Schweitzer Fachinformationen
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Entdeckungen vor der HaustürNach unzähligen Erlebnissen überall in der Welt hat Andreas Kieling heute einen anderen Blick auf die heimische Natur. Während bestimmte Insekten- und Amphibienarten aussterben, sind Uhus, Wanderfalken oder Schwarzstörche, Luchse und Wölfe bei uns wieder präsent. Angeregt durch seinen beliebten Videoblog "Kleine Waldschule", ruft er dazu auf, sich mit der Natur neu auseinanderzusetzen.
Spannend und anschaulich vermittelt er, was man über Biotope im näheren Umfeld, über Bienenhotels, Ameisenpopulationen, Krötenwanderungen oder Wildbegegnungen wissen sollte. Und was wir für die natürliche Vielfalt auf dem Balkon, im Wald und auf der Wiese tun können.
"Der bekannte Tierfilmer Andreas Kieling nimmt den Leser an die Hand und führt ihn durch kurz gehaltene, aber sehr informative Kapitel rund um die Bewohner und Pflanzen im Wald. Dabei schafft er es, sehr fokussiert zu erzählen und bindet seine vielen Erfahrungen amüsant und ehrlich mit ein. Es geht um Vögel, Insekten, den Naturschutz, den Nutzen eines Fernglases, Pilze und Früchte - kurz gesagt, das Buch vermittelt einen interessanten Querschnitt durch den Lebensraum Wald." "Sehr lebendig, sehr persönlich. Eine Liebeserklärung an die Natur." "Kieling hat (.) ein Buch vorgelegt, das für jede Art von Leseverhalten geeignet ist und deshalb allen, die sich auch nur im Entferntesten für Natur und Wald interessieren, nur wärmstens empfohlen werden kann - man lernt ja nie aus."
Andreas Kieling, 1959 in Gotha geboren, floh 1976 aus der DDR und bereist seit 1990 die Welt. Der vielfach preisgekrönte Dokumentarfilmer lebt in der Eifel. Neben Reisen in die entlegensten Regionen widmet er sich in seinen erfolgreichen Büchern vor allem der heimischen Natur. Zuletzt erschienen u.a. die Bildband-Bestseller "Sehnsucht Wald" und "Im Bann der wilden Tiere".
Warum unsere Insekten sterben und was wir dagegen tun können
Als ich ein Kind war, waren Käfer, Waldameisen, Würmer, Engerlinge, Schnecken, Schmetterlinge und Motten, also nachtaktive Schmetterlinge, etwas völlig Normales. Wir Kinder schwärmten noch aus und sammelten Kartoffelkäfer von den Kartoffelsträuchern ab - wir bekamen dafür sogar Geld. Wenn wir über eine Wiese liefen, begleitete uns das Zirpen unzähliger Heuschrecken. Der Maikäfer war ein Allerweltstier, so häufig, dass wir ihn sammelten und an die Hühner verfütterten. Etwa alle vier Jahre gab es besonders viele dieser Blatthornkäfer mit den charakteristischen fächerförmigen Fühlern, denn zwischen drei und fünf Jahren dauert ihre Metamorphose vom Ei bis zum fertigen Insekt. Dann fraßen sie in manchen Regionen die Bäume kahl und waren eine regelrechte Plage. Nur wenige Jahre später hatte ich Mühe, in einem guten Maikäferjahr zehn von ihnen zu fangen. Die Tiere waren so selten geworden, dass es sogar ein Lied darüber gab. Die älteren Leser erinnern sich vielleicht noch an Reinhard Meys »Es gibt keine Maikäfer mehr« aus dem Jahr 1974. Meys Abgesang auf die Maikäfer ging in den allgemeinen Sprachgebrauch ein und dokumentierte Artensterben bei uns schon vor fast fünfzig Jahren.
Insekten gab es lange Zeit in solch rauen Mengen, dass man kaum gedacht hätte, dass es mal schlecht um sie stehen könnte. Aber dann wurden mit akribischer Systematik Agrarflächen und im Übrigen auch Wälder mit Herbiziden und Fungiziden besprüht, und natürlich mit Insektiziden, allem voran dem berüchtigten DDT. Das war ein Megagift nicht nur für Insekten, sondern auch für insektenfressende Vögel. Deren Eier wurden aufgrund des DDT so dünnschalig, dass der Nachwuchs kaum mehr eine Überlebenschance hatte. Das Gift reicherte sich in der Nahrungskette immer mehr an und wurde so zum Beispiel auch Greifvögeln, Eulenvögeln, Füchsen und Mardern zum Verhängnis. Ich gehe davon aus, dass sich viele Arten bis heute nicht vom hemmungslosen Gebrauch von DDT erholt haben, obwohl es bereits seit über vierzig Jahren (seit 1. Juli 1977) verboten ist. Das Ausbringen anderer Gifte und regelrechter Giftcocktails wurde derweil munter fortgesetzt. Das konnte nicht spurlos an der Natur vorübergehen, denn nicht nur DDT, jedes Gift potenziert sich in der Nahrungskette.
