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In einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Regierungssystem ist das Parlament eine Institution, die gegenüber der Regierung ein echtes Gegengewicht bildet. So gibt es einen permanenten Widerstreit zwischen den Mitgliedern des Parlaments, die eine Regierungskoalition unterstützen, und jenen Parlamentsabgeordneten, die in Opposition zur Regierung stehen. Die Opposition kritisiert zu weitreichende Politiken, übermäßige Haushaltsausgaben und Gesetzesakte, die über die verfassungsrechtlichen Kompetenzen hinausgehen.
Die Europäische Union ist kein Staat. Aber sie betrachtet sich als ein »Staat im Werden«. Sie beansprucht Kompetenzen und Befugnisse, die normalerweise der Staatlichkeit vorbehalten sind, wie »europäische Regierung«, »europäische Steuergesetzgebung« und »europäische Armee«. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wird der Ausdruck der »europäischen Souveränität« von europäischen Föderalisten - also Anhängern eines EU-Bundesstaates - benutzt, um europäische Staatlichkeit zu fordern. Dies ist das föderalistische Mantra der »immer engeren Union« als dem überragenden Governance-Prinzip der EU.
Das Ergebnis: Das Europäische Parlament ist ein Parlament ohne Opposition. Von den gewählten Mitgliedern dieses Hauses wird erwartet, dass sie die Cheerleader europäischer Staatlichkeit sind. Diejenigen, die in diesen Refrain nicht einstimmen, werden missachtet, ignoriert oder lächerlich gemacht. Nach Ansicht der Brüsseler Bürokratie werden sie im Mülleimer der Geschichte verschwinden.
Am 19.02.2009 adressierte der damalige tschechische Präsident Václav Klaus einen Reality Check an das Europäische Parlament. »Hier wird nur eine einzige Option der Politik vorangebracht. All diejenigen, die es wagen, über andere Optionen nachzudenken, werden als Feinde der europäischen Integration etikettiert.« Klaus sprach aus Erfahrung. »Vor nicht allzu ferner Zeit lebten wir in unserem Teil Europas in einem politischen System, das keine Alternativen erlaubte und daher auch keine parlamentarische Opposition kannte. Wir lernten anhand dieser Erfahrung eine bittere Lektion, nämlich dass es ohne Opposition keine Freiheit gibt. Daher müssen politische Alternativen existieren.«
Dies war eine bemerkenswerte, einmalige Rede. Niemals zuvor war ein eingeladener Redner bereit gewesen, dieselbe Institution, die ihn eingeladen hatte, in Anwesenheit ihrer Mitglieder zu kritisieren. Viele der Parlamentsabgeordneten ertrugen die Worte von Klaus nicht und begannen, ihn auszubuhen. Andere verließen die Räumlichkeit und schimpften in den Wandelgängen des Parlaments. Sie waren an die ewig selbe Formel gewohnt: »Wir sind gut. Wir brauchen nur mehr Macht für Europa.« Klaus sagte indes: »Da es kein europäisches Volk gibt und auch keine europäische Nation, kann dieses Manko auch nicht durch die Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments repariert werden. Es würde - ganz im Gegenteil - das Problem schlimmer machen.« Der Name von Klaus wird in Brüssel nur mit Bestürzung und Verachtung erwähnt. Sein Name ist aus dem Haus der Europäischen Geschichte entfernt worden. Dieses Haus der Europäischen Geschichte, als Teil des Gebäudekomplexes des Parlaments, soll nichts anderes befördern als das Europäische Parlament selbst.
Das Europäische Parlament bekleidet eine Schlüsselposition im Gleichgewicht der Gewalten innerhalb der europäischen Institutionen. In diesem Gleichgewicht haben die Mitgliedstaaten eine besondere Funktion, insbesondere Deutschland und Frankreich, die stärksten Aktionäre der EU und gleichzeitigen Wettbewerber. Zurzeit hält Frankreich Schlüsselpositionen inne und verfügt innerhalb des institutionellen Gewaltenkonglomerats über eine Hegemonie: Frankreich nominierte Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission, es schubste den frankophonen Belgier Charles Michel in die Position des Ratspräsidenten und vor allem war Frankreich in der Lage, Christine Lagarde an die Spitze der Europäischen Zentralbank zu befördern. Diese Ernennungen erlauben es Frankreich, über eine einmalig starke Machtposition in Brüssel zu verfügen. Frankreich hat nunmehr einen ganzen Instrumentenkasten, um seinem Ziel, das es unter dem Banner der europäischen Souveränität verfolgt, näher zu kommen: Die Schaffung gemeinsamer europäischer Schulden, die Transfers von Finanzressourcen vom Norden zum Süden und die Einführung von EU-Steuern.
