Schweitzer Fachinformationen
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Diese Nachmittage, diese faulen Nachmittage, wenn ich oben auf dem Desolation Peak saß oder auch lag, auf dem Gipfel der Trübsal, manchmal auf der Bergwiese, ringsum Hunderte Kilometer schneebedeckter Fels, der drohende Mount Hozomeen im Norden, der verschneite, riesige Jack Mountain im Süden, der verzaubernde Anblick des Sees unten im Westen, und dahinter der verschneite Buckel des Mt. Baker, und im Osten die Kette der zackigen, zerfurchten Ungetüme der Cascades, und nach dem ersten Mal die plötzliche Erkenntnis: «Ich selbst bin es, der sich verändert und der all das getan hat, der gekommen und gegangen ist und sich beklagt und Schmerz empfunden und sich gefreut und laut geschrien hat, und nicht das Nichts», und jedes Mal, wenn ich ans Nichts dachte, blickte ich hinüber zum Mt. Hozomeen (weil Stuhl und Bett und Bergwiese nach Norden gingen), bis ich erkannte: «Der Hozomeen ist das Nichts, oder wenigstens bedeutet er das Nichts in meinen Augen» - Blanker, nackter Fels, Zinnen ragen Hunderte Meter aus Buckelmuskeln, die noch mal Hunderte Meter aus kolossal bebaumten Schultern ragen, und die grüne, spitztannige Schlange meines eigenen Bergrückens (Starvation) windet sich zu ihm hin, zu seinem grauenhaft gewölbten, blauen, rauchleibigen Fels, und die «Wolken der Hoffnung» bummeln jenseits davon über Kanada, mit ihren Tüpfelgesichtern und parallel geformten Rücken, mit ihrem Hohnlächeln und Grinsen und ihrer lammigen Gestalt und ihren Puffschnauzen und ihren löchrigen Stallungen und sagen «Hallo Erde!» - die höchsten, allerkicherndsten Gipfelentsetzlichkeiten des Mt. Hozomeen, gemacht aus schwarzem Fels, und nur wenn Stürme pfeifen, sehe ich sie nicht, und sie tun nichts als Zahn um Zahn mit unerschütterlichem Missmut aus Wolkenbruch und Nebel wieder Sturm zu machen - Hozomeen, der nicht im Wind zerbirst wie Hüttenstreben, der, wenn man ihn verkehrt rum sieht (wenn ich vor der Hütte meinen Kopfstand machte), nur als Blase im grenzenlosen Ozean des Raumes hängt -
Hozomeen, Hozomeen, schönster Berg, den ich je gesehn, wie ein Tiger manchmal, so gestreift, sonnensatte Rinnsale und Schattenklippen winden sich im Helllichten Tag, senkrechte Furchen und - buh! - Spalten, rumms, blanker, herrlicher, vernünftiger Berg, keiner hat auch nur von ihm gehört, und er ist nur zweieinhalbtausend Meter hoch, doch welches Grauen, als ich dieses Nichts zum ersten Mal erblickte, als ich in der ersten Nacht auf dem Desolation Peak aus zwanzig Stunden tiefem Nebel zu einer sternenklaren Nacht erwachte und plötzlich Hozomeens zwei scharfe Spitzen drohten, mitten in der Schwärze meines Fensters - Das Nichts, immer wenn ich an das Nichts dachte, sah ich den Mount Hozomeen, und ich verstand. Mehr als siebzig Tage lang musste ich ihn ansehen.
Ja, denn im Juni, als ich für meinen Job als Brandwächter hinauf ins Skagit Valley im Nordwesten Washingtons trampte, hatte ich geglaubt: «Wenn ich oben auf dem Desolation Peak bin und alle anderen auf Maultieren davonreiten und ich allein zurückbleibe, dann werde ich Gott oder Tathagata gegenüberstehen und ein für alle Mal rausfinden, was es auf sich hat mit dieser ganzen Existenz, dem Leid und nichtsnutzigen Hin und Her», doch gegenüber stand ich nur mir selbst, kein Schnaps, keine Drogen, keine Chance, irgendjemandem was vorzumachen, nur ich selbst, der alte, hassenswerte Duluoz, und oft hab ich geglaubt, ich müsse sterben, vor Langeweile zugrundegehen oder mich vom Berg stürzen, doch die Tage, ach, was sage ich, die Stunden schleppten sich dahin, und mir fehlte der Mumm zu diesem Sprung, ich musste warten, bis ich der Wirklichkeit ins Auge sah - Und endlich ist es dann so weit, an jenem Nachmittag des 8. August, als ich in meinem hochalpinen Vorgarten auf dem kleinen Pfad auf und ab gehe, den ich in Staub und Regen ausgetreten habe, Abend für Abend, meine Öllampe tief geneigt im Inneren der Hütte mit den Fenstern auf allen vier Seiten und dem Pagodendach und der Blitzableiterspitze, da geht es mir endlich auf, nach stetigen Tränen und Zähneknirschen, nach dem Töten einer Maus und dem versuchten Mord an einer zweiten, was ich noch nie zuvor getan hatte (Tiere töten, nicht mal Nager), geht es mir auf in diesen Worten: «Dem Nichts kann keine Form von Auf und Ab was anhaben, sieh dir nur den Hozomeen an, kennt der Sorgen oder Tränen? Beugt er sich dem Sturm, knurrt er, wenn die Sonne scheint, seufzt er in der Dösigkeit des späten Tages? Lächelt er? Entstand er nicht aus tollhirnigem Chaos und rebellischem Feuerregen und ist jetzt Hozomeen und weiter nichts? Warum sollte ich verbittert oder süß sein wollen, wo er doch keins von beiden ist? Warum kann ich nicht sein wie der Hozomeen und - o Platitude, o uralte Platitude bourgeoiser Geister - «das Leben nehmen, wie es ist»? Wie einst der Biograph und Säufer W.E. Woodward sagte: «Das Leben ist nur da, um gelebt zu werden» - Aber mein Gott, was bin ich gelangweilt! Aber ist der Hozomeen gelangweilt? Und ich hab die Nase voll von Worten und Erklärungen. Der Hozomeen auch?