Hinzu kommt, dass die Kulturpflanzen, die wir anbauen, immer weniger für Insekten geeignet sind. In den riesigen Feldern mit Monokulturen haben Insekten überhaupt keine Chance, ausreichend Nahrung zu finden, vom Rapsglanzkäfer und anderen spezialisierten Schadinsekten abgesehen, und an den Rändern lässt die industrielle Landwirtschaft keinen Raum mehr für Grünstreifen, Hecken und Büsche. Selbst eine Wiese besteht heutzutage aus Hochleistungsgras: aus Weidegras oder aus Energiegras für Biogasanlagen, das nicht einmal mehr blüht. Diese Grünlandflächen sehen vielleicht ganz hübsch aus, wenn ihnen im Frühjahr Huflattich und Löwenzahn gelbe Sprenkel verpassen. Doch da hält sich keine Hummel auf, keine Feldlerche, nichts. Nach der Mahd wird Gülle draufgesprüht oder das übrig gebliebene Substrat aus der Biogasanlage, und spätestens dann ist das letzte Insekt tot. Falls überhaupt noch eines dort gelebt hat.
Die Forstwirtschaft trug ebenfalls ihren Teil bei. Wirtschaftswälder wurden sauber aufgeräumt, in den Monokulturen standen die Bäume ohnehin in Reih und Glied. Für umgestürzte Bäume oder Baumstümpfe war da kein Platz, das Totholz musste raus. Ich frage mich immer, warum man von »Totholz« spricht, denn es ist ja alles andere als tot. In Totholz steckt sogar mehr Leben als in »lebendigem« Holz - jedenfalls was Insekten betrifft: Es ist Lebensgrundlage für holzfressende Insekten, Lebensraum für Insekten, die in den Löchern und Gängen, die ihre holzfressenden Kollegen schufen, ihre Bruten ablegen. In dem Totholz gedeihen Pilze und Bakterien, von denen sich verschiedene Larven ernähren. All die Totholzbewohner sind wiederum Nahrung für größere Insekten und für insektenfressende Tiere. Für sie ist Totholz wie ein Tischleindeckdich.
Lichtverschmutzung ist ein weiterer Punkt. Nachtaktive Insekten, also immerhin die Hälfte aller Insektenarten, brauchen die Dunkelheit und das Licht vom Mond und den Sternen, um sich zu orientieren, um Nahrung zu suchen, um sich fortzupflanzen, um Räubern auszuweichen. Was sie garantiert nicht brauchen, sind künstliche Lichtquellen von Reklameschildern, Industrieanlagen, Straßenlaternen und dergleichen, denn die stören ihre Aktivitäten, locken sie aus dunklen Ökosystemen fort, die dadurch in Bezug auf Insekten verarmen, und machen sie zur leichten Beute von nachtaktiven Vögeln oder Fledermäusen. Viele Insekten sterben auch durch künstliche Lichtquellen, weil sie gegen das Glas donnern, hinter dem das Licht leuchtet, zu Boden fallen und dort zertreten oder überfahren werden.
Über 27 Jahre hinweg, von 1989 bis 2015, erfasste der Entomologische Verein Krefeld den Bestand von Insekten an sechzig ausgewählten Standorten - mit verheerendem Ergebnis: Die Entomologen gehen davon aus, dass wir 75 Prozent der Biomasse an Insekten verloren haben. Der Verlust zog sich durch sämtliche Arten. Es hat Schmetterlinge getroffen und Libellen, Käfer und Heuschrecken, Ameisen und Wespen . Den meisten Menschen war bis dahin nur aufgefallen, dass so gut wie keine Insekten mehr an der Windschutzscheibe ihrer Autos klebten und dass extrem wenige Bienen unterwegs waren. Der Begriff »Insektensterben« bezieht sich aber nicht nur auf die Anzahl der Insekten, also eben die Biomasse, sondern auch auf das Verschwinden ganzer Arten.
