Schweitzer Fachinformationen
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Melodea
»Du kommst spät, wir schließen gleich um zwei.« Der Typ, der in der kleinen Bar die Nachtschicht schob, lächelte mich an - erst unverbindlich und dann, als er mich genauer in Augenschein genommen hatte, sehr viel intensiver. »Wenn du magst, kannst du mir so lang gern noch hier vorn Gesellschaft leisten.«
»Danke, nein, ich bin .« Mein Blick huschte durch den Raum, während ich mich selbst fragte, was eigentlich die Antwort auf die Frage war, was ich hier zu suchen hatte.
»Ah, mit ihm verabredet, was?«, fragte der Barmann, weil ich gerade in die Richtung des einzigen Gasts schaute, der allein da war. Außer ihm saß nur noch ein Grüppchen junger Frauen ganz hinten an der Wand und trank auf den Start ins Wochenende. »Hab mich schon gefragt, ob er vergeblich wartet. Oder überhaupt wartet.«
Ich nickte. Weil es ein willkommener Vorwand war, um dieses Gespräch zu beenden. »Kann ich einen Daiquiri bekommen, wenn ich ihn schnell trinke?«
»Sicher. Bringe ich dir sofort.«
Er machte sich ans Mixen, und ich sah wieder zu dem dunkelhaarigen Typen, den ich plötzlich angeblich datete.
Mit einer Hand scrollte er eher ziellos auf seinem Handy herum, mit der anderen drehte er den Strohhalm zwischen den Eiswürfeln in seinem Glas. Neben ihm auf dem Tisch lag ein Buch, und die Tatsache, dass der Fremde ein Leser war, gab womöglich den letzten Anstoß dazu, dass ich mich tatsächlich zu seinem Tisch bewegte.
Er bemerkte mich gar nicht. Im Näherkommen sah ich sein Knie zur Musik wippen, die aus den Lautsprechern in den Ecken drang.
Normalerweise hätte ich mich niemals mitten in der Nacht allein in eine Bar begeben.
Normalerweise hätte ich mich unter keinen Umständen zu jemandem dazuzusetzen versucht, den ich nicht kannte.
Aber vielleicht brachte mich Normalität nirgendshin.
»Hey, ist hier noch frei?«
Meine Frage ließ ihn zusammenschrecken.
Ich spähte auf das Buchcover - A Torch Against the Night von Sabaa Tahir -, dann blickte ich eher versehentlich direkt in seine blauen Augen. Sie erzählten von einem Tag, der alles andere als gut gelaufen war, und sofort tat es mir leid, ihn angesprochen zu haben.
»Äh . klar.« Er schaute sich um und schien sich zu Recht darüber zu wundern, weshalb ich in einem Raum voller unbesetzter Tische an seinem gelandet war. Dann musterte er wieder mich, neugierig und auf eine Art, die mir sagte, dass er mochte, was er sah. Was ich wiederum nicht mochte - aber sein Ausdruck war nicht so unverhohlen wie bei dem Kerl an der Bar, das war schon mal was.
Natürlich konnte ich mich täuschen, aber meinem Eindruck nach strahlte er genau das aus, was ich heute Nacht fühlte: eine leichte Verwirrung darüber, was ihn überhaupt hierherverschlagen hatte, gepaart mit einer fast - aber nur fast - unauffälligen Spur von . ja, was? Melancholie? Wehmut? Dem Wunsch nach etwas, was man sich nicht wirklich wünscht?
Ich ließ mich auf den Stuhl ihm gegenüber sinken und platzierte meine Handtasche am Tischbein. »Ist das gut?« Mein Zeigefinger berührte den Buchdeckel.
Er legte sein Handy weg und lächelte. »Was für eine Frage! Eine meiner ungeschlagenen Lieblingsreihen. Lese sie gerade zum zweiten Mal.«
Ich erwischte mich dabei, wie ich zurücklächelte. Ein Fantasy-Fan war ich zwar noch nie gewesen - aber einer von Menschen, die mit dieser Begeisterung in der Stimme von Geschichten sprachen.
»Weit nach Mitternacht bei einem Drink?«, fragte ich.
Er hob eine Schulter. »Konnte nicht schlafen.« Ein kleines Seufzen folgte seinen Worten. »Und es war einfach kein besonders schöner Freitag.«
Ich verschränkte meine Arme auf dem Tisch. »Möchtest du drüber reden?«
Wenn man es ansprach, wollte man das, oder?
Er hatte wieder angefangen, seinen Strohhalm im Glas zu drehen. Gemeinsam lauschten wir dem Klackern der Eiswürfel.
»Zuerst würde ich gern deinen Namen erfahren«, sagte er. »Es fällt mir nämlich schwer, mich Unbekannten anzuvertrauen.«
Ich zögerte. Irgendetwas in mir wollte nicht, dass er mehr über mich herausfand. »Das würde mich dir nicht weniger unbekannt machen. Ich behalte ihn lieber erst mal für mich.«
»Nicht nur schön, sondern auch noch geheimnisvoll«, murmelte er.
Beides schmeichelte mir längst nicht so sehr, wie es das vielleicht hätte tun sollen.
»Du kannst mir deinen aber ruhig verraten.«
Er schüttelte leicht den Kopf. »Dann würde ich mich im Nachteil fühlen.«
Ich lächelte, schön und geheimnisvoll, nicht ganz ich oder irgendwo eben doch durch und durch ich, wer wusste das schon? »Traust du dich trotzdem? Erzähl mir von dir.«
***
Schon im Flur vor seiner Wohnung küssten wir uns.
