Schweitzer Fachinformationen
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Beschwerden und Ihre Auslöser
Um ein umfassendes Verständnis für Ihren Nacken zu entwickeln, sind einige anatomische Kenntnisse der oberen Wirbelsäule und deren Funktion sehr hilfreich. Nehmen Sie sich bitte Zeit dafür. Sie lernen dann die Ursache und Auswirkung Ihrer Schmerzen besser verstehen. Bewegungsstörungen der Halswirbelsäule und des Schultergürtels können bei Nackenbeschwerden das Leitsymptom sein. Aber auch myofasziale Disbalancen oder Verfilzungen, die schon seit längerer Zeit bestehen, können zu Nackenbeschwerden führen. Dieses Kapitel bildet die Basis für Ihr 30-Tage-Programm.
Ihr Nacken ist mit der Halswirbelsäule und dem Schultergürtel ein wahres biomechanisches Wunderwerk. Leider reagiert dieses Wunderwerk aber sehr sensibel auf Fehlbelastungen und Fehlhaltung und schränkt dann Ihre Nackengesundheit ein. Das Sitzen mit einem Rundrücken, nach vorn gerecktem Nacken und dazu noch einer Kopffehlhaltung kann Ihrem Nacken auf Dauer nachhaltig schaden. Auch falsch durchgeführte Fitnessübungen mit schweren Hanteln und lange anhaltende Überkopfbewegungen könnten Gift für diesen sensiblen Bereich sein.
Die optimale Funktion der Wirbelsäule wird durch die aufrechte Haltung unterstützt.
Ihre Wirbelsäule insgesamt hat einen wunderbar funktionellen Aufbau, der es ihr möglich macht, gleichermaßen Mobilisation und Stabilisation, je nach Bedarf, zuzulassen. Der Hohlausbiegung im Halswirbelsäulenanteil steht die Rundausbiegung der Brustwirbelsäule und die Hohlausbiegung der Lendenwirbelsäule entgegen. Stellen Sie sich im Laufe des Tages diese Idealform immer wieder vor, um durch kleine Übungen eine Verbesserung Ihrer Körperaufrichtung und Kopfposition vorzunehmen. Achten Sie auf eine aufrechte Haltung und Kopfbewegung und üben Sie das immer wieder ein.
Jede Abweichung der Halswirbelsa¨ule von der physiologischen Form, auch eine U¨ber- oder Minderbeweglichkeit, übt einen großen Belastungsreiz auf Ihr Muskel- und Fasziengewebe sowie auf Facettengelenke der Halswirbelsa¨ule und die Ba¨nder an Ihrem Nacken aus. Ein dauerhaft zu starker »Hohlhals« wird zur Verku¨rzung der tonischen Nackenmuskeln fu¨hren. Das sind beispielsweise der lange Nackenstreckmuskel (Musculus trapezius, pars descendens), der Schulterblattheber (Musculus levator scapulae) und die vordere Schultermuskulaur (Musculus pectoralis). Die Gegenspieler sind Bewegungsmuskeln; diese schwa¨chen sich bei einer Verku¨rzung der tonischen Muskeln entscheidend ab, so zum Beispiel die vordere Halsmuskulatur (Platysma) und der Kopfumwendemuskel (Musculus sternocleidomastoideus), der Nackenmuskel (Musculus trapezius pars ascendens) und die Zwischenschulterblattmuskeln (Musculi rhomboidei).
Die Abbildungen zeigen tonische (dunkelblau) und phasische (hellblau) myofasziale Strukturen. In der Regel neigen die tonischen Muskeln zur Verkürzung und sollten zunächst auf ihre Solllänge gedehnt werden, bevor die Kräftigung der phasischen Muskeln erfolgt.
Wichtig fu¨r die Nacken- und Halswirbelsa¨ulenaufrichtung ist die »Nackenrosette« mit ihren autochthonen Muskeln (Musculus rectus capitis, Musculus obliquus capitis, Musculus longus colli und mehr). Sie setzen unmittelbar an der Halswirbelsa¨ule an und sind nicht direkt trainierbar wie beispielsweise der Bizepsmuskel, sondern nur indirekt durch sehr gezielte Bewegungen mit den Augen und der Atemkontrolle. Unspezifische Nackenschmerzen werden durch Überbeanspruchung aufgrund von Bildschirmarbeit, Handybenutzung mit starrer, einseitiger Augenmotorik und eingeschränkter Atmung verursacht. Die Nackenrosette zu regenerieren und wieder fluffig weich zu bekommen, ist oft schon das Mittel der Wahl.
Auf der oberen Halswirbelsäule sitzt der Kopf mit seinen etwa fünf Kilogramm Gewicht. Das ist ein wenig mehr als ein Fünf-Liter-Eimer Wasser oder 20 Päckchen Butter. Dieses Gewicht tragen Sie den ganzen Tag »kunstgerecht« durch die Welt. Dabei sind die Augen immer auf eine waagerechte Linie, die sogenannte Labyrinth-Ebene, ausgerichtet. Das bedeutet eine dreidimensionale Bewegungskompensation der sogenannten Kopfgelenke (Hinterkopf und Halswirbelkörper 1 bis 3) bei Anforderungen wie Hören, Sehen oder die Reaktion auf alle sonstigen Umweltreize. In diesem Bereich finden vorwiegend die Drehbewegungen statt.