Die sogenannte Krefelder Studie, die im Herbst 2017 erschien und deren Hiobsbotschaft von den Medien bereitwillig aufgegriffen wurde, rüttelte viele auf. Unfassbare 4,9 Millionen Mal wurde mein erster Post zum Insektensterben auf Facebook aufgerufen - ein klares Indiz dafür, wie sehr dieses Thema die Menschen berührt. Es entbrannten heiße Diskussionen. Die schönsten Kommentare kamen aber von Leuten, die nicht nur tolle Tipps gaben, sondern selbst mit gutem Beispiel vorangehen, die etwa auf brachliegenden Äckern - natürlich mit Zustimmung der Landwirte - Sonnenblumenkerne und die Saat von Wildblumen aussäen; die ihren Rasen statt jede Woche einmal im Monat mähen oder dem Gras sogar nur einmal im Jahr mit der Sense zu Leibe rücken, damit Löwenzahn, Klee und andere Wildpflanzen gedeihen können; die auf ihrem Balkon in der Stadt Glockenblumen, Karthäusernelken und andere einheimische Blumensorten pflanzen, die zu unseren Insekten »passen«, statt tropische Sorten wie Passionsblume oder Engelstrompete, mit deren Blüten viele Insekten hier nichts anfangen können, weil zum Beispiel ihre Saugrüssel nicht lang genug sind, um an den Nektar heranzukommen.
Wenn wir schon bei Maßnahmen sind, die Insekten anlocken und/oder ihnen eine Heimstatt bieten, dürfen Insektenhotels nicht fehlen. Die Dinger sind nicht groß und haben auf jedem Balkon, in jedem Garten Platz. Es gibt sie zum Beispiel nur für Wildbienen, nur für Hummeln oder nur für Schmetterlinge oder quasi als WG, in der Wildbienen, Schlupf- und Grabwespen, Flor- und Schwebfliegen, Marienkäfer, Ohr- und Glühwürmchen ein Zuhause finden. Fertige Insektenhotels gibt es in jedem Gartencenter, Hobbybastler finden Baupläne im Internet. Noch leichter kann es einem nicht gemacht werden, seinen Teil zur Rettung von Insekten beizutragen. Ein absolutes No-Go sind in diesem Zusammenhang die Zäune aus mit Steinen gefüllten Drahtkörben, die seit einigen Jahren in Mode sind.
Die Konsequenzen aus dem Insektensterben wären logischerweise, dass wir den Einsatz von Pestiziden, speziell Insektiziden, entweder stoppen oder zumindest deutlich minimieren; dass wir zwischen den großen landwirtschaftlichen Nutzflächen Randstreifen wachsen lassen; dass wir deutlich mehr Flächen Brachland sein lassen, wo wachsen darf, was wachsen will, vor allem sehr viele Wildkräuter und auch Wildblumen, die über die Vegetationsperiode hinweg verteilt blühen; dass wir im Wald Totholz liegen lassen. Wie förderlich sich das auswirken würde, lässt sich am Grünen Band zeigen, dem großen Naturschutzprojekt entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Auf bis zu zweihundert Meter Breite und ungefähr 1400 Kilometer Länge gab es vierzig Jahre lang keine Land- oder Forstwirtschaft, stattdessen den berüchtigten Todesstreifen mit Zäunen, Lichtsperren, Gräben und Selbstschussanlagen. Auf DDR-Seite schlossen sich ein Schutzstreifen und eine fünf Kilometer breite Sperrzone an, in der sämtliche menschliche Aktivitäten stark eingeschränkt waren. Die Grenze war, so könnte man sagen, der Menschen Leid und der Natur Freud, denn sie bescherte dem Landstrich ungewollt einen äußerst strengen Natur- und Umweltschutz. Das schmale Band, heute eben »Grünes Band« genannt, wurde zu einem Refugium für Pflanzen und Tiere, darunter über eintausend seltene und gefährdete Arten. Als ich anlässlich des zwanzigsten Jahrestags des Mauerfalls im Jahr 2009 diesem Grünen Band vom Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechische Republik in der Nähe von Hof bis an die Ostsee folgte, wurde ich selbst Zeuge, wie extrem viele Insekten in dem Gebiet lebten, wie sehr viele seltene Pflanzenarten es gab: Orchideen, fleischfressende Pflanzen, Seidelbast, Aronstab, seltene Gräser, Moose und Flechten. Dasselbe Phänomen kann man auf einstigen Truppenübungsplätzen feststellen. Da wurden Nebelgranaten gezündet, da brannte es mal, wenn mit scharfer Munition geschossen wurde, und da landeten natürlich auch Metallsplitter in den Bäumen. Aber weil dort keine Forst- und Landwirtschaft betrieben wurde, kamen keine Gifte gegen Insekten, Pilze oder Unkraut...
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