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Die vorliegende Studie stellt ein Desiderat dar, indem eine kontrastive Untersuchung von Männlichkeit(en) in ausschließlich männlichen Studenten- und Handwerkergruppen zweier Sprachen, Kulturen und Länder (Österreich-Ukraine) vorgenommen wird. Im Fokus der Untersuchung steht die Frage, mit welchen (para-)sprachlichen Mitteln in männlichen Gesprächen direkt bzw. indirekt auf die Geschlechtsidentitäten verwiesen wird und welche Positionierungen, die an die für die Männlichkeiten unterschiedlicher kultureller Räume besonders salienten Werte geknüpft sind, besonders häufig realisiert werden. Auf Basis eines Korpus von 61 Stunden authentischer Interaktionen von ukrainischen und österreichischen Handwerkern und Studenten in rein männlichen Gruppen erfolgt die kontrastive Untersuchung der Geschlechtsindexikalität von Männlichkeiten.
Oksana Khrystenko, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Das Ziel des folgenden Kapitels besteht darin, die wichtigsten theoretischen und methodischen Grundlagen für die vorliegende Arbeit aufzuzeigen, bevor es zu empirischen Datenanalysen in den nachfolgenden Abschnitten kommen soll. Kapitel 2.1 soll einen Überblick über die wichtigsten Theorien zur interaktiven Konstruktion der Geschlechtsidentität (doing vs. undoing/indexing/performing gender) verschaffen und die wichtigsten Standpunkte jeder Theorie kurz erläutern. Darauf aufbauend werden anschließend in Kapitel 2.2 die wichtigsten Studien zur männlichen Kommunikation zusammengefasst. Dieser Überblick konzentriert sich hauptsächlich auf Studien im englischsprachigen Raum, die sich in den letzten zwanzig Jahren dem kommunikativen Verhalten in männlichen Gruppen sowie den Besonderheiten derer Identitätskonstruktion in der Interaktion gewidmet haben. Zudem wird in der Studie der Versuch unternommen, die männlichen Identitäten unter Berücksichtigung des Konzepts der Identitätenintersektionalität zu umreißen.
In den folgenden Ausführungen wird auf verschiedene Theorien der interaktiven Konstruktion von sozialem Geschlecht eingegangen, sowie die in der Ethnomethodologie wurzelnde Doing Gender-Theorie und den Undoing Gender-Ansatz. Des Weiteren werden auch das Konzept der Geschlechtsindexikalität und die poststrukturalistische Performing Gender-Theorie erörtert.
Das Ziel des Kapitels besteht darin, eine Übersicht über Theorien der Geschlechtsindexikalität sowie die mit ihr verwandten Konzepte zu geben, und diese Ausführungen als weitere theoretische Grundlage für die empirischen Analysen der folgenden Kapitel der vorliegenden Studie zu verwenden.
Der erste Grundstein für weitere Untersuchungen der geschlechtlichen Stilunterschiede wurde bereits vom dänischen Linguisten Otto Jespersen in seinem Buch "Language, its nature, development and origin" (1922) gelegt. Im dreizehnten Kapitel ('The woman') seiner Studie wird auf den Sprachstil von Frauen eingegangen. Aus Sicht der modernen Linguistik kann Jespersens Studie als Vorläufer der defizitären Hypothese 2 betrachtet werden, weil die Sprache der Frauen auf bestimmte lexikalisch-grammatische Repräsentationseinheiten reduziert und ihr ein gewisser Innovationsgrad abgesprochen wird.
Aufgrund einiger bisher gemachter Forschungen - z.?B. zu grammatischen Differenzen beider Geschlechter in Bolivien 3 - sieht Jespersen bedeutsame Unterschiede in verschiedenen "Sprachen" - gemeint sind wohl die Gesprächsstile als "sozial relevante Art der Durchführung einer Handlung" (Sandig 1995: 28) beider Geschlechter.
Diese Unterschiede markieren laut Jespersen z. T. die verschiedenen sozialen Positionen von Männern und Frauen in der Gesellschaft, wobei die Männer den höheren sozialen Status haben und gewisse Privilege genießen:
There are very few traces of real sex dialects in our Aryan languages, though we have the very curious rule in the old Indian drama that women talk Prakrit (the natural or vulgar language) while men have the privilege of talking Sanskrit (the adorned language). (Jespersen 1922: 241?f.)
Seine introspektiv gemachten Beobachtungen zu weiblichem Sprachgebrauch (z.?B. Ersatz harscher Worte durch Euphemismen, empathisches Sprechen, häufiger Gebrauch von Exklamationen und Adjektiven wie pretty/nice) lassen sich aus Sicht der Doing Gender-Theorie als die Sichtbarmachung des Geschlechts im Sinne von "behavioral aspects of being a woman" (West und Zimmerman 1987: 127) interpretieren. Die Nutzung dieser sprachlichen Besonderheiten korreliert somit mit gesellschaftlichen Vorstellungen über typisch weibliche Verhaltensmuster, über die u. a. in dem späteren Doing Gender-Ansatz diskutiert wurde.