Die Halswirbelsäule hat sieben Wirbelkörper mit den dazwischenliegenden Bandscheiben. Die einzelnen Halswirbel sind sehr filigran und mobil. Die Brustwirbelsäule mit ihren zwölf Einzelwirbeln ist deutlich robuster von der Wirbelform her als die Halswirbelsäule (HWS). Empfindlicher sind hingegen die zwischen den Wirbelkörpern liegenden Bandscheiben. Sie haben einen gallertartigen Kern (Nucleus pulposus) und einen derben Rand (Anulus fibrosus). Bei dauerhafter Fehlstellung oder Fehlbelastung der Wirbelko¨rper verschiebt sich die Bandscheibe. Durch heftige Bewegungen, Erschütterungen oder sehr starke Krafteinwirkungen kann sich der Kern einen Weg durch den Faserring schaffen.
Stu¨lpt sich die Bandscheibe u¨ber die Wirbelko¨rper hinaus, spricht man von einer Vorwo¨lbung (Protrusion). Reißt der Faserring ein und die Bandscheibe dru¨ckt sich ein Stu¨ck heraus, spricht man von einem Bandscheibenvorfall (Prolaps). Oft dru¨ckt ein Prolaps auf eine Nervenwurzel (Radix) und verursacht radikula¨re Beschwerden, die zu motorischen und/oder sensiblen Ausfa¨llen im Bereich des Kopfs, der Schultern und Arme fu¨hren ko¨nnen. Sollte ein Prolaps rückseitig gegen das Rückenmark drücken, können auch Beschwerden im unteren Körperbereich auftreten.
Wichtig ist der Übergang von der Hals- zur Brustwirbelsäule (C7/Th1). Wie in allen Übergangsbereichen der Wirbelsäule ist die physiologische Beweglichkeit entscheidend. Dieser sogenannte CTÜ (cervikothorakaler Übergang) ist sehr oft im zunehmenden Alter komprimiert und bewegungseingeschränkt. Er tritt dann auch optisch hervor. Dadurch ist dann entscheidend die Seitneigung von Kopf und Halswirbelsäule eingeschränkt.
Die obere Wirbelsäule steht in engem Kontakt mit dem Nacken- und Schulterbereich und mit den Körperorganen. Bei Funktionsstörungen können akute oder im Lauf der Zeit auch chronifizierte Folgen auftreten. Ich mache meine Einschätzung nicht nur an einem einzigen Wirbelsegment fest, sondern betrachte Beschwerden eher funktionell segmental, wie in der manuellen Medizin und Osteopathie gelehrt, in komplexerer Form. So können Atemstörungen von der oberen Halswirbelsäule, Schulterbeschwerden von der tieferen Halswirbelsäule und Herzbeschwerden von der oberen Brustwirbelsäule kommen. Eine Orientierung bietet Ihnen die folgende Tabelle.
Der erste Nerv der Halswirbelsäule tritt zwischen dem Hinterhaupt (Occiput) und dem ersten Halswirbelkörper aus und wird als C1 bezeichnet. Daher gibt es acht segmentale Verbindungen, aber nur sieben Halswirbelkörper. Die Brustwirbelsegmente entsprechen den jeweiligen Etagen der Brustwirbelsäule; so entspringt beispielsweise Th4 unterhalb des vierten Brustwirbels.
Schmerzen haben immer eine Warnfunktion, sie sind ein wichtiges Alarmsignal. Sie ko¨nnten sie einfach ignorieren und als eine Art Symptomtherapie ein Schmerzmittel einnehmen. Dann wären Sie den Schmerz erst einmal los. Schmerzmittel können Heilmittel aber nicht ersetzen! Besser ist es daher, die eigentliche Ursache des Schmerzes zu ermitteln. Was ko¨nnte der zutreffende Auslo¨ser sein? U¨berlastung, Unterforderung, Verku¨hlung, ein Trauma oder auch u¨berma¨ßiger Stress mit Anspannung kommen primär infrage. Die Schmerzsensoren in Haut und Faszien nehmen die eintreffenden Reize in Sekundenbruchteilen auf und leiten sie u¨ber die Ru¨ckenmarksebene zum Gehirn. Dort werden sie erkannt, beurteilt und verarbeitet. Keine andere Sinnesempfindung ist so stark von der vegetativen und emotionalen Ausgangslage des Menschen abha¨ngig, also davon, wie angespannt oder entspannt Sie sind, wie der Schmerz.
Schmerzen geben Ihnen eine wichtige Orientierung: Indem Sie den Schmerzsignalen und den Reaktionen Ihres Ko¨rpers ausreichend Geho¨r schenken und angemessen handeln, sammeln Sie die fu¨r die Selbstbehandlung wichtige Erfahrung. Sie lernen, wann es no¨tig ist einzugreifen und was genau Ihnen hilft. Heilung entsteht durch Wissen und Handeln.
Je schiefer der Kopf, umso größer die Belastung für den Nacken: Zerren bei einer Neigung von 15 Grad noch rund 12 Kilogramm an den Halswirbeln, so sind es bei 60 Grad bereits mehr als doppelt so viel. Der New Yorker Chirurg Kenneth Hansraj nimmt an, dass der ständige Gebrauch von Smartphones zu einer Schädigung der Körperhaltung führt.
Ursprung der Schmerzen sind ha¨ufig die Faszien. Faszien sind das wichtigste Sinnesorgan, der sogenannte sechste Sinn und daher der Dreh- und Angelpunkt von Schmerzen, Bewegungssteuerung und Gefühlen. Die zwei Sinnesforscher David Julius (USA) und der im Libanon geborene Ardem Patapoutian erhielten fu¨r ihre Entdeckung von Rezeptoren fu¨r Temperatur und Beru¨hrung den Medizinnobelpreis 2021. Das ist voraussichtlich der Beginn eines Paradigmenwechsels in der Schmerzerkennung und ihrer Interpretation. Hierzu wird es sicher in den...
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