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Zum ersten Mal traf ich Neal, kurz nachdem mein Vater gestorben war . Ich hatte gerade eine schwere Krankheit hinter mir, von der ich gar nicht groß reden will, bloß dass sie mit dem Tod meines Vaters zu tun hatte und mit dem scheußlichen Gefühl, dass alles tot war. Mit Neals Auftauchen begann so richtig der Teil meines Lebens, den man mein Leben auf der Straße nennen kann. Vorher hatte ich immer davon geträumt, nach Westen zu gehen, das Land zu sehen, hatte immer vage Pläne gemacht, war dann aber nie wirklich losgekommen und so. Neal ist der ideale Mann für die Straße, weil er sogar auf der Straße geboren wurde, als seine Eltern auf dem Weg nach Los Angeles 1926 mit ihrer Rostlaube durch Salt Lake City kamen. Hal Chase war der Erste, der von Neal erzählte und mir Briefe zeigte, die Neal ihm aus einem Erziehungsheim in Colorado geschrieben hatte. Ich fand die Briefe ungeheuer interessant, weil Neal Hal so naiv und treuherzig darum bat, ihm alles über Nietzsche und die tollen intellektuellen Sachen beizubringen, für die Hal zu Recht so berühmt war. Einmal unterhielten Allen Ginsberg und ich uns über diese Briefe und fragten uns, ob wir den seltsamen Neal Cassady wohl je kennenlernen würden. Das ist alles ewig her, als Neal noch nicht so wie heute war, sondern ein junger, geheimnisumwobener Knacki. Dann erfuhren wir, dass er aus dem Erziehungsheim entlassen worden war und zum ersten Mal nach New York kommen würde; außerdem hieß es, er habe gerade eine 16-Jährige namens Louanne geheiratet. Eines Tages hing ich auf dem Campus der Columbia University herum, und Hal und Ed White erzählten, Neal sei gerade angekommen und wohne in der Kaltwasserbude eines Typen namens Bob Malkin in East Harlem, also Spanish Harlem. Neal war am Vorabend angekommen, zum ersten Mal in NY mit seiner schönen kleinen Sahneschnitte Louanne; sie waren an der 50th St. aus dem Greyhound ausgestiegen, um die Häuser gezogen, um irgendwo was zu essen, und direkt bei Hector's gelandet, und seitdem war Hector's Cafeteria für Neal immer ein großes Symbol für NY. Sie gaben ihr Geld für Windbeutel und herrliche Kuchen mit dickem Zuckerguss aus. Neal erzählte Louanne die ganze Zeit Sachen wie, «also, Schatz, jetzt sind wir hier in Ny, und ich hab dir zwar noch nicht alles erzählt, was mir durch den Kopf gegangen ist, als wir durch Missouri gekommen sind und besonders an der Besserungsanstalt von Booneville vorbei, die mich an mein Gefängnisproblem erinnert hat, aber wir müssen diese ganzen ollen Kamellen, die unsere persönlichen Liebesdinge angehen, jetzt unbedingt zurückstellen und sofort überlegen, wie wir Arbeit und Leben unter einen Hut kriegen .» und so weiter, eben so, wie das anfangs seine Art war. Ich ging mit den Jungs zu seiner Bude, und Neal war in Shorts, als er aufmachte. Louanne sprang schnell aus dem Bett; anscheinend waren sie gerade am Ficken gewesen. Das machte er immer so. Der andere, dem die Wohnung gehörte, dieser Bob Malkin, war auch da, aber Neal musste ihn in die Küche abkommandiert haben, wahrscheinlich zum Kaffeekochen, während er seine Liebesprobleme in Angriff nahm . für ihn war Sex das einzig Heilige und Wichtige im Leben, obwohl er sich krumm und lahm schuftete, um über die Runden zu kommen und so. Mein erster Eindruck von Neal war der eines jungen Gene Autry - gepflegt, schmale Hüften, blaue Augen und ein echter Oklahoma-Dialekt. Er hatte auch gerade auf einer Ranch gearbeitet, bei Ed Uhl in Sterling, Colorado, bevor er L. geheiratet hatte und nach Osten gekommen war. Louanne war ein hübsches, süßes kleines Ding, aber dumm wie Brot und zu fürchterlichen Sachen imstande, wie sich später zeigen sollte. Ich erwähne das erste Treffen mit Neal nur wegen seiner Aktionen. Wir tranken an dem Abend alle Bier, ich war am Ende ziemlich zugebrezelt und brabbelte irgendwas, schlief dann auf dem zweiten Sofa, und als wir am nächsten Morgen stumm herumsaßen und im grauen Licht des trüben Tages die Kippen aus den Aschenbechern aufrauchten, sprang Neal nervös auf, lief nachdenklich durchs Zimmer und entschied schließlich, Louanne müsse jetzt Frühstück machen und den Boden fegen. Dann ging ich. Das war anfangs alles, was ich von Neal wusste. In der Woche danach vertraute er Hal Chase aber an, dass er unbedingt das Schreiben von ihm lernen müsse; Hal sagte, ich sei Schriftsteller, und er solle sich doch an mich wenden. Neal hatte inzwischen Arbeit auf einem Parkplatz gefunden und mit Louanne in ihrer Wohnung in Hoboken, weiß der Geier, warum sie da hingezogen waren, Zoff bekommen, und sie war so verrückt und tief drinnen so nachtragend, dass sie ihn bei der Polizei anzeigte, irgendeine erstunkene und erlogene hysterische Beschuldigung, aber jedenfalls musste Neal aus Hoboken raus. Also hatte er keine Wohnung mehr. Er kam