Das von West und Zimmerman vorgeschlagene Doing Gender-Konzept hat seine Wurzeln in den ethnomethodologischen Forschungsarbeiten, in denen auf die kontinuierliche Konstruktion von Geschlechtszugehörigkeit fokussiert wurde - "Personen haben bestimmte [.] Haltungen nicht als ihre geschlechtliche Eigenschaft, sie haben umgekehrt ihr Geschlecht [.] als Eigenschaft jener Gesten und Tätigkeiten: Es liegt in sozial organisierten Praktiken" (Hirschauer 2021: 136):
Doing gender involves a complex of socially guided perceptual, interactional, and micropolitical activities that cast particular pursuits as expressions of masculine and feminine 'natures'. (West und Zimmerman 1987: 126)
Die Doing Gender-Theorie befasst sich also mit der Frage, wie man mittels Handlungen sich als männlich bzw. weiblich präsentiert und "mittels welcher Verfahren das so gestaltete kulturelle Geschlecht im Alltag mit Bedeutung aufgeladen wird" (Kotthoff 2003: 125).
Die Relevanzsetzung von Gender kann nach Kotthoff (2003) auf fünf Ebenen vollzogen werden:
In der Stimme und Prosodie.
Abgesehen davon, dass es anatomische Gründe für die Stimmunterschiede zwischen Geschlechtern gibt, die die Stimmhöhe/-tiefe erklären konnten - "men will produce lower average formant frequencies than women as a result of their longer vocal tracts" (Archer et al. 2012: 223) -, bleibt die Phonologie trotzdem eine wichtige Ressource für Geschlechtsinszenierung. Laut Eckert und McConnell-Ginet (2003) könnte die geringere Variation in der Grundfrequenz ein Indikator für die heteronormative Männlichkeit sein, wogegen der Dynamismus in der Rede als Marker für das weibliche Sprachverhalten konzipiert wird:
English-speaking men heard as hegemonically masculine showed much less variation in fundamental frequency and [.] they shifted the frequency less often as women or men whose speech was heard as effeminate. (Eckert und McConnell-Ginet 2003: 177)
Nicht nur die geringere Variation der Grundfrequenz, sondern auch gewisse mit Intonationshöhe verbundene stereotypische Vorstellungen und bestimmte Stimmcharakteristika werden mit weiblichem/männlichem "doing gender" assoziiert, obwohl dem Geschlecht keine größere Bedeutung als den anderen sozialen Variablen zugeschrieben werden muss. Laut einigen Studien werden Verletzlichkeit und Höflichkeit mit höherer Tonlage assoziiert, welche dann mit dem Wert "Weiblichkeit" in Verbindung gebracht wird:
'Feminine' vs. 'masculine' values are associated with 'submissiveness' and 'dominance', respectively. Other meanings include (for higher pitch) 'friendliness' and 'politeness'. A closely related one is 'vulnerability' (for higher pitch) vs. 'confidence'. (Archer et al. 2012: 223)
Laut Kiesling (vgl. Kiesling 2007) soll eine niedrige Stimmlage auf Größe und Autorität hindeuten, was mit mächtiger, härterer Männlichkeit in Verbindung gebracht wird. Die Studie von Acuña-Ferreira (2002/2003) beobachtet die Geschlechterunterschiede in der Verwendung von affektiven Intensivierern: wenn sich Frauen mit steigenden finalen Grenztönen, emphatischer Akzentuierung, hyperbolischem Gebrauch von Intensivierern in stereotypischen weiblichen Diskurs einfügen, sind für die von ihr untersuchten Männer andere emotive Displays charakteristisch:
In male interaction, the factual-appelative function is highlighted in rhetorical questions, prosodically put forward in a hyperbolic manner and combined with the use of stigmatized emphatic markers, abrupt shifts in volume and time at the end of the turn and pronounced intonational falls. (Acuña-Ferreira 2002/2003: 167)
Andere Möglichkeiten des Geschlechtsausdrucks liegen im Bereich der Phonation - so werden die behauchte oder Knarrstimme dazu verwendet, Haltungen zu konstruieren, die zwar nicht direkt auf das Geschlecht hinweisen, aber dennoch untrennbar mit diesem verbunden sein können (vgl. Podesva und Kajino 2014):
[I]f creaky voice can be said to be iconic of masculinity, falcetto - with its characteristically high F0 - can be considered as icon of femininity. Podesva (2007) suggests that, at its core, falsetto indexes expressiveness, and that expressiveness can be marshaled in constructing a variety of character types, including a gay diva persona. (Podesva und Kajino 2014: 115?f.)
Die Untersuchungen zu phonetisch-phonologischen Unterschieden im englischsprachigen Raum ergaben, dass die männlichen und weiblichen Sprecher unterschiedliche phonetische Varianten (bspw. [ng] vs. [n] in Norwich) verwenden. Wenn die weiblichen Sprecher dazu...
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