Polarlicht
überm Hozomeen -
Das Nichts ist stiller
- Selbst der Hozomeen wird bröckeln und zerfallen, nichts währt ewig, es ist nur eine Passage-in-dem-was-alles-ist, ein Durchgang, das läuft hier ab, wieso Fragen stellen oder Haare raufen oder weinen, der blubberblöde lila Lear auf seiner Leidensheide ist nur ein zerknirschter alter Lappen mit zwirbeligen Bartspitzen, umsorgt von einem Narren - sein und nicht sein, das sind wir. Hat das Nichts mit Tod und Leben irgendwas zu schaffen? Kennt es denn Beerdigungen? Kuchen zur Geburt? Warum bin ich nicht so wie das Nichts, unerschöpflich fruchtbar, jenseits allen Gleichmuts, sogar jenseits aller Freude, nur der gute alte Jack (und nicht mal das), und führe mein Leben von diesem Augenblick an (obwohl Luft durch meine Luftröhre strömt), und dieses flüchtige Bild in einer Kristallkugel ist nicht das Nichts, das Nichts ist die Kristallkugel, und all mein Kummer ist das Lankavatara-Sutra-Haarnetz der Narren: «Seht her, meine Herren, ein herrliches, trauriges Haarnetz» - Reiß dich zusammen, Jack, geh durch alles hindurch, und alles ist nur ein Traum, eine Erscheinung, ein Blitz, ein trauriger Blick, ein kristallklares Mysterium, ein Wort - Halt still, Mann, und sei einfach, sei, sei die unendliche Fruchtbarkeit des einen unendlichen Geistes, spar dir Kommentare, Beschwerden, Kritik, Beurteilungen, Bekenntnisse, Sprüche, Sternschnuppengedanken, fließe einfach, fließe, sei du alles, sei du, was es ist, es ist nur, was es immer ist - Hoffnung ist ein Wort wie eine Schneewehe - Das ist die Erleuchtung, das ist das Erwachen, das ist Nichtsheit - Also halt den Mund und lebe, reise, abenteure, segne, und bereue nichts - Pflaumen, Pflaumen, iss nur deine Pflaumen - Und du warst schon immer und wirst immer sein, und all die ärgerlichen Rempler mit dem Fuß an einem unschuldigen Schrank, die waren bloß das Nichts, das tat, als wäre es ein Mann, der tat, als kenne er das Nichts nicht -
Zurück an der Hütte bin ich ein neuer Mensch.
Nur noch 30 lange Tage muss ich warten, bis ich von diesem Felsen steige und das süße Leben wiedersehe - im Wissen, dass es weder süß noch bitter, sondern einfach das ist, was es ist, und so ist es auch -
So sitze ich nun lange Nachmittage auf meinem gemütlichen (Segeltuch-)Stuhl mit Blick auf den nichtigen Hozomeen, die Stille haucht durch meine Hütte, mein Ofen schweigt, die Teller funkeln, mein Feuerholz - alte Zweige in Form von Wasser und Kelp, mit denen ich kleine Indianerfeuer in meinem Ofen entzünde, um schnell was zu kochen - mein Feuerholz stapelt sich schlangengleich in der Ecke, die Konserven warten auf den Öffner, meine alten, abgewetzten Schuhe weinen, meine Pfannen lehnen sich an, meine Trockentücher hängen, meine Sachen stehen still im Raum, meine Augen schmerzen, der Wind wälzt sich heran und schlägt ans Fenster und an die hochgezogenen Läden, und das Licht des späten Nachmittags beschattet, beblaudunkelt den Hozomeen (was seine rote Strähne in der Mitte offenbart), und mir bleibt nichts zu tun, als abzuwarten - und zu atmen (und das Atmen ist nicht einfach in der dünnen Höhenluft, mit West-Coast-Nebenhöhlenkeuchen) - warten, atmen, essen, schlafen, kochen, waschen, hin und her gehen, Ausschau halten, nie irgendein Waldbrand - und tagträumen: «Was mache ich, wenn ich in Frisco bin? Na, zuerst mal nehm ich mir in Chinatown ein Zimmer» - Doch sogar noch naheliegender und süßer träume ich vom Großen Tag der Abreise, dem geheiligten Tag Anfang September: «Ich werde zwei Stunden den Pfad runterwandern, Phil im Boot treffen, zum Ponton in Ross fahren, dort eine Nacht schlafen, in der Küche quatschen, früh am Morgen los auf dem Diablo-Boot, weiter von dem kleinen Pier (kurz bei Walt reinschauen), per Anhalter nach Marblemount, meinen Lohn kassieren, meine Schulden abzahlen, eine Flasche Wein kaufen und sie nachmittags am Skagit trinken, und am nächsten Morgen weiter nach Seattle» - und von dort weiter nach Frisco, dann nach L.A., Nogales,...
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