Der Deutsche Schäferhund
Vor Tausenden Jahren begann der Mensch, Haustiere zu halten. Sie wurden und werden gegen Beutegreifer beschützt von Herdenschutzhunden (Hirtenhunden). Hütehunde in unseren Regionen entwickelten sich erst mit dem Zeitalter der Industrialisierung. Man fing an, Schafwolle industriell zu verarbeiten. Schafe sind relativ einfach zu halten. Sie sind anspruchslos, können sich auch auf kargem Grund ernähren. Sie können gut auf kargem Land gehalten werden, auf dem sonst keine intensive Landwirtschaft möglich wäre.
Man hielt Schafe in großem Stil. Gleichzeitig wurde der Ackerbau weiter ausgebaut. Nun benötigten die Schäfer Hunde, die kleiner, wendiger und nicht ganz so selbstständig wie die alten Herdenschutzhunde waren. Die Hunde mussten die Schafe zusammen halten, in die vom Schäfer gewünschte Richtung treiben, Acht geben, dass kein Tier verloren ging und gleichzeitig die Schafe davon abhalten, in ungeeignete Flächen wie z.B. Gärten und Felder einzubrechen und dort alles abzufressen. Schäferhunde reagieren auf Fingerzeig ihres Herrn. Sie müssen aber auch selbstständig arbeiten, etwa wenn Schafe vom Weg abkommen oder sich Beutegreifer nähern. Das Umkreisen der Beute, Tiere aus der Herde aussondern, in Richtung der Rudelmitglieder treiben - ein Verhalten, das Wölfe bei der Jagd zeigen. Und Hütehunde zeigen dieses Verhalten auch. Der letzte Schritt jedoch, das Packen und Töten der Beute, muss dem Schäfer, dem Rudelführer obliegen. Ein Hütehund, der sich am Vieh vergreift, hat an der Herde keine Zukunft, denn er stellt eine Gefahr für die Schafe dar. Und jedes Schaf hat wirtschaftlichen Wert. Der Schäfer fängt die Schafe ein, sperrt sie in Pferche, verabreicht ihnen Medikamente, schert sie, kümmert sich um sie. Hin und wieder werden auch Schafe geschlachtet, wobei die Hunde natürlich ihren Anteil bekommen. Der Hütehund muss das Packen und Töten der Beute - den letzten Schritt der Jagd - dem Schäfer überlassen. Auch in Wolfsfamilien darf nicht einfach einer vorpreschen, denn entkommt die Beute, ist das Überleben der gesamten Gruppe in Gefahr. Der Schäfer ist unumstrittener Rudelführer. Nur so kann er die Hunde über lange Entfernungen dirigieren und korrigieren. Die Hunde reagieren sofort auf Pfiffe, Zurufe oder Handzeichen. Es gibt auch unter Hütehunden Hetzer. Diese haben an der Herde keine Zukunft. Sie stellen wie gesagt eine Gefahr für die Herde dar. Solange der Mensch an der Herde kein Interesse zeigt, lassen die Hütehunde sie meist in Ruhe. Stimmt jedoch das Rangverhältnis zwischen Mensch und Hund nicht, kann es sein, dass der Hund sich weiter entfernt und dem Jagen - zur Arterhaltung - nachgeht.
Max von Stephanitz, "Schöpfer" des Deutschen Schäferhundes, schrieb über Hektor Linksrhein, später umbenannt in Horand von Grafrath, den ersten registrierten Schäferhund im Zuchtbuch des SV: "Wundervoll in seiner anschmiegsamen Treue zum Herrn, allen anderen gegenüber eine rücksichtslose Herrennatur, ungebändigt in ihrer überschäumenden Lebensfülle. In der Jugend leider nicht erzogen, trotzdem in der Hand des Herrn gehorsam auf den leisesten Wink, aber, sich selbst überlassen, der tollste Unfugtreiber, der wildeste Raufer und ein zügelloser Hetzer. Nie müßig, immer unterwegs, gutmütig zu harmlosen Menschen, aber kein Schmeichler, ein Kindernarr - und immer verliebt. Seinem Beobachter ein dauernder Genuss, seinem Besitzer oft auch eine Quelle schweren Ärgers. Was hätte aus dem Hund werden können, wenn wir damals schon zielbewusste Abrichtung gehabt hätten! Seine Fehler waren Fehler seiner Erziehung, nicht seiner Anlage. Er litt an unterdrücktem, sagen wir besser, nicht ausgenütztem Tätigkeitstrieb, denn er war selig, wenn man sich mit ihm beschäftigte, war dann der lenksamste Hund."
Schäferhunde sind hervorragende Partner auf vier Pfoten. Sie sind teamorientiert, besitzen ein ausgeprägtes Rangordnungsempfinden. Sie sind normalerweise unterordnungsbereit, aktiv und arbeitsfreudig. Als Hundehalter muss man eine klare Führungsposition einnehmen und dem Hund neben genügend Auslauf eine geeignete geistige Auslastung bieten. Seine hohe Intelligenz, seine Arbeitsbereitschaft, müssen gefordert werden. So wird der Schäferhund der Freund für's Leben. Manche Menschen besitzen eine natürliche Autorität, andere müssen dies lernen. Auf liebevolle Art und Weise trainiert, ist der Schäferhund zu höchsten Leistungen fähig. Ein Schäferhund sollte nicht dressiert werden. Bei der Dressur bringt - oder zwingt - man den Hund dazu, Dinge zu tun. Der Schäferhund sollte aber ein echter Partner sein. Kein Sportgerät, das man nach Gebrauch wieder weg stellt.