Deutschland ist ein Staat, der sich ausmanövriert hat. Traditionell betrachtet, führte Frankreich das Wort in der Kommission, und Deutschland beherrschte das Parlament: Mit starken Vertretungen von drei deutschen Parteien - CDU/CSU, SPD und FDP - steuerte Deutschland die drei wesentlichen Gruppen im Europäischen Parlament: die Christdemokraten, die Sozialisten und die Liberalen. Diese Gruppen bildeten im Parlament die Mehrheit. Berlin konnte so das Stimmverhalten im Parlament stark beeinflussen. In den 1980er- und 1990er-Jahren zog es Berlin vor, belgische Vorsitzende an der Spitze der EVP-Fraktion zu sehen. Sie waren »loyale Offiziere«, die die Wünsche des Bundeskanzleramtes ernst nahmen - egal, ob die CDU/CSU oder die SPD in Berlin an der Macht war. 2001 verwarf das Europäische Parlament knapp die Take-over-Richtlinie, welche von der deutschen Regierung abgelehnt wurde. Die »deutsche Maschine« hatte gute Arbeit geleistet. Das französische Kontingent von Parlamentsmitgliedern war über viele Gruppen verteilt. Jene Abgeordnete, die die Front National von Jean-Marie Le Pen vertraten, fielen aus dem Entscheidungsprozess heraus. Frankreich hatte keinen mit Deutschland gleichwertigen Block im Europäischen Parlament. In dem Maße, wie die Anzahl der Mitglieder des Parlaments auf 751 im Rahmen der EU-Erweiterung anwuchs, erodierte die relative Macht dieses deutschen Blocks. Newcomer landeten im Parlament: die Grünen, die Linke und die AfD. Sie führten zur Fragmentierung der deutschen Stimmenmacht. Während die AfD vom Rest der deutschen Parteien ignoriert wird, hat sich die CDU/CSU in den linken Mainstream des Europäischen Parlaments hineinlocken lassen und propagiert mit »europäischer Souveränität« die gesamte Wunschliste, die damit verbunden ist. CDU/CSU können den gegenwärtigen Trend ein bisschen verlangsamen, aber sie sind weit davon entfernt, ihn zu stoppen oder umzukehren, weil ihre Cheerleader sich gegenseitig im Europadiskurs übertreffen. Das Europäische Parlament wird also von einer EU-Lobby ohne wirkliche Opposition betrieben. Widerspruch wird verworfen. Am 15. Januar 2020 nahm das Europäische Parlament die Entschließung zu einer Konferenz über die Zukunft Europas an. Für die Mehrzahl seiner Mitglieder steht das Ergebnis schon fest. Es ist bereits in Stein gemeißelt, bevor die Konferenz überhaupt anfängt: »Mehr EU, mehr Macht und mehr Geld.«
Diese Mitglieder des Parlaments werden alles tun, und zwar unabhängig von den so entstehenden Kosten, um den natürlichen Defekt, auf den sich Klaus bezogen hat, zu überwinden: »Da es kein europäisches Volk gibt, kann es auch keine europäische Nation geben.«
In diesem Parlament gibt es keine Rolle für eine Opposition. Die Sprechzeit für opponierende Mitglieder wird strikt kontrolliert. Währenddessen wird den grünen Mitgliedern des Europäischen Parlaments erlaubt, das Plenum so lange, wie sie wollen, mit ihren Reden vollzuschütten. Schriftliche Fragen opponierender Mitglieder an die EU-Kommission erhalten keine ernsthafte Antwort. Anträge auf Gesetzesänderung werden routinemäßig abgelehnt. Die Autorität des Parlaments zur Überprüfung der Abgeordneten wird vor allen Dingen auf opponierende Mitglieder des Parlaments angewendet, wenn diese eine Veranstaltung organisieren. Geht es indessen um die Veranstaltung der Mitglieder der Pro-Europa-Koalition des Europäischen Parlaments, so sind dieselben Überprüfungsinstanzen auf beiden Augen blind. Für Deutschland bedeutet das: Seine Rolle in der EU wird durch den Einfluss der deutschen Parlamentsmitglieder marginalisiert. Ich war einst erstaunt, von einem deutschen Mitglied der Grünen zu hören: »Das Problem ist, dass es zu viele Deutsche gibt.« Ich fragte: »Meinen Sie das wirklich?« - »Ja«, lautete die Antwort, »ich meine das wirklich ernst.« Mein Eindruck war, dass dieser Abgeordnete keinen Scherz machte. Die Grünen belieben nicht zu scherzen.
Deutsche Politiker, ja sogar die gesamte politisch-kulturelle Elite, verfügt über keinerlei kulturelles Selbstbewusstsein. Man kann sie sehr leicht wegen der deutschen Vergangenheit erpressen, obwohl sie dafür keinerlei Verantwortung trifft. Sie...
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