Schweitzer Fachinformationen
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Sie sind da draußen.
Schwarze Jungen in weißen Uniformen, die vor mir auf den Beinen sind, um im Flur Sexspiele zu treiben und die Spuren aufzuwischen, ehe ich sie dabei erwischen kann.
Sie sind am Aufwischen, als ich aus dem Schlafsaal komme, alle drei schlechter Laune und voller Haß auf alles, die Tageszeit, ihren Arbeitsplatz, die Leute, die sie bei der Arbeit dauernd um sich herum haben. Solange sie so hassen, ist es besser, sie sehn mich nicht. Lautlos wie Staub schleiche ich mich in meinen Segeltuchschuhen an der Wand entlang, doch sie haben ganz empfindliche Spezialgeräte, die entdecken meine Angst, und alle schauen hoch, alle drei gleichzeitig, und die Augen funkeln aus den schwarzen Gesichtern wie das kalte Gefunkel von Röhren aus der Rückseite eines alten Radios.
«Da kommt er ja, der Häuptling. Der Super-Häuptling, Kumpels. Der alte Besenhäuptling persönlich. Immer ran an den Speck, Besenhäuptling .»
Drücken mir einen Staubbesen in die Hand und deuten mit einer Kopfbewegung auf die Stelle, die ich heute kehren soll, und ich ziehe ab. Einer klopft mir mit einem Besenstiel hinten auf die Beine, um mir Dampf zu machen.
«Mann, seht bloß, wie der spurt. Ist groß genug, mich glatt in die Pfanne zu hauen, und folgt mir wie so 'n Baby.»
Sie lachen, und dann hör ich, wie sie hinter mir die Köpfe zusammenstecken und murmeln. Gemurmel von schwarzen Maschinen, von Haß und Tod und anderen Geheimnissen der Anstalt. Sie machen sich gar nicht erst die Mühe, leise über ihre Haß-Geheimnisse zu reden, wenn ich in der Nähe bin, sie glauben nämlich, ich sei taubstumm. Alle glauben sie das. Ich bin gewieft genug, sie zum Narren zu halten. Wenn es mir je in diesem dreckigen Leben geholfen hat, Halbindianer zu sein, dann eben damit, daß ich gewieft hin, das hat mir in all den Jahren geholfen. Ich kehre gerade in der Nähe des Eingangs zu unserer Station, da wird von außen ein Schlüssel ins Schloß gesteckt, und ich weiß gleich, daß es die Große Schwester ist, nur bei ihr gibt das Schloß so weich und schnell und bereitwillig dem Schlüssel nach, sie hat schon so lang mit Schlössern zu tun. Sie schlüpft durch die Tür und bringt einen kalten Luftstrom mit sich und schließt die Tür wieder hinter sich zu, und ich sehe, wie ihre Finger über das auf Hochglanz polierte Metall gleiten - ihre Fingerspitzen haben die gleiche Farbe wie ihre Lippen. So ein komisches Orange. Wie die Spitze eines Lötkolbens. So heiß oder so kalt ist diese Farbe, man kann es nicht mal sagen, wenn sie einen damit anfaßt.
Sie trägt ihren geflochtenen Weidenkorb, von der Art, wie ihn der Stamm der Umpquas im August entlang der heißen Landstraßen verkauft, ein Korb in der Form eines Werkzeugkastens mit einem Henkel aus Hanf. Sie hat ihn schon all die Jahre, die ich hier bin. Er ist lose geflochten, und ich kann durchsehen; sie hat keine Puderdose oder Lippenstift oder sonstiges Weiberzeug drin, sie hat den Korb mit tausend Dingen gefüllt, die sie heute im Dienst benützen will - Rädchen und Getriebe, auf Hochglanz polierte Zahnräder, winzige Pillen, die wie Porzellan glitzern, Nadeln, Pinzetten, Uhrmacherzangen, ganze Rollen Kupferdraht .
Sie nickt mir im Vorbeigehen flüchtig zu. Ich lasse mich vom Besen an die Wand drücken und lächle und versuche, so gut es geht, ihre Geräte zu verwirren, dadurch, daß ich meine Augen vor ihr verberge - sie können nicht so viel über dich rausfinden, wenn du die Augen zuläßt.
In meiner Dunkelheit höre ich, wie ihre Gummiabsätze auf die Fliesen treffen und das Zeug in ihrem Weidenkorb durcheinandergeschüttelt wird, als sie an mir vorbeigeht. Sie hat einen steifen Gang. Als ich die Augen wieder aufmache, ist sie am Ende des Flurs und eben dabei, in den Glaskasten der Schwesternstation zu gehen, wo sie den Rest des Tages damit zubringen wird, an ihrem Pult zu sitzen und aus ihrem Fenster zu schauen und sich über all das Notizen zu machen, was während der nächsten acht Stunden vor ihren Augen im Tagesraum vor sich geht. In ihrem Gesicht spiegelt sich Vorfreude und Zufriedenheit.