direkt nach Ozone Park, wo meine Mutter und ich wohnten, und als ich eines Abends an meinem Buch arbeitete oder malte oder wie man das nun nennen will, klopfte es an der Tür, und Neal stand vor mir, verbeugte sich, scharrte im dunklen Korridor verlegen mit den Füßen und sagte, «hal-lo, kennst du mich noch? Neal Cassady. Ich möchte dich bitten, mir zu zeigen, wie man schreibt». - «Und wo ist Louanne?», fragte ich, und Neal sagte, die habe anscheinend ein paar Dollar zusammengehurt, irgendwas in der Art, und sei nach Denver zurück . «die Nutte!» Wir gingen also ein paar Bier trinken, denn bei meiner Mutter, die im Wohnzimmer saß und ihre Zeitung las, konnten wir ja nicht frei reden. Sie hielt Neal schon auf den ersten Blick für plemplem. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass auch sie mal mit ihm durch die verrückte amerikanische Nacht fahren würde. In der Bar meinte ich zu Neal, «Herrgott, ich weiß doch genau, dass du nicht bloß zu mir gekommen bist, weil du Schriftsteller werden willst, und außerdem, was weiß denn ich schon davon, außer dass man mit der Energie eines Bennie-Süchtigen bei der Stange bleiben muss», und er sagte, «ja, klar, ich weiß genau, was du meinst, und genau das hab ich mich auch schon gefragt, aber was ich wirklich will, ist die Erkenntnis dieser Faktoren, sollte man sich auf Schopenhauers Dichotomie einlassen und jede innerlich erkannte .» und so weiter und so fort, Dinge, von denen ich nicht die leiseste Ahnung hatte und er genauso wenig, aber worauf ich raus will, ist, damals wusste er wirklich nicht, wovon er redete, soll heißen, er war ein junger Knacki, der sich in die wundervolle fixe Idee verrannt hatte, ein echter Intellektueller zu werden, und er verfiel gern in den Tonfall und benutzte die Worte, aber ganz verschwurbelt, so wie er «echte Intellektuelle» hatte reden hören, obwohl er wohlgemerkt in anderen Bereichen längst nicht so naiv war, und er brauchte dann auch nur ein paar Monate mit Leon Levinsky, bis er die ganzen Begriffe und Phrasen und den Stil der Intellektualität intus hatte. Ich mochte ihn trotzdem wegen seiner Verrücktheit, und wir versackten in der Linden-Bar bei mir hinterm Haus, und ich hatte nichts dagegen, dass er erst mal bei mir wohnte, bis er Arbeit gefunden hatte, und außerdem vereinbarten wir, irgendwann in den Westen zu fahren. Das war im Winter 1947. Kurz nachdem ich Neal kennengelernt hatte, fing ich an, mein riesiges Town and City zu schreiben oder zu malen, und hatte ungefähr vier Kapitel geschafft, da lehnte er sich eines Abends, wo er bei uns gegessen und schon einen neuen Parkplatzjob in New York hatte, den beim Hotel NYorker in der 34th Street, bei mir über die Schulter, während ich volle Kanne drauflostippte, und sagte, «komm schon, Mann, die Mädchen warten nicht, mach zu», und ich sagte, «nur noch fünf Minuten, wenn ich mit dem Kapitel fertig bin, komm ich sofort mit», und das war eins der besten Kapitel im ganzen Buch. Dann zog ich mich um, und wir düsten nach NY, um Mädchen aufzugabeln. Ihr wisst bestimmt, von Ozone Park ist man nach New York rein eine Stunde lang mit Hoch- und U-Bahn unterwegs, und als wir da oben über den Dächern von Brooklyn langjuckelten, lehnten wir aneinander, fuchtelten mit den Armen, grölten und schwatzten aufgeregt, und Neal steckte mich langsam an. Das Leben erregte ihn nun mal wahnsinnig, und auch wenn er ein Schwindler war, schwindelte er doch nur, weil er unbedingt leben und mit Menschen zusammenkommen wollte, die ihn ansonsten wie Luft behandelt hätten. Er wickelte mich in gewisser Weise ein, und ich wusste das, und er wusste, dass ich es wusste (das ist immer die Grundlage unserer Beziehung gewesen), aber das war mir egal, und wir kamen prima miteinander klar. Nach und nach lernte ich genauso viel von ihm wie er wahrscheinlich von mir. Was meine Arbeit anging, sagte er, «weiter so, du machst das alles großartig». Wir fuhren nach New York rein, und was genau ablief, weiß ich nicht mehr, irgendwas mit zwei Mädchen - aber da waren keine Mädchen, sie hatten ihn treffen sollen oder so, und sie waren nicht da. Wir gingen zu seinem Parkplatz, wo er noch ein paar Sachen erledigen musste - sich hinten im Verschlag umziehen und sich vor dem gesprungenen Spiegel darin ein bisschen auf Vordermann bringen und so, und dann zischten wir los. Und an dem Abend lernte Neal Leon Levinsky kennen. Etwas Tolles geschah, als Neal Leon Levinsky kennenlernte . ich meine natürlich Allen Ginsberg. Die beiden Starkstromgeister lagen ruckzuck auf der gleichen Wellenlänge. Zwei scharfe Augenpaare durchbohrten einander . der heilige Schwindler und der große, leiderfüllte, lyrische Schwindler namens Allen Ginsberg. Von dem Tag an bekam ich Neal nur noch sehr selten zu Gesicht, und das tat mir ein bisschen...
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