kenne nicht einmal Florians Marke.«
»Woher stammen die vier Narben an Herrn Jochums Gesäß?«
»Ich dachte, die Narben seien dadurch entstanden, dass er von der Mure mitgeschleift wurde. Das hat Florian zumindest so erklärt.«
»Er hatte also keine Erinnerung daran, wie er sich diese vier Narben zugezogen hat?«
»Nein. Die Kratzer hat er erst im Krankenhaus bemerkt, da sie ihn schmerzten.«
»Es könnte sein, dass jemand, der solche Spikes getragen hat, auf ihn getreten ist, als er bäuchlings und regungslos im Gelände lag.«
»Wie soll das gehen? Elias kann es nicht gewesen sein.«
»Vielleicht waren die beiden nicht allein dort oben.«
»Wie meinen Sie das?«
»Immerhin war vor dem Murenabgang ein Knall zu hören.«
»Sie meinen, dass Elias' Tod gar kein Unfall war?« Judith Malin war sichtlich erschrocken.
»Wer hat nach dem Murenabgang die Bergrettung alarmiert?«, fragte Günther, anstatt eine Antwort zu geben.
»Das . weiß ich nicht.« Die Fragen verwirrten Judith Malin zusehends. »Was soll das alles?«
»Wir müssen in alle Richtungen ermitteln, reine Routine«, versuchte Fleur Günther sie zu beruhigen. »Besaß Herr Jochum ein blau-oranges Kletterseil?«
»Soweit ich mich erinnere, hatte er ein gelbes und ein rot-schwarzes Kletterseil.«
»Wurde über den Vorfall in den Zeitungen berichtet?«
»Kennen Sie einen Bob? Oder einen bob68?«
»Nein.«
»Hat Florian jemals einen bob68 erwähnt?«
»Kennen Sie einen Jolly? Haben Florian und Elias einen Jolly erwähnt?«
»Jolly? Das war doch der Typ, mit dem Elias auf Touren gegangen ist.«
»War er ein Freund von Elias?«
»Also, das Einzige, an das ich mich erinnern kann, ist, dass über diesen Jolly bei einem gemeinsamen Abendessen gesprochen wurde. Beide waren enttäuscht von Jolly. Sie hatten Touren miteinander gemacht, auch mehrtägige mit Übernachtung im Biwak. Dann hat dieser Jolly angefangen, Dinge zu tun, die Florian und Elias sehr missfielen. Es ging dabei um Geld und um die Jagd.«
»Kennen Sie den vollständigen Namen von Jolly?«
»Ich kenne nur diesen Spitznamen. Ich nehme an, dass er ein Jäger ist, zwar fit und sportlich, da sie lange Touren miteinander gemacht haben, aber trotzdem dekadent.«
»Eine andere Frage: Hat Herr Jochum von den Gegnern und Gegnerinnen des Stadttunnels Drohbriefe erhalten?«
»Einmal lag ein Plüschtier vor seiner Wohnungstür, ein Bär. In dem Tier steckte ein Küchenmesser. Ein Zettel war auch von dem Messer durchbohrt und das Ganze war mit einer klebrigen roten Flüssigkeit überschüttet worden. Es war sehr mühsam, diese Sauerei wieder wegzuputzen. Jedenfalls stand auf dem Zettel >Mörder!<«
Fleur Günther berichtete Schwärzler von dem Gespräch mit Judith Malin und legte ihm die Beweismittelsäckchen mit der Patronenhülse, der Pfote und der kleinen Schatulle auf den Schreibtisch. Kritisch begutachtete Schwärzler die beiden Objekte.
»Es gab also einen lauten Knall, kurz bevor die Mure abgegangen ist?«
»Das hat Florian Jochum seiner Freundin erzählt, ja.«
»Könnte es ein Schuss gewesen sein? Aus einem Jagdgewehr vielleicht?«, überlegte Schwärzler und betrachtete dabei die Tierpfote.
»Kann sein. Die Mure ist aber höchstwahrscheinlich nicht von Schallwellen ausgelöst worden. Möglicherweise von den beiden Wanderern selbst - wie so oft. Durch die Schneeschmelze war der Hang vermutlich schon wassergesättigt. Vielleicht war kein zusätzlicher Auslöser für den Hangrutsch nötig und die beiden hatten einfach nur Pech.«
Fleur Günther rief Inspektorin Wabersich in ihr Büro und bat sie, die Beweismittel zur SpuSi in die Abteilung Tatort zu bringen und sich gleichzeitig um die Ergebnisse der Untersuchung des Diamantohrrings zu...
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