In Deutschland lebten vier verschiedene Hütehundetypen: kleinere spitzartige Hunde im Norden, zotthaarige im Osten, in Thüringen größere Hunde mit derbem, stockhaarigen Fell und Stehohren, zotthaarige mit Hängeohren in Württemberg. Mit Beginn der Rassehundezucht im 19. Jahrhundert in England wurden auch in Deutschland einheitliche Hütehunderassen gezüchtet. Diese Hunde waren außerordentlich vielseitig und intelligent, immer auf die Wünsche ihres Herrn bedacht. Auch im Kriegsdienst wurden Hunde eingesetzt. Als Melde-, Wach-, Sanitäts- und Schutzhunde. Neben Airedale Terrier und Collie wurde auch der Deutsche Schäferhund vielfach eingesetzt. Am 16.12.1891 gründete man den "Verein zur Züchtung Deutscher Schäferhunde und Spitze Phylax". Der Verein hatte die Ausstellung und Reinzucht der bodenständigen Hunde zum Ziel, was nicht leicht war, da die meisten dieser Hunde Schäfern gehörten, die mit Zuchtschauen und Reinzucht meistens nicht viel am Hut hatten. Artur Meyer und Max von Stephanitz schufen schließlich den Deutschen Schäferhund, den wir heute kennen. Sie hatten Deutsche Schäferhunde auf einer Ausstellung gesehen und erkannten ihr Potenzial. Die Schafzucht als ertragreicher Wirtschaftszweig ging nach und nach verloren. Damit drohten auch die Hütehunde zu verschwinden. Um die Hunde zu erhalten, gründeten Max von Stephanitz und Artur Meyer am 22. April 1899 den Verein für Deutsche Schäferhunde (SV). Sie entwarfen den Rassestandard und verfolgten die Zucht mit eiserner Energie. Meyer starb kurz nach Vereinsgründung, aber Max von Stephanitz führte den Verein bis 1935. Als er am 22. April 1936 - dem Tag der Vereinsgründung - starb, bellten ihm zu Ehren auf der Kölner Ausstellung - ebenfalls am 22. April 1936 - 700 Schäferhunde eine Minute lang. Das Leitmotto von Max von Stephanitz lautete von Anfang an: "Gefällige Erscheinung ist anzustreben, doch darf die Gebrauchstüchtigkeit dadurch nicht in Frage gestellt werden." Und: "Ein guter Hund kann keine schlechte Farbe haben" sowie "Die Farbe eines Hundes hat keinen Einfluss auf seine Gebrauchstüchtigkeit."
Der SV erlangte weltweite Bedeutung. Der Deutsche Schäferhund gehört heute zu den beliebtesten Rassen der Welt, und in Deutschland führt er unangefochten die Welpenstatistik an. Er ist einer der am vielseitigsten einsetzbaren Rassehunde.
Der Deutsche Schäferhund begeistert nach wie vor beim Preishüten. Zahllose Hundesportler haben einen Deutschen Schäferhund als Freizeitund Sportpartner. Zahllosen Menschen hat er als Rettungshund oder im Kriegsdienst das Leben gerettet. Er gehört zu den anerkannten Diensthunderassen und ist bei uns der beliebteste Polizeihund. Man sieht ihn ebenso häufig als Familien-, Begleit- und Sporthund. Auch als Behindertenbegleithund macht er eine gute Figur. Leider sind viele Schäferhunde in die Hände von Vermehrern geraten. Auch in die Hände von Menschen, die besser gar keine Hunde halten sollten. Leider werden Schäferhunde oft unüberlegt angeschafft. Das Ergebnis sind überforderte Halter und Schäferhunde (oder Schäferhundblendlinge (Kreuzlinge und Mischlinge)), die im Tierheim landen oder gar eingeschläfert werden.
Die früher oft geforderte stark abfallende Rückenlinie ist inzwischen zum Glück wieder rückläufig. Sie ist nicht nur unnatürlich und hässlich, sie begünstigt auch Skelettprobleme wie HD. Die Diensthunde bei der Polizei und die Arbeitshunde an der Herde weisen den überzogenen Körperbau der Schausieger in der Regel nicht auf. Der gerade Rücken ist weit weniger anfällig für Gelenkprobleme. "Zucht" ohne Papiere ist ein schwieriges Thema. Hier findet man oft Schäferhunde, die gesundheitlich, körperlich und charakterlich starke Defizite aufweisen und im SV oder RSV gar keine Zuchtzulassung erhalten hätten - aus gutem Grund. Da diese Hunde weit billiger abgegeben werden als Hunde aus seriösen Zuchten, finden sie leider auch viele Abnehmer - und werden munter weiter produziert. Oft werden diese Hunde dann eingeschläfert oder landen als unvermittelbar im Tierheim. Der Schäferhund ist temperamentvoll und arbeitsfreudig. Versteht sein Besitzer nichts von seinem Wesen oder von natürlichem Hundeverhalten, könnte ihm der Hund bald auf der Nase herumtanzen. Nicht selten wird ein solcher Hund zum Wanderpokal oder landet im...