Finde das aufregend!, befahl ich meinem Körper, aber er betrachtete es eher als beunruhigend. Praktischerweise zeigte er das mittels Gänsehaut, was der Mann, der mich da küsste, problemlos als gutes Zeichen werten konnte.
Er ist wirklich süß, sagte ich mir. Freundlich und sympathisch. Er liest. Er ist aufmerksam. Er hat Humor.
Warum musste ich mich überhaupt an die Gründe erinnern, aus denen ich Lucian vor der Bar mitten im nächtlichen Oxford in einem völlig ungewohnten, verführerischen Tonfall gefragt hatte, ob er mich mit zu sich nach Hause nehmen wolle?
Er hieß höchstwahrscheinlich nicht wirklich Lucian. So nannte ich ihn nur in Gedanken, weil es austauschbar und weich klang und ich Namen mit L schon immer gemocht hatte.
Er ist heiß, fügte ich probehalber meiner inneren Liste hinzu, aber das traf nirgendwo in mir auf echte Zustimmung, obwohl ich wusste, dass es wahr war. Ich kannte immerhin die Merkmale, die ein Mensch haben muss, damit eine Menge Leute ihn attraktiv finden.
Ich machte das mit dem Küssen einfach, wie ich es damals mit Travis gemacht hatte. Es war in Ordnung, schätzte ich, jedenfalls erwiderte Lucian es sehr hingebungsvoll. Weshalb mein Körper es umso aufregender finden sollte.
Vielleicht kam das noch, wenn ich mich etwas besser an die Situation gewöhnt hatte.
Lucians Lippen lösten sich von meinen, und er legte eine Hand an meine Wange, während er in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel kramte. Diese Berührung gefiel mir zur Abwechslung wirklich, und ich schöpfte Hoffnung.
Lasst uns das durchziehen!, bestärkte ich Kopf und Herz. Das wird gut, ihr werdet sehen!
Lucian bekam den Schlüssel zu fassen, doch er entglitt ihm, bevor er ihn ins Schloss stecken konnte, und landete rasselnd auf dem Boden.
Er ist nervös. Deinetwegen. Liebenswert, oder?
Beim zweiten Versuch gelang es ihm, die Tür aufzusperren.
»Möchtest du was trinken oder so?«, fragte er fast schüchtern. »Wir könnten uns in die Küche setzen und . weiterreden.«
Er will dich nicht benutzen, flüsterte ich mir Mut zu. Vielleicht ist er jemand, der es lieber langsam angeht.
Seltsamerweise machte mich das trotz all meiner Unentschlossenheit nur noch entschlossener.
»Ich hatte an was anderes gedacht.« Schon wieder klang ich in meinen eigenen Ohren fremd.
Seine Augen weiteten sich.
»Aber ich möchte nicht aufdringlich sein«, fügte ich schnell hinzu und ärgerte mich über mich selbst, weil ich vermutlich im Wechsel leicht zu haben und extrem zögerlich-reserviert wirkte.
»Nein, nein, alles gut. Bist du dir . Ich meine . Wirklich? Du tauchst einfach auf, hörst mir zu, kommst mit mir nach Hause und willst .?«
Nein.
»Ja.«
Lucian atmete tief durch. »Äh . gut. Klar. Ich . Wow.«
Ich zog die Schuhe aus und die Jeans gleich hinterher, wie ein Roboter, aber mit viel geschmeidigeren Bewegungen.
Er starrte mich an, aber nicht peinlich berührt oder begehrlich. Eher, als hätte er den Hauptgewinn abgeräumt, ohne überhaupt ein Los gezogen zu haben.
»Bist du dir sicher?«, fragte er aus irgendeinem Grund noch mal.
Er forschte zu intensiv in meinem Gesicht. Ich wollte nicht, dass er etwas darin fand, was meiner Aussage widersprach, also winkte ich ihn wieder näher zu mir heran. Er legte die Hände an meine Taille und schob mich sanft durch die offene Tür ins Schlafzimmer.
Ruhig, beschwichtigte ich meine Haut unter seinen Fingern. Er darf das.
Ich konnte das hier genießen. Ich musste es doch genießen können.
Lucian küsste mich erneut und befreite mich von meinen übrigen Kleidungsstücken, seine Berührungen und Blicke immer wieder fragend - das brachte mich dazu, auch ihm beim Ausziehen zu helfen.
Lucian suchte so lange in seinem Nachtschränkchen und dann im Bad nebenan herum, dass klar war, wie wenig er auf Aktionen wie heute Nacht vorbereitet war. Was mir half, daran festzuhalten.
Mein Verstand war auf meiner Seite.
Wir wollen das, erinnerten wir gemeinsam den Rest von mir.
Überhaupt nicht - muss das wirklich sein?, protestierten sämtliche Empfindungen.
Ich legte mich aufs Bett und gab mich so entspannt, wie ich konnte.
Lucians Freitag war schlecht gewesen, weil seine ältere Halbschwester ihm zum ersten Mal ihren vierjährigen Sohn zum Babysitting anvertraut hatte und dieser dann unglücklicherweise von einem anderen Kind mit dem Fahrrad umgefahren worden war. Obwohl Lucian den Unfall nicht hätte verhindern können, war der Arme in der Notaufnahme ordentlich von seiner Halbschwester...
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