Dann . entdeckt sie diese schwarzen Jungen. Sie sind immer noch da hinten und flüstern miteinander. Sie haben nicht gehört, daß sie auf die Station kam. Jetzt spüren sie, daß sie sie anstarrt, aber es ist zu spät. Hätten sie sich auch denken können, daß sie nicht so herumstehen und miteinander flüstern durften, wenn sie jeden Augenblick auf die Station kommen konnte. Ihre Köpfe fahren auseinander, ganz verwirrt. Sie duckt sich und geht auf die Gruppe zu, die jetzt am Ende des Korridors gefangen ist. Sie weiß, worüber sie geredet haben, und ich sehe, daß sie ganz außer sich ist vor Wut. Gleich wird sie die schwarzen Scheißkerle in der Luft zerreißen, so wütend ist sie. Sie bläht sich auf, wird immer größer, bis ihr Rücken aus der weißen Uniform platzt, und ihre Arme dehnen und strecken sich, bis sie so lang sind, daß sie die drei damit fünf-, sechsmal umschlingen kann. Sie schaut sich um und dreht dabei ihren riesigen Kopf hin und her. Keiner ist auf, der sie sehen könnte, nur der alte Besen-Bromden, der Halbblutindianer, der sich da hinten hinter seinem Mop versteckt, und der kann sowieso nicht reden und um Hilfe rufen. Und deshalb läßt sie sich so richtig gehen, und ihr aufgemaltes Lächeln verzerrt sich, verwandelt sich in ein offenes Fauchen, und sie bläst sich immer mehr auf, wird so groß wie ein Traktor, so groß, daß ich die ganze Maschinerie in ihr drin riechen kann, so wie man einen Motor riechen kann, der eine zu schwere Ladung ziehen muß. Ich halte die Luft an und denke: Mein Gott, diesmal passiert's! Diesmal haben sie ihren Haß zu groß werden lassen, die Belastung ist zu groß geworden, sie werden sich in Stücke reißen, bevor ihnen überhaupt klar wird, was sie da anstellen!
Doch gerade, als sie ihre überlangen Arme um die schwarzen Jungen schließen will und sie mit ihren Besenstielen auf ihren Unterleib losgehen, strömen alle Patienten aus den Schlafsälen, um dem Spektakel auf den Grund zu gehen, und sie muß sich schnell wieder zurückverwandeln, bevor ihre derzeitige Verfassung ihr tatsächliches Ich in seiner ganzen Häßlichkeit für alle sichtbar macht. Als sich die Patienten erst mal die Augen gerieben haben, um halbwegs sehen zu können, was da vor sich geht, sehen sie nur noch, wie die Oberschwester, lächelnd und ruhig und kalt wie gewöhnlich, den schwarzen Jungen sagt, sie sollten nicht so herumstehen und tratschen, schließlich ist es Montag morgen, und es ist eine Menge zu tun, am ersten Morgen der Woche .
«. ein Elend, so ein Montagmorgen, das wißt ihr doch, Jungs .»
«Klar, Miss Ratched .»
«. und wir haben eine ganze Anzahl Besprechungen heute morgen, es wäre also nett, falls eure Gespräche nicht allzu dringend sind .»
Sie bricht ab und nickt einigen der Patienten zu, die jetzt näher gekommen sind und mühsam aus den vom Schlaf geröteten und angeschwollenen Augen sehen. Jedem nickt sie einmal zu. Präzise, automatische Geste. Ihr Gesicht ist glatt, berechnend, eine präzise Spezialanfertigung, wie eine teure Baby-Puppe, Haut wie fleischfarbenes Emaille, eine Mischung von Weiß und Cremefarbe und babyblauen Augen, kleine Nase, kleine rosa Nasenlöcher - alles paßt zusammen, bis auf die Farbe ihrer Lippen und Fingernägel und die Größe ihres Busens. Irgendwie ist bei der Herstellung ein Fehler unterlaufen, als einem in allen anderen Punkten vollkommenen Produkt diese großen fraulichen Brüste gegeben wurden, und man kann deutlich sehen, daß sie deswegen verbittert ist.
Die Männer stehen immer noch da und möchten gerne wissen, weshalb sie auf die schwarzen Jungen losgegangen war, da erinnert sie sich daran, daß sie mich gesehen hat, und sagt: «Und da es tatsächlich Montag ist, Jungs, wollen wir doch die Woche gleich richtig anfangen und zuerst einmal den armen Mr. Bromden rasieren, dann vermeiden wir das starke Gedränge im Rasierraum nach dem Frühstück und damit auch etwas von der - ähem - Unruhe, die er dabei so gerne stiftet, meint ihr nicht?» Bevor sich irgend jemand umdrehen und nach mir suchen kann, verdrücke ich mich schleunigst im Besenschrank und ziehe die Tür zu, daß es ganz dunkel ist, und halte die Luft an. Rasieren vor dem Frühstück, das ist die schlimmste Zeit. Wenn du erst mal was im Magen hast, bist du stärker und erst richtig wach, und die Scheißkerle, die für die Genossenschaft arbeiten, können dir nicht so leicht eine ihrer Maschinen ansetzen statt des elektrischen Rasierapparates. Wenn du dich aber vor dem Frühstück rasierst, wie sie das an manchen Tagen bei mir anordnet, morgens um halb sieben in einem Raum mit weißen Wänden ringsum und weißen Waschbecken und mit langen Röhrenlampen an der Decke, damit es auch bestimmt keine Schatten gibt, und um dich herum all diese Gesichter, schreiend hinter Spiegeln gefangen - welche Chance hast du dann gegen eine ihrer Maschinen?
Ich bin im Besenschrank versteckt und höre nach draußen, mein Herz schlägt in der Dunkelheit, und ich versuche, keine Angst zu bekommen, versuche, mit meinen Gedanken anderswo zu sein - versuche, an früher zu denken, an das Dorf...
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